Woche 02 vom 09. bis 15. Januar 2023

  • Entschuldige bitte, aber du drehst mir das Wort im Munde um :) . Wir haben definitiv eine 50:50-Demokratie (Volksvertreter und Parteienvertreter) und daran kann nichts geändert werden. Egal, wie die Wahlrechtsreform am Ende aussieht.

    Dass ich dir das Wort im Munde herumgedreht hätte, stimmt so nicht. Immerhin hattest du herschrieben:

    Käm mir irgendwie logischer vor, als den Staat noch mehr zur Beute von Parteien zu machen.

    Dieser Vorwurf, der Staat sei eine Beute der Parteien, ging mir zu weit. Wollte man die Wahlrechtsreform so gestalten, dass die Direktkandidat*innen in jedem Fall im Parlament präsent sind, dann wäre ein möglicher Weg, die Wahlkreise in ihrer Anzahl zu halbieren, sodass ein Viertel der Abgeordneten garantiert direkt gewählt wurde. Dann würden allerdings auch die Wahlkreise doppelt so groß werden. Und es gäbe dann keine 50 zu 50 Besetzung mehr. (50% Direktkandidaten, 50 % Listenkandidaten)

    Aber diese 50 zu 50 Besetzung gibt es jetzt aufgrund der Überhangmandate und den daraus resultierenden Ausgleichsmandate ja auch nicht. Außerdem ist es so, dass fast alle Abgeordneten im Deutschen Bundestag, auch die direkt gewählten, eine der im Bundestag vertretenen Parteien, und deren Fraktionen angehören.

    Hier sind vier Ausnahmen, über die mitmischen.de vom 23.2.22 berichtet:

    "Aktuell sitzen im Bundestag 736 Abgeordnete, davon gehören 732 einer Fraktion an, also fast alle. Fraktionen setzen sich als schlagkräftige Einheiten für die Ziele ihrer Mitglieder ein, das erleichtert die eigene Arbeit und die des Bundestages insgesamt. Es gibt aber auch den Fall, dass Abgeordnete des Parlaments keiner Fraktion angehören, sie gelten dann als fraktionslos.

    Zu dieser Gruppe zählen aktuell Matthias Helferich, Johannes Huber und Uwe Witt, die alle aus unterschiedlichen Gründen die AfD-Fraktion verlassen haben. Witt ist inzwischen Mitglied der Deutschen Zentrumspartei – warum, das hat Mira ihn im Interview gefragt. Hinzu kommt Stefan Seidler, der durch seine Mitgliedschaft im Südschleswigschen Wählerverband (SSW) eine Sonderposition innehat, die er ebenfalls im Gespräch erklärt."

    Fraktionslose Abgeordnete - mitmischen.de
    SPD-Fraktion, CDU/CSU-Fraktion & Co.: Fast alle Abgeordnete des Bundestages gehören einer Fraktion an. Es gibt aber auch einige fraktionslose Parlamentarier.…
    www.mitmischen.de
  • Als Reaktion auf den SPD-Vorschlag zu einer Wahlrechtsreform legt die CDU einen Gegenentwurf vor. "Wahlrechtsreform

    Union legt Vorschlag vor - SPD lehnt umgehend ab

    Im Streit über die von der Bundesregierung geplante Wahlrechtsreform gibt es einen neuen Vorschlag der Unionsparteien. Wie die "Süddeutsche Zeitung" und der Fachinformationsdienst "Table.Media" schreiben, schlagen CDU und CSU unter anderem vor, die Zahl der Wahlkreise von 299 auf 270 zu reduzieren. Zudem sollen 15 sogenannte Überhangmandate künftig nicht mehr ausgeglichen werden."

    dlf vom 20.1.23

    Die Nachrichten - Barrierefrei
    www.deutschlandfunk.de

    Bemerkenswert: Das Prinzip, dass 50% der Abgeordneten direkt gewählt sein müssen, wird vom CDU-Vorschlag nicht verfolgt.

  • Zu dieser Gruppe zählen aktuell

    ... 3 ehemalige Parteimitglieder und 1 Kleinparteimitglied (SSW), also nicht wirklich unabhängig.

    Gibt es irgendwo Details der geplanten Reform?

    Wenn man wirklich 50:50 beibehalten wollte und die schwächsten wegen zu viele aussortiert werden sollen, könnte man die Wahlkreisvertretung durch den dort 2. (oder 3., wenn auch die Partei des 2. schon zu viele haben sollte, was aber wohl nicht vorkommen dürfte) gewährleisten lassen.

  • ... 3 ehemalige Parteimitglieder und 1 Kleinparteimitglied (SSW), also nicht wirklich unabhängig.

    Und einer der 3 ehemaligen AfD-Parteimitglieder war zwischenzeitlich Mitglied in der Zentrumspartei. (Immerhin eine Partei, die nicht ganz zu Unrecht sich als älteste Partei Deutschlands bezeichnet.) "Von Januar bis August 2022 gehörte Witt der Deutschen Zentrumspartei an. Als Austrittsgrund nannte Witt den Eintritt Jörg Meuthens in die Zentrumspartei, der bei ihrer Wählergruppe auf Ablehnung stoße. In eine Zentrumspartei mit Meuthen wäre er, so Witt, auch niemals eingetreten, da „nicht nur programmatisch, sondern auch menschlich“ viele Dinge dagegensprächen." abgerufen bei wikipedia am 20.1.23:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Uwe_Witt_(Politiker)

  • Dieser Vorwurf, der Staat sei eine Beute der Parteien, ging mir zu weit. Wollte man die Wahlrechtsreform so gestalten, dass die Direktkandidat*innen in jedem Fall im Parlament präsent sind, dann wäre ein möglicher Weg, die Wahlkreise in ihrer Anzahl zu halbieren, sodass ein Viertel der Abgeordneten garantiert direkt gewählt wurde. Dann würden allerdings auch die Wahlkreise doppelt so groß werden. Und es gäbe dann keine 50 zu 50 Besetzung mehr. (50% Direktkandidaten, 50 % Listenkandidaten)

    Mir geht der Einfluss der Parteien auch zu weit.

    Die angedachte Reform geht in die richtige Richtung aber für mich nicht weit genug. Ich würde die Landeslisten abschaffen oder besser sehr kürzen. Zuerst kämen die Dirketkandidaten nach ihren relativen Stimmenanteilen. Erst, wenn es mehr Abgeordnete als Wahlkreise gibt, kommt die Landesliste ins Spiel.

    Das hätte zur Folge, dass sich niemand auf die Landespartei verlassen kann oder muss. Jeder bräuchte ein Kreuz neben seinem Namen und nicht mehr neben den der Partei. Und, ja, es könnte sein, dass Wahlkreise keine Abgeordneten mehr stellen würden. Das ist bei der angedachten Reform aber auch der Fall.

  • Mir geht der Einfluss der Parteien auch zu weit.

    Die angedachte Reform geht in die richtige Richtung aber für mich nicht weit genug. Ich würde die Landeslisten abschaffen oder besser sehr kürzen. Zuerst kämen die Dirketkandidaten nach ihren relativen Stimmenanteilen. Erst, wenn es mehr Abgeordnete als Wahlkreise gibt, kommt die Landesliste ins Spiel.

    Das hätte zur Folge, dass sich niemand auf die Landespartei verlassen kann oder muss. Jeder bräuchte ein Kreuz neben seinem Namen und nicht mehr neben den der Partei. Und, ja, es könnte sein, dass Wahlkreise keine Abgeordneten mehr stellen würden. Das ist bei der angedachten Reform aber auch der Fall.

    Ich befürchte, du machst dir da falsche Hoffnungen. Es ist die CSU, die an vorderster Stelle gegen eine Wahlrechtsreform ins Feld zieht, die beinhaltet, dass im Bundestag nicht mehr so viele zusätzliche Abgeordnete über den Weg von Überhangmandaten und Ausgleichsmandaten einziehen.

    Vermutlich würde dein Vorschlag unter Beibehaltung der Landeslisten darauf hinauslaufen, dass dann das Zweitstimmenergebnis komplett verfälscht würde zugunsten von sehr großen Parteien in den einzelnen Bundesländern. Das krasseste Beispiel ist die CSU in Bayern.

    Aber dein Vorschlag zielt ja darauf ab, dass die Landeslisten abgeschafft würden. Das würde allerdings bundesweit darauf hinauslaufen, dass zwei große Parteien sich gegenseitig Konkurrenz machen, ähnlich wie in Großbritannien oder den USA. Dein Vorschlag würde mit großer Wahrscheinlichkeit bedeuten, dass sich CDU und CSU für die Wahl so zusammenschließen, dass sie eine gemeinsame Liste erstellen. Dann würden die CSU-Abgeordneten unter den gewählten Abgeordneten gegenüber den CDU-Abgeordneten nach einer Wahl deutlich überrepräsentiert sein. Aber das würden die Konservativen möglicherweise in Kauf nehmen. Hauptsache möglichst viele Sitze.

    Eine Wahlrechtsreform ist so schwierig zu diskutieren, weil die Zweitstimme durch den ungünstigen Namen von vielen nicht als das erkannt wird, was sie tatsächlich ist, nämlich die Hauptstimme. Deshalb ist es gut, dass die Ampelkoalition die Zweitstimme in ihrem Reformvorschlag "Hauptstimme" nennt.

    "Laut Entwurf sollen künftig nur die Zweitstimmen für die Stärke der Parteien im Bundestag ausschlaggebend sein - genannt "Hauptstimmen".

    tagesschau.de vom 16.1.2023

  • Die angedachte Reform geht in die richtige Richtung aber für mich nicht weit genug. Ich würde die Landeslisten abschaffen oder besser sehr kürzen. Zuerst kämen die Dirketkandidaten nach ihren relativen Stimmenanteilen. Erst, wenn es mehr Abgeordnete als Wahlkreise gibt, kommt die Landesliste ins Spiel.

    Beschreibt das nicht exakt die von der Ampel vorgeschlagene Reform?

  • Beschreibt das nicht exakt die von der Ampel vorgeschlagene Reform?

    Nein. Die Reform sieht vor:

    "Gewinnt die Partei aber mehr Wahlkreise direkt, als Sitze nach dem "Hauptstimmen"-Ergebnis auf sie entfallen, gehen die Kandidatinnen und Kandidaten mit dem schlechtesten "Wahlkreisstimmen"-Ergebnis leer aus."

    Ampelkoalition legt Entwurf für Wahlrechtsreform vor
    Der Bundestag ist mit 736 Abgeordneten so groß wie nie zuvor. Das will die Ampel-Regierung ändern. Die Fraktionen haben einen Gesetzesentwurf für die…
    www.tagesschau.de

    Das Schlimme ist: In der Rhetorik der CDU/CSU wird so getan, als sei es ganz was Schlimmes, wenn ein Kandidat, der mit den Erststimmen gewählt ist, leer ausgeht. Aber genau genommen ist es keine "Erststimme", sondern nur eine "Wahlkreisstimme".

  • Die Reform sieht vor:

    "Gewinnt die Partei aber mehr Wahlkreise direkt, als Sitze nach dem "Hauptstimmen"-Ergebnis auf sie entfallen, gehen die Kandidatinnen und Kandidaten mit dem schlechtesten "Wahlkreisstimmen"-Ergebnis leer aus."

    Und wo ist das der Unterschied zu dem von Hane beschriebenen?

    Zuerst kämen die Dirketkandidaten nach ihren relativen Stimmenanteilen.

    Das impliziert für mich, dass danach Schluss ist, wenn die Partei nicht genügend Zweitstimmen hat.

  • Und wo ist das der Unterschied zu dem von Hane beschriebenen?

    Es geht nach meinem Verständnis darum, ob es nun "wichtig" ist, dass die direkt gewählten Wahlkreis-Vertreter auch wirklich in den Bundestag kommen? Das kann theoretisch jeder von uns sein, solange die ca. 100.000 Wahlkreis-Wähler der Meinung sind, wir vertreten ihre Belange dort am besten. Dafür muss man keiner Partei angehören, man muss nur "wählbar" sein (18+, Deutscher, usw.).

    Nach dem Ampelvorschlag kann und wird es passieren, dass einige von denen nicht "entsandt" werden, weil da wg. Parteien-Proporz schon ein Parteifuzzy hockt, den keiner kennt und der von keinem jemals gewählt wurde. Die Partei, die Partei, ...

  • Beschreibt das nicht exakt die von der Ampel vorgeschlagene Reform?

    Nein, ich würde die Wahlkreisstimme immer zu Rate zeihen, nicht nur, wenn es zu Überhangmandaten käme.

    Ich würde die Sitze wie bisher über die Haupt-/Zweitstimme wie bisher für Bundesland und Partei bestimmen. Der Vorschlag sieht zur Zeit vor, bei Überhangmandaten die schlechtesten Kandidaten im Regen stehen zu lassen. In diesem Fall unterscheidet sich mein Vorschlag nicht vom aktuell diskutierten. Wenn es jedoch weniger Mandate als Wahlkreise gibt, werden die besten Kandidaten der Wahlkreise genommen und nicht Mandate minus Direktmandate Abgeordnete von der Landesliste.

    Das hätte den Vorteil, dass jeder Kandidat persönlich vom Volk gewählt werden müsste. Es gäbe eben keine sicheren Listenplätze mehr, mit denen die Parteien ihre Bonzen ins Parlament bringen könnten. Deswegen sehe ich keine Chance für den Vorschlag.

  • Es gäbe eben keine sicheren Listenplätze mehr, mit denen die Parteien ihre Bonzen ins Parlament bringen könnten.

    Es gibt auch heute bei vielen Partei-Bundesland-Kombinationen keine sicheren Listenplätze.

    Von der CSU ist beispielsweise kein einziger Listenkandidat im Bundestag. Auch von der Landesliste der SPD in Brandenburg ist kein einziger Listenkandidat im Bundestag. Das sind nur Direktkandidaten. Dito für die Landesliste Baden-Württemberg der CDU.

    Beim Ampelvorschlag wird es für Listenkandidaten noch etwas schwieriger, da sie heute teilweise nur aufgrund von Ausgleichsmandaten noch in den Bundestag rutschen. Da beim Ampelvorschlag keine Ausgleichsmandate mehr nötig sind, entfällt dieser Weg.

    Wenn es jedoch weniger Mandate als Wahlkreise gibt

    Was meinst Du damit?

    In jedem einzelnen Bundesland werden doch immer mehr Mandate verteilt als es Direktmandate gibt.

  • Es gibt auch heute bei vielen Partei-Bundesland-Kombinationen keine sicheren Listenplätze.

    Von der CSU ist beispielsweise kein einziger Listenkandidat im Bundestag. Auch von der Landesliste der SPD in Brandenburg ist kein einziger Listenkandidat im Bundestag. Das sind nur Direktkandidaten. Dito für die Landesliste Baden-Württemberg der CDU.

    Wenn ein Direktkandidat spontan chronisch erkrankt, rückt der Kandidat auf Listenplatz Eins nach. Es ist ja nicht so, dass so etwas nicht vorgekommen wäre.

    Was meinst Du damit?

    In jedem einzelnen Bundesland werden doch immer mehr Mandate verteilt als es Direktmandate gibt.

    Ich meinte es pro Partei. Wenn eine Partei mehr Mandate erringt als Direktmandate, kommt die Landesliste ins Spiel.

  • Beim Ampelvorschlag wird es für Listenkandidaten noch etwas schwieriger, da sie heute teilweise nur aufgrund von Ausgleichsmandaten noch in den Bundestag rutschen. Das möchte die Ampel abschaffen.

    Hihi, man könnte vom Wähler auch verlangen, dass er seine Präferenzen "gewichtet". Erster Platz, zweiter Platz, bis hin zu "geht gar nicht". Und dann einfach ne Regression macht. Würde das die Bürger des Dichter- und Denkerlandes überfordern? :) Ist schwieriger als einen SUV zu starten...

  • Wenn eine Partei mehr Mandate erringt als Direktmandate, kommt die Landesliste ins Spiel.

    Das ist doch bereits heute so.

    Wenn es jedoch weniger Mandate als Wahlkreise gibt, werden die besten Kandidaten der Wahlkreise genommen und nicht Mandate minus Direktmandate Abgeordnete von der Landesliste.

    Genau das ist doch der Vorschlag der Ampelregierung, oder?

    Der aktuelle Vorschlag:

    1.) Die Anzahl der Sitze bestimmt sich aus dem Ergebnis der Hauptstimmen (Zweitstimmen)

    2.) Die werden zuerst mit gewählten Direktkandidaten befüllt, absteigend sortiert nach Wahlergebnis in %

    3.) Gibt es mehr Direktkandidaten als Sitze, gehen die verbliebenen Direktkandidaten leer aus.

    4.) Sind noch Plätze übrig, gehen die an die Listenplätze.

    Zum Vergleich die heutige Regelung:

    1 und 2 identisch

    3.) die "übrigen" Direktkandidaten erhalten ein Überhangmandat (die Sortierung in 2 ist damit irrelevant). Diese verzerren das Zweitstimmenverhältnis.

    3a) Da Überhangmandate das Ergebnis der Zweitstimmen verzerren, werden dafür bei den restlichen Parteien so viele Ausgleichsmandate geschaffen, dass der Proporz nach Zweitstimmen wieder hergestellt ist.

    4.) Wieder identisch.

  • Nein, mein Vorschlag wäre wie folgt:

    1.) Die Anzahl der Sitze bestimmt sich aus dem Ergebnis der Hauptstimmen (Zweitstimmen)

    2.) Direktmandate greifen nur bei parteilosen Kandidaten.

    3.) entfällt

    4.) Die Plätze gehen an die Direktkandidaten mit den besten Stimmenanteilen.

    5.) Gibt es mehr Plätze als Wahlkreise (nicht Direktmandate), gehen diese an Listenkandidaten.

  • Das hätte den Vorteil, dass jeder Kandidat persönlich vom Volk gewählt werden müsste. Es gäbe eben keine sicheren Listenplätze mehr, mit denen die Parteien ihre Bonzen ins Parlament bringen könnten. Deswegen sehe ich keine Chance für den Vorschlag.

    Ich hatte bereits befürchtet, dass ich dich richtig verstanden hatte. Aber geht's vielleicht auch mit weniger Kraftausdrücken? Nicht so sehr deshalb, weil ich das ungehörig oder unanständig fände. Aber diese Zuspitzung verstellt den Blick auf die Fakten. Ich übersetze mal "Parteien, die ihre Bonzen ins Parlament bringen" wollen mit: Eine Partei ist verständlicherweise interessiert, ihre besten Leute ins Parlament zu bringen. Das ist nichts Unanständiges oder Anstößiges, sondern sehr verständlich.

    In unserem gemischten Wahlsystem bietet die Parteiliste dazu eine Möglichkeit, indem die besten einer Partei auf die vorderen Listenplätze gesetzt werden. Was ist daran schlimm?

    Daran kann ich nichts Anstößiges entdecken kann. Zumal in einem reinen Mehrheitswahl-System die Parteien ebenfalls die Möglichkeit haben, die Kandidaten aus ihren Reihen, die sie für die am besten geeigneten für die Parlamentsarbeit halten, beim Wahlerfolg zu fördern. Nämlich indem sie dafür sorgen, dass diese Kandidaten in Wahlkreisen antreten, die als sichere Wahlkreise gelten, bzw. die sich in der Vergangenheit als sichere Wahlkreise für diese Partei erwiesen haben.

    Und noch etwas darf nicht übersehen werden: Kandidat*innen einer großen Partei, die auf den vorderen Listenplätzen stehen, gewinnen oft auch das Direktmandat in ihrem Wahlkreis. Die sind sozusagen "doppelt abgesichert". In unserem gemischten Wahlsystem können große Parteien ihre Kandidaten sozusagen "doppelt absichern". Selbst wenn es nicht gelingt, als Direktkandidat mit dem Wahlkreismandat ins Parlament zu ziehen, kann es über die Liste klappen. Oder umgekehrt, wenn die Partei unerwartet wenig Stimmen erhält, kann ein Kandidat über das Direktmandat einziehen. Diese "Absicherung über den Wahlkreis" ist allerdings ein Privileg der großen Parteien im gegenwärtigen Mix aus Verhältniswahlrecht und Mehrheitswahlrecht. Der aktuelle Wahlrechtsreform-Vorschlag der Ampel würde dieses "Absichern über den Wahlkreis" aushebeln. Finde ich nun nicht wirklich schlimm.

    Einen lesenswerten Beitrag zum Thema kann man in der Wochenzeitung Freitag vom 10.10.2009 nachlesen. https://www.freitag.de/autoren/tstroh…hlten-gewahlten

    Der Freitag weist unter anderem darauf hin, dass direkte gewählte Abgeordnete auch dann gewählt sind, wenn sie deutlich unter 50% der Stimmen erhalten, weil die einfache Mehrheit der Stimmen im Wahlkreis ausreicht. In einem reinen Mehrheitswahlrechtssystem gäbe es Stichwahlen.

    Wie auch immer: Für diese ganzen Feinheiten im gegenwärtigen Wahlsystem interessieren sich nur ganz wenige Wähler*innen. Dafür werden ganz viele Wähler*innen von der Komplexität des Wahlrechtes abgeschreckt. Der aktuelle Wahlrechtsreform-Vorschlag der Ampel kann das verbessern. Trotzdem wäre es nach wie vor ein Mix aus Verhältniswahlrecht und Mehrheitswahlrecht.

    Vermutlich wird das zu guter Letzt von einem Gericht entschieden. Leider wird dadurch der falsche Eindruck bei den Wählern verstärkt, die Parteien seien irgendwie allesamt kriminell. Und es ist zu befürchten, dass die Umsetzung des Gerichtsentscheides erneut die Komplexität steigert, anstatt das Wahlrecht zu vereinfachen.

  • Das wäre eine Einladung dazu, gewählte Direktkandidaten, die bei der Wahl noch parteilos sind, zu umgarnen, um sie zur Mitarbeit in der Fraktion einer Partei zu gewinnen. Wäre aber nicht weiter schlimm, weil es absehbar sehr selten vorkäme, dass ein parteiloser Direktkandidat gewinnt.

    "Bei einer Bundestagswahl können in einem Wahlkreis von Parteien unabhängige Direktbewerber kandidieren, das heißt, der Bewerber wird nicht von einer Partei sondern von einzelnen Wahlberechtigten im Kreiswahlvorschlag vorgeschlagen bzw. unterstützt.

    Bisher konnten aber lediglich bei der ersten Bundestagswahl am 14. August 1949 formal parteiunabhängige Einzelbewerber Direktmandate gewinnen. Dies waren:

    Eduard Edert im Wahlkreis 2 (Flensburg)

    Franz Ott im Wahlkreis 6 (Esslingen)

    Richard Freudenberg im Wahlkreis 18 (Landkreis Mannheim)"

    Unabhängige Direktkandidaten bei Bundestagswahlen – Wahlrechtslexikon

    Das Zitat soll klarmachen, worüber wir hier (ziemlich sinnfrei) so erhitzt diskutieren. :saint: Lasst uns friedlich bleiben!

    Mit einem Sonderrecht für direkt gewählte Abgeordnete ist jedoch nicht das Problem gelöst, dass gewählte Direktkandidaten, die einer Partei angehören, leer ausgehen sollen, wenn der Gesamt-Stimmenanteil der Partei (bisher "Zweitstimme", im Reformvorschlag "Hauptstimme") nicht ausreicht. So sieht es der aktuelle Wahlrechtsreformvorschlag der Ampel vor. Ich finde das nicht schlimm, aber besonders die CSU polemisiert dagegen, weil sie einige ihrer Felle davonschwimmen sieht.