Die Waffen nieder - ziviler Widerstand gegen Putins Angriffskrieg

  • Bedeutet "Funfakt" "umgangssprachlich: unterhaltsame, erheiternde Tatsache; amüsante, aber interessante Nebenbemerkung"?https://de.wiktionary.org/wiki/Funfact#:…20en%20entlehnt

    Und du selbst denkst laut darüber nach, "ob und wie die Ukraine" die Krim und die Separatistengebiete im Donbas) "als Verhandlungsspielraum einsetzen wird". Damit machst du mit einer milderen Wortwahl genau das, was du Kiesewetter vorwirfst. Nämlich indem du feststellst, dass die Ukraine hier über einen "Verhandlungsspielraum" verfügt, den sie möglicherweise einsetzen könnte.

    Funfact sollte hier ausdrücken, dass Dir es vielleicht genau so wenig klar ist wie dem Herrn Kiesewetter, völkerrechtlich gehört der Osten inkl. Krim der Ukraine. Daran hat sich nichts geändert und daran ändert auch das aktuelle Annexions-Theater nicht.

    Natürlich hat die Ukraine Verhandlungsspielraum, hat nie jemand etwas anderes behauptet. Auch die Ukraine selber nicht.

    Der feine Unterschied, ich schrub:

    "Ob und wie die Ukraine das als Verhandlungsspielraum einsetzen wird, werden wir sehen"

    und

    "Es bleibt dabei, entscheiden wird die Ukraine "

    Herr Kiesewetter sagt, und Du wohl auch, frei übersetzt: dann werden wir die Ukraine mal dazu nötigen, diesen oder jenen Zustand zu akzeptieren, bevor es für uns zu unangenehm wird.

    Einmal editiert, zuletzt von Autogenix (30. September 2022 um 11:16)

  • Auf cobocards.com wird Anthropokratie so erläutert:

    "Herrschaft des Menschen über sein Tun und Denken.

    (...)

    Autonomie des Menschen als Person (Kant)"

    Ah, wieder was gelernt. Ich hab nicht erwartet, dass es das Wort schon gibt. Ich habe wohl zu sehr in politischen Kategorien gedacht und zu wenig in philosophischen. Ich änderen meine Wortschöpfung in Athropotitakratie.

    Hat die Ukraine einen "Verhandlungsspielraum"? Oder ist die Ukraine in jedem Fall "gezwungen" auf der Krim und in den sogenannten Separatistengebieten im Donbas unter Aufbietung aller militärischen Mittel die ukrainische Staatshoheit durchzusetzen?

    Putin:

    Krim - check

    Donbas - check

    Ukraine - not yet

    ...


    Um mit George Santayana zu sprechen: Wer sich nicht seiner Vergangenheit erinnert, ist verurteilt, sie zu wiederholen.

    2014 ist doch gar nicht sooo lange her.

    Selbstverständlich kann man einen Waffenstillstand anstreben, um Putin die Möglichkeit zu geben, wieder aufzurüsten. Der Krieg wird dadurch nicht beendet, sondern nur die Kämpfandlungen möglicherweise unterbrochen. Und selbst ein Friedensvertrag hätte eine überschaubare Haltbarkeit.

    Auch sehe ich die Bereitschaft auf russischer Seite nicht. Putin setzt auf Eskalation statt Verhandlungen, obwohl ihm ein Waffenstillstand nutzen würde. Er will es durchziehen und ignoriert dabei seine Generäle, und verbietet sinnvolle Rückzüge. Er wird zum 2. GröFaZ.

    Wir können ja spekulieren, was passiert, wenn die Waffenlieferungen beendet werden. Putin wird dann gewinnen, Verluste scheren ihn nicht. Der ukrainische Staat und die unkranische Kultur werden aufhören zu existieren.

    Wenn der Westen die Ukraine mitder Drohung des Ende der Waffenlieferungen zu einem Waffenstillstand nötigen, gewinnen wir Zeit, uns zu überlegen, ob wir das nächste Mal überhaupt mit den Lieferungen anfangen.

    Wenn wir weitermachen besteht wenigstens die Möglichkeit, dass in Russland eine Entwicklung einsetzt, die einen echten Frieden ermöglicht.

    Was bin ich froh, dass nicht Ullrich Delano Roosevelt Präsident war.

  • Putin:

    Krim - check

    Donbas - check

    Ukraine - not yet

    hast du da nicht noch was vergessen? :/

    Europe - not yet

    the whole world - not yet

    Wenn wir weitermachen (mit Waffenlieferungen) besteht wenigstens die Möglichkeit, dass in Russland eine Entwicklung einsetzt, die einen echten Frieden ermöglicht.

    "Und im taz-Kommentar vom 30.9.2022 stellt Gereon Asmuth fest: "Nicht-Krieg ist auch noch lange kein Frieden. Aber immer noch besser als Atomkrieg."

    Russische Drohungen mit Atomwaffen: Verhandlungen jetzt
    Es muss alles dafür getan werden, um mit Putin ins Gespräch zu kommen. Solange der Diktator am roten Knopf sitzt, droht die größtmögliche Eskalation.
    taz.de

    Leider ist es anscheinend so, dass jemand, der in einem Kommentar zum Ukrainekrieg auf die Atomkriegsgefahr hinweist, sich erstmal in einem ausführlichen Vorwort dagegen absichern muss, nicht als "Putin-Versteher" missverstanden zu werden:

    "Eins vorab, weil es wichtig ist: dies ist kein Putin-Versteher-Kommentar. Jedenfalls nicht in dem Sinne, dass er Putins Handeln für irgendwie angemessen oder gar entschuldbar hält. Was der russische Despot betreibt, ist ohne Wenn und Aber verwerflich. Der Angriff auf die Ukraine. Das Vernichten zehntausender Menschen dort, aber auch zehntausender Russ:innen, die er an der Front verheizt. Das Durchführen irrer Scheinreferenden in Donezk und Luhansk. Die erwartbare Annexion dieser Gebiete. Und nicht zuletzt die Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen. Deshalb hat die Ukraine selbstverständlich auch jedes Recht, sich zu verteidigen und besetzte Gebiete zurückzuerobern."

    Asmuth fordert in seinem Kommentar in der taz: "Und dennoch lautet das Gebot der Stunde, dass alles, aber auch wirklich alles dafür getan werden muss, um mit Putin ins Gespräch zu kommen. Offene Verhandlungen ohne Vorbedingungen. Das muss die schärfste Reaktion des Westens sein. Warum? Weil sonst der Atomkrieg droht."

    Ein "echter Friede" ist ein frommer Wunsch! Damit will ich keineswegs die Religionen schlecht machen.

    Aber vermutlich ist es nur im religiösen Zusammenhang möglich, von einem "echten Frieden" zu reden.

    In vielen Situationen müssen wir uns mit weniger "zufrieden" geben als mit dem "echten Frieden", der ganz bestimmt nicht mit immer mehr und immer schwereren Waffen "gewonnen" werden kann.

  • hast du da nicht noch was vergessen? :/

    ...

    Asmuth fordert in seinem Kommentar in der taz: "Und dennoch lautet das Gebot der Stunde, dass alles, aber auch wirklich alles dafür getan werden muss, um mit Putin ins Gespräch zu kommen. Offene Verhandlungen ohne Vorbedingungen. Das muss die schärfste Reaktion des Westens sein. Warum? Weil sonst der Atomkrieg droht."

    Zuerst dachte ich, das wäre schon wieder der pazifistische Vorschlag, es mit Verhandlungen zu versuchen, was zuverlässig zum Ziel führen würde. Das weiss doch jeder. Wenn das Ziel jetzt noch nicht erreicht ist, muss es an mangelnden Bemühungen im Westen liegen. Es kann ja nicht sein, was nicht sein darf, dass Verhandlungen doch nicht immer erfolgversprechend oder überhaupt möglich sind. Da man aber selbst nicht weiss, wie es gehen soll, bleib man beim, wer mit wem womit worüber verhandeln soll, total schwammig.

    Aber da ist es mir aufgefallen. Immerhin wurde das Womit konkretisiert: "alles, aber auch wirklich alles" Irgendwie lag mir das quer im Bauch. Aber immerhin!

    Dann traf es mich! Es ist doch unlogisch, die bedingungslose Kapitulation und Aufgabe sämtlicher Rechte und noch etwas mehr (alles, aber auch wirklich alles) anzubieten, damit man mit den Kapitulationsverhandlungen beginnen darf. Da hätte mich Ullie doch fast mit einer Satireseite reingelegt.*

    Die Drohung mit Kernwaffen (die nicht wirklich neu ist) erhöht den Einsatz, ändert aber Nichts an den Regeln des Erpresserspiels. Es geht darum, ob man dem Opfer hinreichend Angst machen kann, damit dieser der Erpressung nachgibt.

    Genau darum geht es, um Putin schärfster Waffe. Das sind nicht die Nuklearwaffen, sondern die Angst. Putin kann gegen einen einigen Westen nicht bestehen. Das weiss er auch, hält Demokratien aber für schwach. Wenn ich mir die Ullies und Asmuths so anschaue, hat er auch recht. Er wird an der Angstschraube drehen, bis die Ullies und Asmuths überhand nehmen. Dann hat er gewonnen. Dazu wird er vermutlich einige Nuklearwaffen einsetzen, denn dann kann er gewinne. Den großen Show Down jedoch nicht. Auch das weiss er.

    * kann Spuren von Sarkasmus enthalten

  • Ich recycle mal was von mir aus einem anderen Forum (Zitat wohl aus einem Zeit-Artikel):

    Zitat

    Der m.E. interessante Part:

    "Zudem hätten westliche Länder kein Recht darauf, andere Staaten zu verurteilen. So seien die USA das bisher einzige Land, das Atomwaffen eingesetzt habe – "und sie haben damit nebenbei einen Präzedenzfall geschaffen""

    Da die Zeit mich erpresst "Cookieverseucht oder Zahlen": Vom werten Putin gesagt?

    Ja, wie alle Spielkinder muss "neues Spielzeug" ausprobiert werden.

    Was anderes war ehrlich gesagt wohl auch nie zu erwarten.

    Manche Experten sagen ja, der Einsatz war damals völlig überflüssig, weil Krieg faktisch eh schon beinahe am Ende, aber sei's drum ...

    Egal wie man den Präzedenzfall sieht:

    Bemerkenswert ist m.E., dass dieses "Spielzeug" bisher nur genau 2x im eigentlichen Sinne (also abseits von Tests) eingesetzt wurde und in bald 80 Jahren seitdem nie wieder. Das lässt minimal hoffen, dass man doch draus gelernt hat, was man damit anrichten täte ... Und wenn er das schon so erwähnt, scheint es auch ihm bewusst zu sein ... Hoffentlich ...

  • Das Zitat,

    "Zudem hätten westliche Länder kein Recht darauf, andere Staaten zu verurteilen. So seien die USA das bisher einzige Land, das Atomwaffen eingesetzt habe – "und sie haben damit nebenbei einen Präzedenzfall geschaffen", sagte Putin.", ist aus einem Zeitartikel vom 30.9.2022:

    Russland: Wladimir Putin verkündet Annexion besetzter ukrainischer Gebiete
    Russlands Präsident hat Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja zu russischem Staatsgebiet erklärt. Die Annexion besiegelte er vor laufender Kamera per…
    www.zeit.de

    Wörtlich aus Putins Rede zitiert ist der kursiv geschriebene Satz.

    Im selben Absatz des Zeit-Artikels heißt es weiter: "Kremlvertreter hatten in den vergangenen Wochen immer wieder mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht. Die russische Militärdoktrin lässt den Einsatz von Atomwaffen auch bei konventionellen Angriffen auf sein Staatsgebiet zu, zu dem die russische Regierung nun auch die besetzten ukrainischen Gebiete zählt."

    Vermutlich ist es eine konstruktiv bedingte Schieflage des Weltsicherheitsrates, dass es den ständigen Mitgliedsstaaten des Sicherheitsrates möglich ist, ihre Belange durchzusetzen, ohne dabei die am weitesten gehende Gegenmaßnahme der Weltgemeinschaft, eine Verurteilung durch den Weltsicherheitsrat (inklusive militärische Gegenwehr) fürchten zu müssen. Denn dagegen könnten sie ihr Veto einlegen.

    Was ich nicht präsent hatte: Die Russische Föderation behält es sich vor, auch konventionell geführte Angriffe mit Atomwaffen zurückzuschlagen. Wie halten es in dieser Frage die anderen vier Staaten, die ständige Mitglieder im Weltsicherheitsrat sind?

  • Was ich nicht präsent hatte: Die Russische Föderation behält es sich vor, auch konventionell geführte Angriffe mit Atomwaffen zurückzuschlagen. Wie halten es in dieser Frage die anderen vier Staaten, die ständige Mitglieder im Weltsicherheitsrat sind?

    Im Zweifel würden auch die das tun, zumindest USA+PRC traue ich das ohne zu zögern zu.

    Überhaupt hat Putin mit seiner Kritik an den USA in großen Teilen Recht. Aber das ist keine Entschuldigung für die eigenen Verbrechen.

    Europa wäre gut beraten, sich zusammenzuraufen und sowohl militärisch als auch wirtschaftlich wieder eine wichtigere Rolle zu spielen, und sich ein Stück weit von den USA zu lösen. Und wirklich daran machen, die globalen Probleme zu lösen. Heißt auch: Kooperation anstatt einseitige Abhängigkeiten zwischen Staaten.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Der geradezu inflationär benutzte Vorwurf, ein "Putin-Versteher" zu sein, hatte mich neugierig gemacht. Wo findet man so Leute? Auf einer Wahlkampfveranstaltung der niedersächsischen Grünen, bei der Annalena Baerbock spricht:

    Ein Block von etwa 30 Störer*innen, die mit Trillerpfeifen, schwarz-rot-gold bewimpelten Vuvuzelas und teils ordinären Zwischenrufen auf sich aufmerksam machten, muss man zu Recht als Putin-Versteher bezeichnen, zumal der eine der Störer ein oranges T-Shirt mit Putin-Potrait trug.

    Der russische Text in der ersten Zeile auf diesem Schild heißt übersetzt Gulag Jakutsk. Und wen der Halter mit einer Uschanka (eine für das russische Militär entwickelte Fellmütze) auf dem Kopf in ein Straflager in der kältesten Großstadt der Erde stecken will, hat er - nicht ganz fehlerfrei - in die zweite Zeile geschrieben.

    Das ist kein Debattenbeitrag mehr und auch kein Protest, sondern einfach nur widerlich.

    Ein aus den eigenen Reihen vorgetragener Debattenbeitrag zeigte, wie man sich auch "zu Wort melden" kann ohne Pöbeln und Trillerpfeifen. Der Debattenbeitrag "Frieden durch Verhandeln" entspricht durchaus der Gemütslage bei vielen grünen Parteimitgliedern.

    Die grüne Außenministerin verteidigte ihre Linie, sich stärker noch als die SPD für die Lieferung von mehr und schwereren Waffen an die Ukraine auszusprechen, unter anderem mit Hinweisen auf die Kriegsverbrechen des russischen Militärs, besonders an Frauen. Für Annalena Baerbock ist die Achtung der Menschenrechte von Frauen und das Verhindern von Kriegsverbrechen gegen Frauen eine wichtige Aufgabe bei ihrer Arbeit als Außenministerin. In diesem Zusammenhang thematisierte sie auch die aktuellen Proteste gegen das Mullah-Regime im Iran. Im Publikum befanden sich auch Exil-Iraner*innen, die ein Ende des Mullah-Regimes forderten.

    Für ihr Eintreten für Frauenrechte und das Versprechen, auch als Außenministerin die Frauenrechte auf der Agenda zu haben, bekam Annalena Baerbock viel Beifall vom Publikum.

    Hier ein Link zu einem NP-Artikel über die Veranstaltung heute Nachmittag. Leider ist nur die Überschrift kostenfrei: "Annalena Baerbock weist Protestierer in Hannover in die Schranken"

    Annalena Baerbock weist Protestierer in Hannover in die Schranken
    Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) wirbt auf dem Küchengartenplatz in Hannover für ihre Partei bei der Landtagswahl am 9. Oktober – und lässt sich…
    www.neuepresse.de

    Kostenfrei ist dieser Bericht auf t-online.de vom 3.10.2022:

    Baerbock bei Wahlkampf in Hannover

    "Putin hat nicht mit Frieden und Energieunion gerechnet"

    Baerbock in Hannover: "Putin hat nicht mit Frieden und Energieunion gerechnet"
    Außenministerin Annalena Baerbock hat in Hannover den Wahlkampfendspurt der Grünen eingeläutet.
    www.t-online.de

    Hier ein Link zu einem Foto aus dem t-online-Artikel, auf dem das widerliche Protestplakat des "Putinverstehers" zu sehen ist:

    https://images.t-online.de/2022/10/U89zXmAS-Wv5/0x375:4000x2250/fit-in/768x0/der-protest-der-sich-in-der-telegramgruppe-der-freien-niedersachsen-organisiert-hatte-blieb-waehrend-der-veranstaltung-ueberschaubar.jpg

    2 Mal editiert, zuletzt von Ullie (4. Oktober 2022 um 07:15) aus folgendem Grund: Ein weiteres Foto eingefügt und Absatz zu Frauenrechte. Link zu t-online-Foto eingefügt.

  • In der Berichterstattung über den Ukraine-Krieg hört man wenig von Menschen aus der Ukraine, die nicht bereit sind, sich an diesem Krieg als Soldaten zu beteiligen. Gestern wurde im Rahmen einer Berichterstattung über die Unterbringung von Geflüchteten in Niedersachsens Kommunen an einer Stelle darauf hingewiesen, dass es auch junge Männer gibt, die aus der Ukraine geflohen sind, weil sie keinen Sinn darin sehen, sich an den Kämpfen zu beteiligen.

    Siehe ab Minute 2:40 in NDR Hallo Niedersachsen vom 11.10.2022

    Hallo Niedersachsen | 11.10.2022 | ARD Mediathek
    Hallo Niedersachsen | 11.10.2022 | Video | Bei Hallo Niedersachsen um 19:30 Uhr erfahren Sie alles, was am Tag in Niedersachsen los war.
    www.ardmediathek.de

    Um sie zu schützen, werden die Gesichter der jungen Männer nicht gezeigt.

  • In der Spiegel-Ausgabe 1/23 ist ein Artikel über die Erfolge und die gegenwärtige Haltung des Pazifisten Jürgen Grässlin.

    Achtung: Hinter Bezahlschranke:

    (S+) Pazifist Jürgen Grässlin: Ein bisschen Frieden
    Jürgen Grässlin ist einer der bekanntesten Pazifisten Deutschlands, er reiste jahrelang in Kriegsgebiete und verklagte den Waffenhersteller Heckler & Koch.…
    www.spiegel.de

    Jürgen Grässlin ist Sprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK)

    Die Deutsche Friedensgesellschaft hat aktuell diesen Aufruf gestartet, aus dem ich hier zitiere:

    "Ja zur Hilfe für die Menschen in der Ukraine! Nein zur Lieferung von Panzer!

    Die „Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen“ (DFG-VK) kritisiert die geplante Lieferung von Panzer an die Ukraine: „Statt endlich die zivile Hilfe auszuweiten, werden immer mehr und immer größere Waffensysteme in den Krieg geliefert. Damit wird die Eskalationsspirale angeheizt und der Krieg ausgeweitet“, kritisiert der DFG-VK-Bundessprecher Jürgen Grässlin, Experte für Waffenexporte, und erklärt weiter: „Deutschland muss mit aller Kraft zivil helfen!“"

    Der ganze Aufruf kann hier nachgelesen werden:

    Ja zur Hilfe für die Menschen in der Ukraine! Nein zur Panzerlieferungen!
    Die DFG-VK kritisiert in der aktuellen Pressemitteilung die geplante Lieferung von Panzern an die Ukraine. Damit werde der Krieg ausgeweitet.
    dfg-vk.de

    Ich bin nach wie vor nicht überzeugt davon, dass tatsächlich alle Möglichkeiten erschöpft sind, Russland mit nicht militärischen Mitteln dazu zu bringen, seinen Angriffskrieg zu stoppen. Leider ist es keine Option, sich die Welt ganz einfach schön zu wünschen. Trotzdem halte ich das zunehmend stärkere Anpreisen von militärischen Optionen in der gegenwärtigen Situation für gefährlich, und ich bin einmal mehr unangenehm überrascht von der Rhetorik grüner Spitzenpolitiker*innen:

    "Derzeit will die Bundesregierung nach Aussage von Regierungssprecher Stefan Hebestreit der Ukraine keine Kampfpanzer zur Verfügung stellen. Zuvor hatten mehrere Politiker von FDP und Grünen die Lieferung von Leopard-2-Panzern befürwortet. Auch der grüne Vizekanzler Robert Habeck wollte eine Ausstattung der Ukraine mit dem von der Bundeswehr eingesetzten Panzermodell nicht ausschließen."

    SZ vom 9.1.2023

    https://www.sueddeutsche.de/politik/ukrain…chuss-1.5722237
    Und über Anton Hofreiter berichtet das ARD und ZDF Morgenmagazin:

    "Die angekündigte Lieferung von Marder-Schützenpanzern an die Ukraine geht dem Grünen-Politiker Anton Hofreiter nicht weit genug. Er fordert, der Ukraine auch den schlagkräftigeren Kampfpanzer Leopard 2 zur Verfügung zu stellen."

    MOMA vom 6.1.23:

    Hofreiter: Müssen auch Kampfpanzer Leopard 2 liefern | Morgenmagazin
    Die angekündigte Lieferung von Marder-Schützenpanzern an die Ukraine geht dem Grünen-Politiker Anton Hofreiter nicht weit genug. Er fordert, der Ukraine auch…
    www.daserste.de
  • Ich bin nach wie vor nicht überzeugt davon, dass tatsächlich alle Möglichkeiten erschöpft sind, Russland mit nicht militärischen Mitteln dazu zu bringen, seinen Angriffskrieg zu stoppen.

    Da kann man nichts machen. Die Argumente - sowohl historisch als auch aktuell begründet - wurden ja alle mehrfach genannt. Mit Faschisten auf Kriegszug kann man nicht verhandeln, Punkt.

    Und über Anton Hofreiter berichtet das ARD und ZDF Morgenmagazin: "Die angekündigte Lieferung von Marder-Schützenpanzern an die Ukraine geht dem Grünen-Politiker Anton Hofreiter nicht weit genug. Er fordert, der Ukraine auch den schlagkräftigeren Kampfpanzer Leopard 2 zur Verfügung zu stellen."

    Das hat mich positiv überrascht. Es scheint, daß das Meinungsbild der Faktenlage angeglichen wird. Wobei man festhalten muß, daß die Grünen von Beginn an klarer und konsequenter Stellung bezogen haben, weshalb ich sie im Februar hier in Berlin wohl erstmals wählen werde.

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    Peter Viehrig

    "Glaube ist die Überzeugung, dass etwas wahr ist, weil die Belege zeigen, dass es falsch ist."
    (Andreas Müller)

  • Da kann man nichts machen. Die Argumente - sowohl historisch als auch aktuell begründet - wurden ja alle mehrfach genannt. Mit Faschisten auf Kriegszug kann man nicht verhandeln, Punkt.

    Solche Punktum-Basta Ausrufe sind nicht immer hilfreich. Selbst dann, wenn man eine knallharte Konfrontationspolitik verfolgt, weil man sich sicher ist, dass es keine Alternative zur militärischen Antwort gibt, ist es nicht unbedingt hilfreich.

    Eines der gravierendsten Beispiele dafür, dass es nicht möglich sei, mit Faschisten zu verhandeln, ist das Münchner Abkommen von 1938.

    In seinem Buch "München" stellt der Autor Robert Harris die Ereignisse so dar, dass der später von vielen als Appeasement-Politiker geschmähte britische Premier Chamberlain in Wirklichkeit von Hitlers Kriegsabsichten überzeugt war und das Friedens-Abkommen dennoch getroffen habe, und zwar um Zeit zu gewinnen für die Aufrüstung in Großbritannien.

    "Hitler wollte den Krieg bereits 1938 und hat sein Leben lang geglaubt, dass, hätte er den Krieg 1938 bereits begonnen, dass er dann diesen Krieg auch gewonnen hätte. Und Chamberlain glaubte das auch. Insofern war das Münchner Abkommen ein notwendiges Übel und man muss das eben auch so sehen, dass es Großbritannien die Möglichkeit gegeben hat, sich neu zu bewaffnen. Und als der Krieg dann zwischen Deutschland und Großbritannien 1940 ausbrach, konnte Großbritannien dagegenhalten."

    Robert Harris in einem dlf-Interview von 2017

    Robert Harris über seinen Thriller "München" - "Hitler hat nicht geblufft, er wollte den Krieg"
    In seinem Roman "München" begibt sich der britische Schriftsteller Robert Harris ins Jahr 1938, als Deutschland im Münchner Abkommen das Sudetenland…
    www.deutschlandfunkkultur.de

    Harris' Darstellung zur Folge hat also Chamberlain mit Hitler verhandelt, um ihn zu täuschen.

    Aber es gab auch andere Verhandlungen (ohne Täuschungsabsicht) von demokratischen Staaten mit Diktatoren. Der spanische Diktator Franco beispielsweise hatte in Spanien die Demokratie in einem blutigen Bürgerkrieg beseitigt und trotzdem wurde von den Alliierten mit ihm verhandelt. Wie groß der Anteil erfolgreicher Verhandlungen war und wie groß der Anteil der realistischen Einschätzung Francos war, als Kriegspartei nicht bestehen zu können, sei mal dahingestellt. Fest steht, Spanien verhielt sich im 2. Weltkrieg weitgehend neutral. Verhandlungen mit Faschisten in einem Kriegszug auf einem Nebenkriegsschauplatz gab es also auch.

    Wollte die Bevölkerung der Ukraine tatsächlich versuchen, sich ausschließlich mit gewaltfreien Mitteln Russlands Angriffskrieg zu widersetzen, dann würde das sehr wahrscheinlich ebenfalls große Opferzahlen hervorrufen und viel Leid und Elend über die Menschen bringen, schlimmer noch als das, was ja auch jetzt schon in Russland selbst viele Menschen erleben. Trotzdem ist es wichtig, die Option ziviler Widerstand nicht in Bausch und Bogen zu verdammen, sondern als Alternative zur jetzigen Kriegsführung zu behandeln.

    Etwas anderes bleibt denjenigen Menschen, die derzeit in den von Russland besetzten Gebieten leben, auch gar nicht übrig, sofern sie nicht fliehen können oder nicht fliehen wollen. Oder sich nicht an einem Partisanenkampf beteiligen können oder wollen.

  • Die Ukraine (und Europa) haben mit RUS verhandelt, das Resultat heißt Minsker Abkommen.

    Es wird hoffentlich hinter verschlossenen Türen mit RUS geredet, aber auch öffentlich, steht in Zeitungen und auch im Internet, mehrere europäische Staatenlenker reden immer wieder mit Putin, auch wenns öffentliche inzwischen weniger wird mit der Zeit.

    Und es wird versucht über Drittstaaten zu reden und Einfluss zu nehmen, z. B. über China.

    Trotzdem sind die Hauptpartner mit Redebedarf die UA und RUS. Auch dass passiert, halt ergebnislos in Sachen Krieg.

    Andere Dinge passieren, Gefangenenaustausch, Totenübergabe, Weizenhandel.

  • Falls es Ihnen entgangen ist: Russland führt den Krieg bereits. Einen Angriffs- und Vernichtungskrieg. Aber das hatten wir schon. Es gibt keine friedliche Option mehr, außer der Unterwerfung unter Gewalt und Vernichtung. Wie das dann ausgeht, damit haben die Ukrainer bereits Erfahrungen.

    Aber es gab auch andere Verhandlungen (ohne Täuschungsabsicht) von demokratischen Staaten mit Diktatoren. Der spanische Diktator Franco beispielsweise hatte in Spanien die Demokratie in einem blutigen Bürgerkrieg beseitigt und trotzdem wurde von den Alliierten mit ihm verhandelt.

    Der Unterschied ist entscheidend: Spanien hat unter Franco zu keinem Zeitpunkt einen Angriffs- und Vernichtungskrieg gegen ein anderes Land geführt. Womit eine Gesprächsbasis gegeben war.

    Wollte die Bevölkerung der Ukraine tatsächlich versuchen, sich ausschließlich mit gewaltfreien Mitteln Russlands Angriffskrieg zu widersetzen, dann würde das sehr wahrscheinlich ebenfalls große Opferzahlen hervorrufen und viel Leid und Elend über die Menschen bringen, schlimmer noch als das, was ja auch jetzt schon in Russland selbst viele Menschen erleben. Trotzdem ist es wichtig, die Option ziviler Widerstand nicht in Bausch und Bogen zu verdammen, sondern als Alternative zur jetzigen Kriegsführung zu behandeln.

    Nehmen Sie zur Kenntnis: Die Bevölkerung der Ukraine will das nicht, sie will das mit erdrückender Mehrheit nicht. Die Bevölkerung befürwortet mit erdrückender Mehrheit (mehr als 4/5) den militärischen Widerstand und lehnt mit genauso starker Mehrheit jegliche territorialen Zugeständnisse ab. Was auch ihr Recht ist. Es gibt keine Alternative zur jetzigen Kriegsführung außer der Unterwerfung mit den entsprechenden Folgen, siehe oben.

    Sie wiederholen sich, das macht es nicht richtiger, sondern nur menschenverachtender.

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    Peter Viehrig

    "Glaube ist die Überzeugung, dass etwas wahr ist, weil die Belege zeigen, dass es falsch ist."
    (Andreas Müller)

    Einmal editiert, zuletzt von Peter Viehrig (9. Januar 2023 um 19:57) aus folgendem Grund: Schreibfehler korrigiert.

  • Falls es Ihnen entgangen ist: Russland führt den Krieg bereits. Einen Angriffs- und Vernichtungskrieg. Aber das hatten wir schon. Es gibt keine friedliche Option mehr, außer der Unterwerfung unter Gewalt und Vernichtung.

    Genau das ist die große Gefahr, die durch einen Krieg herbeigeführt werden kann.

    Es gibt keine Option mehr außer der Unterwerfung unter Gewalt und Vernichtung.

    Sie beziehen das jetzt auf die Gewalttaten der russischen Armee, von denen schon viel zu viele stattfanden. Aber umgekehrt ist diese Gefahr ebenfalls latent vorhanden.

    Eines der schrecklichsten Ereignisse von Gewalt und Vernichtung im Krieg ist der Atombombeneinsatz der USA gegen Japan 1945. Man kann das rückblickend betrachtet als richtig bezeichnen. Man kann es mit den zahllosen Kriegsverbrechen der faschistischen Diktatur Japans erklären und rechtfertigen. Aber das ändert nichts daran, dass der Atombombeneinsatz gegen Japan ein Kriegsverbrechen war.

    Wird die Gefahr einer Eskalation im Ukrainekrieg, die bis zu einem Atomwaffeneinsatz führen könnte, unterschätzt?

    Der Unterschied ist entscheidend: Spanien hat unter Franco zu keinem Zeitpunkt einen Angriffs- und Vernichtungskrieg gegen ein anderes Land geführt. Womit eine Gesprächsbasis gegeben war.

    Das ist einerseits formal richtig, andererseits aber auch nicht ganz vollständig. So beteiligte sich zum Beispiel die "Blaue Division" an Hitlers Russlandfeldzug. Immerhin rund 15.000 Mann, die von Offizieren befehligt wurden, die der spanischen Armee angehörten.

    Und nicht vergessen werden dürfen die Kriegsverbrechen Francos gegen die spanische Bevölkerung. So legten deutsche und italienische "Freiwilligenverbände" 1937 die spanische Stadt Guernica in Schutt und Asche und töteten dabei bis zu 2000 Zivilisten. Franco beging mit Hilfe aus Deutschland und Italien dieses Kriegsverbrechen gegen gegen die eigene Bevölkerung.

    Sie wiederholen sich, das macht es nicht richtiger, sondern nur menschenverachtender.

    Menschenverachternd ist vor allem Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine. Das wird schnell relativiert, wenn man versuchte, diejenigen Menschen, die diesen Angriffskrieg verurteilen, aber dennoch Alternativen zum militärischen Widerstand erwägen, einfach ebenfalls als "menschenverachtend" zu bezeichnen.

    Dazu kommt, dass innerhalb der russischen Angreifer nicht alle gleichermaßen diesen Angriffskrieg gutheißen. Viele junge Männer sind aus Russland geflohen, um sich dem Militärdienst zu entziehen. Und vermutlich sind viele russische Soldaten, denen es nicht gelang sich dem Militärdienst zu entziehen, nicht freiwillig in die Ukraine einmarschiert. Und es ist sehr wahrscheinlich, dass russische Soldaten ihre Haltung zu diesem Krieg im Kriegsverlauf geändert haben.

    Und es gibt ukrainische Bürger, die geflohen sind, um dem Kriegsdienst in der ukrainischen Armee zu entgehen. Das wäre ein bisschen zu einfach, das einfach alles gleichermaßen als "menschenverachtend" zu bezeichnen.

  • "Pazifisten haben es nicht leicht: Man wirft ihnen Blauäugigkeit oder blinden Dogmatismus vor. Dieser Essay verteidigt demgegenüber einen Pazifismus ohne Prinzipienreiterei.

    So gut wie alle kriegerischen Handlungen sind unmoralisch. Pazifismus darf deshalb nicht darauf hinauslaufen, mit geschlossenen Augen starre moralische Regeln zu predigen, sondern er muss auf friedliebende Art und Weise die politische Wirklichkeit betrachten.

    Olaf Müller gibt dabei in aller Offenheit zu: So verstandener Pazifismus ist anstrengend und bietet keine Garantie dafür, am Ende schuldlos zu bleiben."

    Zitat aus dieser Buchvorstellung auf der Reclam-Internetseite:
    https://www.reclam.de/detail/978-3-1…ne_Verteidigung

    Der Titel des Buchs von Olaf Müller ist: "Pazifismus. Eine Verteidigung"

    Man könnte zu dem ersten Satz aus dem Zitat hinzufügen: Pazifisten hatten es noch nie leicht. Aber es gab durchaus Zeiten, in denen eine pazifistische Haltung nicht von so vielen Seiten "unter Beschuss" genommen wurde, wie es seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine der Fall ist.

    Noch schwerer wiegt vielleicht nur noch, dass sich rechte Gruppen wie die AfD plötzlich anmaßen, als Pazifisten aufzutreten und sich mit Friedenstauben schmücken, sodass mittlerweile manche oberflächliche Beobachter Pazifismus mit dem Rechtspopulismus der AfD gleichsetzen.

    Ein ca. 25-minütiges Interview des Autors Olaf Müller im WDR informiert über den Inhalt seines Buches und macht neugierig darauf. Hier ein Zitat aus der WDR-Internetseite, auf der man auch das Interview nachhören kann: "Mitten in Europa sterben Zivilist:innen und Soldat:innen. Deutschland und die Welt diskutieren über Panzerlieferungen an die Ukraine. Und plötzlich befürworten auch Menschen Waffenlieferungen, die gewaltsame Konfliktlösungen vorher strikt abgelehnt hätten."

    Pazifismus in Zeiten des Krieges – Olaf Müller
    Der Krieg in der Ukraine stellt die Überzeugung von Pazifist:innen auf eine harte Probe. Viele scheinen sogar schon zu Befürwortern von Waffenlieferungen…
    www1.wdr.de

    Dass jetzt die Panzerlieferungen als ein gemeinsames Projekt der Staaten beschlossen wurde, die die Ukraine unterstützen, bedeutet nicht, dass es dazu keine Alternative gäbe.

    Immerhin ist es so, dass der Bundeskanzler jetzt in Bezug auf die Diskussion über die Lieferung von Militärflugzeugen an die Ukraine vor einem "Überbietungswettbewerb" bei der Zusage von Waffenlieferungen warnt.

    tagesschau vom 29.1.2023: Scholz warnt vor "Überbietungswettbewerb"

    Scholz warnt vor "Überbietungswettbewerb" bei Waffensystemen
    Nach Panzern fordert die Ukraine nun auch Kampfjets. Kanzler Scholz lehnt das ab, er befürchtet einen "Überbietungswettbewerb" bei Waffensystemen. Es müsse…
    www.tagesschau.de

    Einmal editiert, zuletzt von Ullie (31. Januar 2023 um 13:30) aus folgendem Grund: Zitat kursiv gesetzt, Fehler-Korrektur

  • In der SZ vom 15. Februar 2023 plädiert Habermaas für schnelle Verhandlungen mit Putin

    "Aus der Perspektive eines Sieges um jeden Preis hat die Qualitätssteigerung unserer Waffenlieferungen eine Eigendynamik entwickelt", sagt der Soziologe und Philosoph Jürgen Habermas.

    Der Westen stehe in der Pflicht, unabhängig von der ukrainischen Regierung "eigene Initiativen für Verhandlungen zu ergreifen". Es gehe darum, "nach einer Kompromisslösung zu suchen, die der russischen Seite keinen über die Zeit vor dem Kriegsbeginn hinausreichenden territorialen Gewinn beschert und doch ihr Gesicht zu wahren erlaubt".

    Habermas plädiert für schnelle Verhandlungen mit Putin
    Der Philosoph Jürgen Habermas hat zu Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zur Beendigung des Ukraine-Kriegs aufgerufen. Ein "für beide...
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    Ich halte das für eine vernünftigere Haltung als die oft wiederholte Formel, nur die Ukraine könne und müsse alleine darüber entscheiden, ob und wann sie ggf. bereit ist zu Waffenstillstandsverhandlungen und weitergehenden Verhandlungen. Es ist auch nicht so, dass Deutschland oder andere Staaten die Ukraine in einen Diktatfrieden drängen, wenn sie nicht bereit seien jedwede von der Ukraine gewünschte Form von militärischer Ausrüstung zu liefern.

    Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat vor einem Jahr begonnen und nicht 2014. Und zu diesem Zeitpunkt des Beginns des Angriffskrieges war die Krim bereits annektiert und in Teilen der Ost-Ukraine gab es von Separatisten kontrollierte Gebiete, die unterstützt wurden von Russland.

    Nimmt man dagegen die Aussagen der ukrainischen Regierung für bare Münze, dass der Krieg bereits 2014 begonnen habe und nicht enden wird, bevor Putin alle besetzten Gebiete inklusive der Krim geräumt habe, wozu die Ukraine mit massiver Waffenhilfe anderer Staaten möglichst schnell und umfangreich erstarkt werden müsse, dann sind die von Habermaas geäußerten Befürchtungen sehr berechtigt.

    Umgekehrt lauert die Gefahr, dass Putin keine Ruhe gibt, bevor er nicht die ganze Ukraine militärisch besetzt und darüber hinaus auch noch andere Staaten wie zum Beispiel Moldawien. Aber die Strategie das zu verhindern kann keine rein militärische sein. Und das Schreckgespenst Putin immer größer an die Wand zu malen, um damit immer noch mehr und schwerere Waffen für die Ukraine einzufordern, droht in eine Sackgasse zu führen.

  • Das 2014 auf der Krim abgehaltene Referendum war von Russland manipuliert und wurde von russischen Soldaten überwacht, was von Russland zunächst geleugnet wurde. Es gab dabei auch einzelne Tote.

    Dazu kommt, dass eine hohe Zahl russischer Soldaten ganz legal auf der Krim stationiert waren. "2010 zählten mehr als 16.000 Soldaten und über 40 Schiffe zur russischen Schwarzmeerflotte." So gesehen waren die Chancen einer Verteidigung der staatlichen Souveränität der Ukraine auf der Krim eher gering. Aber es war auch nicht so, dass die Bevölkerung der Krim der russische Machtaneignung durchweg kritisch gegenüberstand.

    "13.000 Tote in einem vergessenen Krieg

    Seit sieben Jahren wird in der Ostukraine ein vergessener Krieg gekämpft, nachdem sich im Frühjahr 2014 die Ereignisse in der Ukraine überschlagen."

    Deutschlandfunk vom 7.11.21

    Es ist ein Bürgerkrieg, denn es ist so, dass viele der Separatisten aus der Bevölkerung in der Ostukraine stammen. Das gibt ihnen nicht das Recht, mit Waffengewalt und russischer Unterstützung gegen die eigene Regierung zu kämpfen. Es ist aber auch nicht so, dass ausschließlich aus Russland stammende Militäreinheiten seit 2014 im Donbass gegen ukrainische Regierungstruppen kämpften. Es ist vielmehr zunächst ein Bürgerkrieg gewesen.

    Das hat sich mit dem russischen Angriffskrieg, der vor einem Jahr begonnen hat, geändert. Das ist so sehr eine andere Qualität als das, was sich zuvor ereignet hat, dass es wirklich als Krieg bezeichnet werden muss. Auch wenn die russische Propaganda es als "militärische Sonderoperation zur Friedenssicherung" bezeichnet. dlf vom 4.3.22

    "Laut des ukrainischen Verteidigungsministeriums sind mehr als 135.000 russische Soldaten bis Anfang Februar [2022] im Krieg gestorben. Bis September waren es laut Russland hingegen lediglich knapp 6000 Verluste auf der eigenen Seite. Im selben Zeitraum sind nach russischen Angaben etwa 61.000 ukrainische Soldaten gestorben, die Ukraine hatte hingegen die Zahl im Dezember mit "bis zu 13.000" angegeben."

    tagesschau vom 14.2.23.

    Dazu kommen die zivilen Opfer: "Der Russland-Ukraine Krieg hat laut Zählungen des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (OHCHR) bis zum 12. Februar 2023 mindestens 7.199 Todesopfer in der ukrainischen Zivilbevölkerung gefordert,..."

    statista vom 12.2.23

    Das sieht Habermaas vermutlich genau so, oder zumindest ähnlich, wie ich es dargestellt habe. Und deshalb ist es auch richtig, an die Situation von vor dem 24. Februar 2022 anzuknüpfen. Wenn es um Waffenstillstandsverhandlungen und später Friedensverhandlungen geht, ist es richtig, zunächst die Situation vor Beginn des russischen Angriffskrieges vor einem Jahr als Ausgangspunkt für Verhandlungen zu nehmen.

  • im Krieg gestorben

    Krieg ist Scheiße, da sterben Menschen Das ist hinlänglich bekannt.

    Jürgen Habermas

    Geboren 1929 in Düsseldorf. Im Krieg aufgewachsen. Als Sanitäter im "Jungvolk" tätig. Von Feb. 1945 bis zum Kriegsende versteckt, als man ihn in die Wehrmacht einziehen wollte. Er hat also schon als Jugendlicher erkannt, dass Krieg Scheiße ist.

    Gibt sicherlich auch sehr sehr viele Russen, die da nicht mitmachen, aber bisher nicht genug.

    Aber um mal aus dem von dir verlinkten Artikel zu zitieren:

    Zitat

    Habermas [fordert] keinen Stopp von Waffenlieferungen, sondern sieht im Gegenteil gute Gründe dafür.

    Zitat von Habermas

    Es gibt einstweilen kein Anzeichen dafür, dass sich Putin auf Verhandlungen einlassen würde.

    Also, er will Waffen liefern. Er will aber auch verhandeln, weiß aber, dass das nichts bringt. Ich werde aber nicht schlau daraus, wie genau er irgendwas erreichen will. Er findet wohl einfach nur den Krieg Scheiße und hat nen Brief geschrieben.

    Ich kann's ja auch mal probieren:

    Lieber Wladimir,

    Krieg ist Scheiße, bitte lass es sein.

    Gezeichnet: Irgendein Depp aus dem Internet.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.