Radfahren in Schenefeld

  • Ich kenne mich mit Klagen und Widersprüchen nicht aus. Aber sollte es nicht eine Möglichkeit geben solche Verfahren zu rationalisieren. Vielleicht ermutigt man mehr Klagewillige, wenn man eine Software gestaltet, die man nur mit allen Daten füttern muss und die einem dann die entsprechenden Texte ausspuckt.. So ähnlich wie eine Steuererklärungssoftware...
    Bspw. diese ganzen Abmahnkanzleien, die haben doch sicherlich auch ihre Datenbanksoftware und schreiben nichts mehr selber.

    Wir brauchen einen Do-It-Yourself-Leitfaden :D

  • Ich dachte eher, dass Kampfradler den Vorgang an sich mal detailliert wiedergibt. Das muss dann nicht in allen Details wiedererkennbar das aktuelle Verfahren in Schenefeld sein.

    Ich kenne mich mit Klagen und Widersprüchen nicht aus. Aber sollte es nicht eine Möglichkeit geben solche Verfahren zu rationalisieren. Vielleicht ermutigt man mehr Klagewillige, wenn man eine Software gestaltet, die man nur mit allen Daten füttern muss und die einem dann die entsprechenden Texte ausspuckt.


    Also vorweg: Nur weil ich ein paar Gerichtsverfahren gewonnen habe, bin ich noch lange kein "Experte"! Aber ich versuch's mal. Das mit der Software kannst Du wohl knicken... SEHR VIEL gelernt habe ich hier und hier.

    1. Widerpruch:
    Bedingung für einen Widerspruch gegen ein VZ 237 (240, 241) ist, dass man "Betroffener" ist, sich also durch die Anordnung (den Verwaltungsakt) in seinen Rechten verletzt sieht. Man kann also als Hamburger z.B. nicht einem VZ 237 in Frankfurt widersprechen, von dem man mal gehört hat. Es reicht aber durchaus, wenn man einen Weg nur ein oder zwei Mal im Jahr befährt.

    Weiterhin darf einem die Anordnung nicht länger als ein Jahr bekannt sein. Kennt man sie länger, fühlt sich aber z.B. durch neue Urteile nun berufen, trotzdem dagegen anzugehen, stellt man einen "Antrag auf Aufhebung" (der Benutzungspflicht), den man begründen muss. Wird dieser Antrag abgelehnt, kann man gegen diese Ablehnung (welche ebenfalls einen Verwaltungsakt darstellt) Widerspruch einlegen. So umgeht man die Jahresfrist.

    2. Begründung des Widerspruchs:
    Die Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht muss die Vorgaben der StVO (ganz wichtig: § 45 Absatz 9), sowie der VwV-StVO (zu § 2 zu Absatz 4 Satz 2) erfüllen. Es kann nicht schaden, sich mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 3 C 42.09 vertraut zu machen. Das ist jenes bahnbrechendes Urteil, welches grundsätzlich klarstellt, dass der Radverkehr ein Recht auf die Fahrbahnbenutzung hat. Vorrangig geht es immer um die Verkehrsbeschränkung gemäß § 45 Abs. 9 StVO. Selbst wenn der Radweg in allen Punkten den Regelwerken entspricht, rechtfertigt das noch lange keine Benutzungspflicht! Nur wenn eine erhöhte Gefahrenlage aufgrund besonderer örtlicher Verhältnisse vorliegt, darf die Behörde eine solche anordnen. Dann wiederum muss der Radweg die Vorgaben der VwV-StVO erfüllen. Vorsicht! Es gibt immer wieder Ausnahmen. So darf - abhängig vom jeweiligen Gericht - ein Radweg durchaus eine kurze Engstelle aufweisen, wenn diese zumutbar ist. Am besten lese man ein paar einschlägige Urteile.

    Ein Widerspruch muss handschriftlich unterzeichnet sein, also keine E-Mail! Persönlich beim PK abgeben oder Einschreiben mit Rückschein kann nicht schaden. Sämtliche Auslagen merken, Belege aufheben. Gewinnt man, kann man alles geltend machen.

    3. Klage:
    Man klagt gegen einen Verwaltungsakt. Die Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht ist ein solcher. Klagen kann man gegen die Ablehnung eines Widerspruches innerhalb von einem Jahr nach Zustellung - oder, wenn die Ablehnung eine Rechtsbehelfsbelehrung enthält, innerhalb der Frist, die darauf steht, in der Regel ein Monat.

    Die zweite Möglichkeit ist eine Klage wegen behördlicher Untätigkeit gemäß § 75 VerWGO.

    Die Klageschrift sieht dann etwa so aus:

    An VerwG XYZ
    Kläger: ich
    Beklagte: Stadt XYZ

    Hiermit erhebe ich Klage wegen behördlicher Untätigkeit (gegen den Widerspruchsbescheid).
    Begründung: aufgrund nicht ergangenen Bescheides auf meinen Widerspruch vom... erhebe ich Klage.

    Dann sollte man begründen, weshalb man der Meinung ist, dass die Anordnung nicht mit geltendem Recht vereinbar ist und der Klage auch eine Kopie des Widerspruches beilegen, sowie Fotos, Abmessungen, bisherigen Schriftverkehr etc.. Auch Verweise auf bekannte Urteil können nicht schaden. Das Gericht beschäftigt sich sicher nicht rund um die Uhr nur mit Radwegebenutzungspflichten, je mehr man also überzeugt, desto besser. Wichtig: Jede Straße ist ein Einzelfall. Begründungen wie: "Die und die Straße hat aber auch keine Benutzungspflicht" sind in aller Regel ohne Belang. Nichtsdestotrotz kann man diese Vergleiche anbringen, vielleicht hilft's ja doch... Alle Schriftstücke und Fotos in zweifacher Ausfertigung ans Gericht schicken, sonst werden Kopien berechnet.

    Dann kommt alsbald eine Bestätigung des Gerichts mit Aktenzeichen und Zahlungsaufforderung (ca. 450,- Euro). Gewinnt man, bekommt man das Geld zurück, verliert man, dann nicht... ;( Irgendwann gibt es dann einen Ortstermin oder gleich einen für die mündliche Verhandlung. Das kann gut ein, zwei Jahre dauern.

    Vielleicht kann ja ein Rechtsgelehrter (@Michael?) hier im Forum meine "Gebrauchsanweisung" ggf. korrigieren oder ergänzen.

    "Terrorismus ist der Krieg der Armen und der Krieg ist der Terrorismus der Reichen"
    Peter Ustinov

  • @ Kampfradler:

    Interessant finde ich in diesem Zusammehang die Erfahrungen von Andreas Volkmann. Aufgrund des Anfangsbuchstabens seines Nachnamens wurden seine Anträge von der 27. Kammer des Berliner VG verhandelt. Diese Kammer war seinen rechtlichen Ausfürhungen zur Problematik wohl aufgeschlossen, so daß er etliche Prozesse gewann. Ein Mandant von ihm, dessen Nachname mit einem anderen Buchstaben anfing, verlor seinen (sicher geglaubten) Prozess aber bei einer anderen Kammer. Übrigens wurde nach nach etlichen aufgehobenen Benutzungspflichten der 27. Kammer die Zuständigkeit für Straßenverkehrsrecht plötzlich entzogen....

    Nachzuhören hier:

  • Übrigens wurde nach nach etlichen aufgehobenen Benutzungspflichten der 27. Kammer die Zuständigkeit für Straßenverkehrsrecht plötzlich entzogen....


    Darüber wurde doch bestimmt in den "Leitmedien" ausführlich berichtet, etwa in "Panorama" oder "Monitor" - oder etwa nicht...?

    "Terrorismus ist der Krieg der Armen und der Krieg ist der Terrorismus der Reichen"
    Peter Ustinov

  • Natürlich! Die gesamte Bundesregierung musste ihren Hut nehmen, nach dem diese politische Einflußnahme auf die Berliner Justiz bekannt wurde. Schliesslich haben wir in Deutschland Gewaltenteilung. Ach, ne Moment, bei uns heißt das ja Gewaltenverschränkung...

  • @Kampfradler

    Der Bokelmann ist ja eine echte Entdeckung! Vielen Dank dafür.

    Das Layout bei dem aber ist wirklich grauenvoll. Und helle Schrift auf dunklem Grund sollte ohnehin verboten werden für Texte, die länger als einen Halbsatz sind. Davon bekomme ich zuverlässig Kopfschmerzen, weshalb ich auch auf hamburgize.com stets nur kurz durchhalte.

    ebayForumKopfverkl.jpg
    Peter Viehrig

    "Glaube ist die Überzeugung, dass etwas wahr ist, weil die Belege zeigen, dass es falsch ist."
    (Andreas Müller)

  • Aus dem jüngsten Bokelmannschen Urteil geht hervor, dass er im "Widerspruch" nicht primär die Aufhebbung der Benutzungspflicht, sondern den fachgerechten Ausbau von Radverkehrsanlagen fordert. Was genau ist der Vorteil dieser Taktik?

  • Aus dem jüngsten Bokelmannschen Urteil geht hervor, dass er im "Widerspruch" nicht primär die Aufhebbung der Benutzungspflicht, sondern den fachgerechten Ausbau von Radverkehrsanlagen fordert. Was genau ist der Vorteil dieser Taktik?

    Ich würde sagen, das ist den Örtlichkeiten geschuldet. Auf dem Ring 2, vor allem auf der Raserstrecke am Stadtpark, würde selbst ich zusehen, dass ich hinter die Bande komme. Ich weiß, wie dort gerast wird, und normales Linksabbiegen wäre ein Himmelfahrtskommando.
    Insofern ist der Jahnring ein gutes Beispiel für die Konstellation »Besondere Gefahrenlage dürfte wohl vorliegen - und was macht die Behörde damit«?
    Hier offenbart sich jetzt das Hamburger Elend der Behörde und auch dieses Gerichts. Auf einer Strecke, auf der den Autos sechs Spuren durch die Pampa geschlagen wurden (vor 50 Jahren war das eine Nebenstraße zwischen Park und Kleingärten), den begleitenden Radweg als »nicht verkehrserheblich« zu erklären und den Radfahrern wegen Unfähigkeit und Unwillen der Behörden (wuchernde Hecken, falsch parkende Autofahrer, kein Räumdienst) Umwege zuzumuten, ist leider typisch, wobei das Gericht ja durchaus die Erkenntnis besitzt, dass hier eine Art selbsterfüllende Prophezeiung vorliegt: Wenn die Behörde den Radweg für nicht verkehrserheblich hält (weil es von Frühjahr bis Herbst schöner ist, auf breiten Parkwegen joggenden Menschen hinterherzuradeln als neben der Fahrbahn eine ein Meter schmale Holperpiste zu benutzen) und keinen Winterdienst vornimmt, dann radeln da wenige Leute, womit sich wunderbar beweisen lässt, dass man diesen Radweg nicht notwendig braucht.
    Bemerkenswert finde ich die Auffassung, dass ein Meter locker ausreiche, denn links daneben gebe es ja noch den Sicherheitsstreifen zur Fahrbahn. Den solle man auch beradeln, wenn von rechts das Gestrüpp hereinwuchert. (Leider stehen auf diesen 1,15 Metern »Sicherheitsstreifen« gelegentlich Laternenmasten herum.)
    Ansonsten lese ich aus dem Urteil auch heraus: Wenn Radfahrer nicht konsequent jeden anzeigen, der sie an einer Kreuzung beim Abbiegen gefährdet hat, der vor ihnen eine Autotür aufgerissen hat oder der einen Unfall verursacht hat, bei dem auf den ersten Blick »ja doch nix passiert ist« (Sturz bei Vollbremsung, aber Rad und Knie erscheinen noch heil), dann wird sich da nie was ändern.
    Dann gibt es noch was für die Freunde des Winterradelns. Das Gericht setzt Autofahrer und Radfahrer von der Berechtigung ihrer Ansprüche her gleich. Beide hätten »keinen grundsätzlichen Rechtsanspruch darauf«, dass ihre Pisten »jederzeit benutzbar sind«. Das mag sein. Aber auf der Fahrbahn erfolgt die Räumung je nach Wichtigkeit nach ein paar Stunden oder ein paar Tagen - bei Radwegen kann die Unbenutzbarkeit schon mal drei Monate andauern, wie auf hamburgize sehr eindrücklich zu sehen ist. Also wäre dieses Urteil doch eine schöne Vorlage für die Aufforderung an die Behörden, die Radwege genauso schnell zu räumen wie die Fahrbahn.

  • Tja, noch immer keine Reaktion auf meine an die zuständige Behörde gerichtete Bitte, mir eine Eingangsbestätigung für weitere eingereichte Widersprüche zukommen zu lassen.

    Hab mir am Wochenende mal das Urteil des Hamb. Verw.Gerichtes zu Herrn Bokelmanns Widerspruch gegen die RWBP am Jahnring durchgelesen. Herr B. hat im Widerspruch schon klar ein Datum genannt, an dem er erstmalig vom VZ. "erfahren" hat.
    Ich habe das in meinen Widersprüchen bislang nicht gemacht. Ich habe kein konkretes Datum genannt.
    Ob mir das zum Problem wird? Oder sollte ich da sicherheitshalber in der Klageschrift dann darauf eingehen?

  • Oder sollte ich da sicherheitshalber in der Klageschrift dann darauf eingehen?


    Ja.

    Dieses jüngste Bokelmann-Urteil ist ein schönes Musterbeispiel, wie Juristen Gegebenheiten nutzen, um doch noch an geltender Rechtslage vorbei urteilen zu können. Von lichter Breite zu baulicher Breite hin zu vereinzelten Engstellen hin zu Hecken, die in den Weg wachsen und bei denen man bitte auf den Ackerstreifen zwischen "ach so gefährlicher" Hauptraße und gewachsenem Urwald auf dem ehemaligen Radweg ausweichen möge. Das alles ohne irgendeine Verpflichtung für die Straßenverkehrsbehörde. Hinreisend. Bestätigt alle Vorurteile gegenüber Juristen. Selbstherrlich bis zum platzen.

    ebayForumKopfverkl.jpg
    Peter Viehrig

    "Glaube ist die Überzeugung, dass etwas wahr ist, weil die Belege zeigen, dass es falsch ist."
    (Andreas Müller)

  • Ich stelle mir gerade vor, die Fahrbahnen sähen so aus wie die Radwege laut diesem Urteil aussehen dürfen. Was gäbe das für einen Aufschrei! Und dann ein Gericht, welches sagt: »Ihr müsst die B5 nach Bergedorf nicht befahren, ihr könnt auch die A 26 nehmen.«

  • Fristablauf! Let's roll! :thumbup:

    Externer Inhalt www.youtube.com
    Inhalte von externen Seiten werden ohne Ihre Zustimmung nicht automatisch geladen und angezeigt.
    Durch die Aktivierung der externen Inhalte erklären Sie sich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu haben wir in unserer Datenschutzerklärung zur Verfügung gestellt.

    ebayForumKopfverkl.jpg
    Peter Viehrig

    "Glaube ist die Überzeugung, dass etwas wahr ist, weil die Belege zeigen, dass es falsch ist."
    (Andreas Müller)