Verlängerung der Veloroute 10 bis zum Nordfriedhof: Wo bleiben die Füße?

  • Julius hatte ja vor ein paar Monaten einen Zeitungsartikel der Kieler Nachrichten ausgegraben, der unter anderem die Nutzung der Veloroute 10 von Fußgängern thematisierte:

    Zitat

    Auch wenn die Veloroute als Fahrradstraße den Radlern zugedacht ist, sind dort oftmals Fußgänger unterwegs, die auf Klingeln nicht immer reagieren. Da die Veloroute zwar ein Radweg, aber zugleich auch ein öffentlicher Weg sei, dürften Fußgänger dort entlanggehen, erläutert Redecker. „Im Prinzip müssten sich die Fußgänger verhalten wie auf einer Landstraße ohne Nebenanlage, auf der eine Geschwindigkeit von 100 Kilometern pro Stunde erlaubt ist.“

    Ich kann mich mit diesem Kniff eines „öffentlichen Weges“ nicht anfreunden. Bundesautobahnen und Kraftfahrstraßen sind auch öffentliche Wege, dort sind aber bekanntlich keine Füße erlaubt. Die Straßenverkehrs-Ordnung sieht aber in einer Fahrradstraße auf der Fahrbahn ebenfalls keine Füße vor. Ich halte es aber nicht für abwegig, dass ein Radschnellweg nunmal tatsächlich vor Fußgänger erst einmal tabu sein könnte.

    Auf der Veloroute 10 in Kiel wurde in der Mitte beispielsweise ein überraschend aufwändiges Kreuzungsbauwerk gebastelt, das zwar keine Brücken oder Unterführungen beinhaltet, dafür aber unzählige Meter Gehweg und ganz schön viele Verkehrsschilder — dazu eine Verkehrsinsel in der Mitte um eine alte Güterbahnhofslampe herum samt Sitzgelegenheit, um sich von dem ganzen Trubel erholen zu können:

    Die Gehwege bestreiten allerdings auch nur den direkten Bereich zwischen dem Grasweg und dem so genannten oberen Campus der Universität, insofern wird hier eine erhebliche Abkürzung für Studenten hergestellt. Abseits dieser Kreuzung sind aber keine Gehwege vorgesehen und es wirkt für mich auch nicht so, als ob die Idee dieser Veloroute tatsächlich eine Mischnutzung zwischen Radfahrern und Fußgängern gewesen wäre.

    Die Veloroute 10 endete im Norden bislang vor der Fußgängerbrücke über die B 76. Geradeaus geht es zu den Sportplätzen und dem unteren Campus über die B 76, über den Weg nach rechts sprechen wir gleich noch, links führt der Weg zum Studentenwohnheim.

    Blick in die Gegenrichtung nach Südosten:

    Geradeaus führt noch ein Gehweg entlang der Veloroute, an dem man aber nicht lange Freude hat:

    Die Baumaßnahme besteht in diesem Bereich seit etwa einem Jahr, ein Ende ist nach meiner Kenntnis nicht in Sicht. Rechts geht es hinunter zum Studentenwohnheim. Geradeaus führt die Veloroute, die ich mit Füßen aber nicht betreten darf. Tja.

    Nun zu dem bereits erwähnten Weg, der vor der B 76 rechts abzweigt. Das war bislang immer ein kleiner, netter Weg vom Nordfriedhof bis zu dieser Brücke, den Lischen-Radieschen auch hin und wieder genutzt hat, um von unserer Wohnung schnell den unteren Campus zu erreichen. Ich ging dort hin und wieder mal joggen, seitdem ich diesen Sport für mich entdeckt hatte, wir machten dort manchmal Spaziergänge. Und dann plötzlich: Fahrradstraße. Das ist tatsächlich in den Nächten von Dienstag auf Donnerstag passiert:

    Für die ganz Vergesslichen gibt es auch regelmäßige Piktogramme:

    Die Brücke hier führt vom Nordfriedhof zum botanischen Garten, von dem es allerdings noch ein erheblicher Umweg zum unteren Campus ist, wenn man zu Fuß unterwegs ist. Die Verbindung entlang der B 76 darf aber zu Fuß nicht mehr genutzt werden:

    Von Norden kommend genießt man hier noch die Beschilderung eines gemeinsamen Fuß- und Radweges am Holsteinstadion, die sich aber kurz danach unvermittelt in eine Fahrradstraße wandelt:

    Tja, und nun? So sehr ich ja mit der Einrichtung von Fahrradstraßen sympathisiere und obwohl ich der Meinung bin, dass ein Radschnellweg auch mal für Radfahrer vorbehalten sein darf: Muss das nun sein?

    Bei diesem Weg handelt es sich wie bereits erwähnt um eine schöne, viel genutzte Abkürzung für Studenten aus der Wik oder vom Ravensberg zum unteren Campus, denn beide Fußgängerbrücken über die B 76 sind so ziemlich alles, was dem Fußverkehr nach dem Ausbau zur autogerechten Stadt hier noch als Querungsmöglichkeit blieb. Zu Fuß ist der Weg zum Campus nun auf jeden Fall ein erheblicher Umweg, beziehungsweise führt im direkten Umfeld von vielbefahrenen Straßen entlang.

    Bevor ich mich jetzt gegenüber der Stadt Kiel aufrege, was ist denn eure Meinung und rechtliche Interpretation zu Füßen auf solchen Fahrradstraßen?

  • Die Straßenverkehrs-Ordnung sieht aber in einer Fahrradstraße auf der Fahrbahn ebenfalls keine Füße vor.

    Da verstehe ich die StVO anders:

    Zitat von StVO Zeichen 244.1

    Anderer Fahrzeugverkehr als Radverkehr darf Fahrradstraßen nicht benutzen, es sei denn, dies ist durch Zusatzzeichen erlaubt.

    Zitat von StVO §25

    Wer zu Fuß geht, muss die Gehwege benutzen. Auf der Fahrbahn darf nur gegangen werden, wenn die Straße weder einen Gehweg noch einen Seitenstreifen hat. Wird die Fahrbahn benutzt, muss innerhalb geschlossener Ortschaften am rechten oder linken Fahrbahnrand gegangen werden; außerhalb geschlossener Ortschaften muss am linken Fahrbahnrand gegangen werden, wenn das zumutbar ist. Bei Dunkelheit, bei schlechter Sicht oder wenn die Verkehrslage es erfordert, muss einzeln hintereinander gegangen werden.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Da verstehe ich die StVO anders:

    Okay, Punkt für dich. Wir hatten in Kiel mit einen Fahrradmenschen schon darüber diskutiert, vielleicht hätte ich meinen Standpunkt mal etwas weiter ausführen sollen.

    Ich bin der Meinung, dass die Vorstellungen des Verordnungsgebers bei der Formulierung nicht immer die gleiche Richtung einschlugen wie die Ideen der Straßenplaner oder Straßenverkehrsbehörden. Das Resultat davon ist der schon häufiger erwähnte Verkehrsberuhigte Bereich in Eckernförde, der mit Gehwegen, Seitenstreifen zum Parken, Einbahnstraßen und Haltverboten ausstaffiert wurde und in dem kein Mensch die vielen hundert Meter durch den Verkehrsberuhigten Bereich zur Post oder zur Bank mit Schrittgeschwindigkeit fährt.

    Und genau hatte der Gesetzgeber eben keine Radschnellwege oder Velorouten im Sinn, als die Fahrradstraße eingeführt wurde. Da kam sicherlich niemand auf die Idee, dass jemand einen kleinen Wanderweg als Fahrradstraße kennzeichnet.

    Meine Interpretation dieser Veloroute ist, dass es sich nicht um eine Fahrbahn handelt. Eine Fahrbahn setzt voraus, dass es sich um Straße handelt, das sehe ich bei dieser Veloroute nicht erfüllt. Gerade bei der besagten Fortführung am Nordfriedhof handelte es sich früher vielleicht um einen etwas besseren Wanderweg, aber sicherlich nicht um eine Straße. ich bin mir aber unsicher, ob die Aufstellung der Fahrradstraßen-Schilder und ein paar Piktogramme auf der „Fahrbahn“ aus einem Wanderweg plötzlich eine echte Straße machen.

    Auf jeden Fall halte ich einerseits § 25 S. 2 StVO nicht für einschlägig, weil ich diesen Weg nicht für eine Fahrbahn halte. Andererseits glaube ich auch nicht, dass der Gesetzgeber explizit nur den Fahrverkehr, nicht aber den Fußverkehr mit aussperren wollte. Es hat einfach niemand damit gerechnet, dass solche Wege mit drei Metern Breite plötzlich als Fahrradstraße ausgeschildert würden.

  • Auf einigen Umwegen ja. Für Motorroller problemlos. Wenn Fußballspiele sind, ist das übrigens der (ausgeschilderte) Hauptfußweg vom offiziellen Stadionparkplatz Ohlshausenstraße zum Stadion...

    Die Beschilderung ist reine Schönfärberei der Statistik. Der Weg ist genauso (gut) wie vorher. Aber nun ist er halt eine neue "exklusive" Fahrradstraße. Eventuell gab es für die Fahrradmaßnahme auch was aus 'nem Fördertopf.

    In meinen Augen ist die Anbindung der Veloroute 10 ans Holsteinstadion -und damit die Veloroute 1( die ebenfalls demnächst verlegt wird)- sinnvoller, als sie stumpf auf dem Campus enden zu lassen. Die beiden Kreuzungen vorm Stadion werden ja auch noch komplett umgebaut. Ich bin zuversichtlich, dass sich die Anbindung dann weiter verbessert. Der Mühlenweg als quasi straßenbegleitender Radweg der Schnellstraße war ja schon immer sowas wie eine geheime Veloroute. Südlich der Ohlshausenstraße ist das immerhin Kiels erste Fahrradstraße ohne Autofreigabe gewesen.

  • Moin,

    gerade eine Begegnung mit der Polizei Kiel auf der Veloroute 10 gehabt. Die zwei Beamt*innen waren, wie sie es nannten, auf "Aufklärungstour", denn es hätten sich viele Fahradfahrer*innen über Füßgänger*innen, und andere Menschen beschwert, die auf der ausgewiesenen Fahrradstraße nicht mit dem Fahrrad führen.

    Ich für meinen Teil war mit Inliner unterwegs, da ich die Strecke neben dem Fahrrad auch hiermit gerne benutze, sowohl fürs einkaufen, als auch aus sportlicher Perspektive. Laut der zwei Polizist*innen dürfen Fußgänger*innen und Nicht-Fahrradfahrende die Veloroute 10 nicht nutzen, da diese eine Fahrradstraße sei. Auf meine Aussage, dass die Stadt Kiel dies aber bewirbt:

    "Autos und Motorräder haben auf der Veloroute nicht zu suchen. Fußgänger*innen und Jogger*innen können aber die Trasse an der jeweils rechten Seite benutzen - wie überhaupt das Konzept der Veloroute in größtmöglicher gegenseitiger Rücksichtnahme besteht." (zu finden hier: https://www.kiel.de/de/umwelt_verkehr/fahrrad/velorouten.php),

    antwortete sie nur, dass das falsch sei und man nun erstmals diese "Aufklärungstouren" machen würde.

    Ich frage mich wie lange diese "Touren" nun durchgeführt werden und kann absolut nicht nachvollziehen, warum die Stadt/die Polizei nun die absolut tollen Resonanzen in der Bevölkerung mit einer solchen Aktion zunichte machen wollen. Wie bereits in anderen Beiträgen hier beschrieben, würden ein Haufen neuer Probleme entstehen, wenn man das Ziel einer absolut StVo-konformen Fahrradstraße verfolgen würde. Die Verbindung des unteren und oberen Campus würde gekappt werden, die Polizei müsste alle Holstein Kiel-Fans auf anderem Wege zum Stadion leiten, Familien würden für ihre Kinder sichere Verkehrswege genommen werden und das Konzept der "gegenseitigen Rücksichtnahme" wie die Stadt es weiter oben betitelt hat, wäre endgültig gescheitert.

    Ich habe nun die Möglichkeit von Zusatzschildern in Betracht gezogen und würde mich über Tipps freuen, wie und an wen ich mich mit diesem Anliegen am besten wende und wie ihr das hier seht?

    In meinen Augen sollten Radfahrer*innen exklusive Flächen auch gerne unter gegenseitiger Rücksichtnahme für andere marginalisierte, vom Auto bedrohte Verkehrsteilnehmer*innen öffnen, was durch eine solche Aktion einfach zunichte gemacht wird.

    Klar, regt man sich manchmal über andere Verkehrsteilnehmer*innen auf, darunter fallen aber auch die vier Rentner*innen die mit ihrem E-Bike entweder super langsam oder viel zu schnell über die Veloroute cruisen. Die Strecke nur für Fahrradfahrer*innen freizugeben wird also nicht alle Probleme der "Behinderung des Fahrens" lösen.

    P.S.: Mein erster Beitrag hier ist dann doch ganz schön lang geworden. :D

  • Laut der zwei Polizist*innen dürfen Fußgänger*innen und Nicht-Fahrradfahrende die Veloroute 10 nicht nutzen, da diese eine Fahrradstraße sei.

    Die Gesetzeslektüre erleichtert auch Polizisten die Rechtsfindung:

    Zeichen 244.1
    j0367-1_0800.jpg
    Beginn einer Fahrradstraße
    Ge- oder Verbot
    1. Anderer Fahrzeugverkehr als Radverkehr sowie Elektrokleinstfahrzeuge im Sinne der eKFV darf Fahrradstraßen nicht benutzen, es sei denn, dies ist durch Zusatzzeichen erlaubt. Die freigegebenen Verkehrsarten können auch gemeinsam auf einem Zusatzzeichen abgebildet sein. Das Überqueren einer Fahrradstraße durch anderen Fahrzeugverkehr an einer Kreuzung zum Erreichen der weiterführenden Straße ist gestattet.
    2. Für den Fahrverkehr gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. Der Radverkehr darf weder gefährdet noch behindert werden. Wenn nötig, muss der Kraftfahrzeugverkehr die Geschwindigkeit weiter verringern.
    3. Das Nebeneinanderfahren mit Fahrrädern ist erlaubt.
    4. Im Übrigen gelten die Vorschriften über die Fahrbahnbenutzung und über die Vorfahrt.

    1. Fußgänger sind kein anderer Fahrzeugverkehr , sie müssten schon explizit mit [Zeichen 259] ausgeschlossen werden

    4. Damit ist u.a. § 25 gemeint, der den Fußgängern bei Abwesenheit von Gehwegen den Fahrbahnrand zuweist, und § 24 zu Inlinern & Co., die auch Fußgänger sind. Die dürfen auch schneller als 30, denn 2. gilt ja nur für Fahrverkehr ... *flöt* ;)

  • Danke für deine Antwort. :) So weit war ich dann auch relativ schnell. Witzig war ja auch, dass ich der Beamtin sogar sagte, dass ich die StVO bisher anders verstanden habe und sie nur meinte: "Leider ist das falsch.". Mittlerweile wird es aber noch lustiger...ich berichtete einer Freundin über die blöde Situation und sie sagte kurzerhand sie ruft einfach mal auf dem Polizeirevier an und fragt nach, ob die Beamten vor Ort sich einfach nur unverständlich ausgedrückt hätten. Der Polizist am Telefon erklärte uns dann nochmal etwas anderes, war dabei auch sehr nett.

    In seinen Augen haben die Kolleg*innen da etwas falsch vermittelt, selbstverständlich dürfen Fußgänger*innen auf der Fahrradstraße am rechten Rand gehen, sofern kein Gehweg vorhanden ist. Man müsste dann nur sehr vorsichtig sein und Rücksicht auf Radfahrende nehmen.

    Sollte dabei ein Unfall passieren, wäre man dann allerdings verantwortlich dafür. Auch das ist Blödsinn, immerhin der erste Teil seiner Erklärung war korrekt.

    Er verwies auch darauf, dass noch nicht alle Beamt*innen so fit sind, mit den geltenden Regelen auf der Fahrradstraße, da das ja noch sehr neu in Kiel sei... ich lasse das hier mal so stehen. :D

    Auf die Frage warum auch die Kolleg*innen der Fahrradstaffel anscheinend keine Ahnung haben, wenn sie auf einer selbst deklarierten Aufklärungstour seien, konnte er keine Antwort geben.

    Abschließend machte er Werbung für die Aufklärungsvideos der Polizei SH, in denen in den nächsten Tagen auch die Fahrradstraße nochmal genauer erklärt würde.

    Heute waren keine Polizist*innen auf der Veloroute 10, als ich unterwegs war. Mal sehen wie lange das noch so bleibt.

  • Angehörige der Polizei darauf aufmerksam zu machen, dass sie ihre eigenen Regeln nicht kennen, ist in etwa wie ... na ja, einem Stier in der Arena zu sagen, man habe da was Rotes in der Hand, mit dem man herumwedeln werde.

  • Den VwV-StVO-Passus zu den mehrspurigen Rädern und Anhängern etc. habe ich im 97er Original ausgedruckt im Portemonnaie dabei und das hat schon 3x geholfen ...

    Also am besten eine Extragebäckträgertasche für die Bundesgesetzblattsammlung am Rad anbringen für alle anderen Lebenslagen ...