„Handy-Verbot“ auch für Digitalkameras?

  • Puuuh. Da kommt keine Strafe bei raus, insbesondere mit Anwalt. Aber die Vorgehensweise ist natürlich purer Versuch einzuschüchtern. Liest sich zumindest so. Und damit schon verdammt nah an dem, was wir gelegentlich mit einer Anzeige gegen Nahüberholer/falsche Ampel Hinweiser/Raaaadweg-Brüller unternehmen: da kommt auch nichts raus, aber meine Haltung ist da immer "vielleicht lernt er ja besser, wenn er mal einen Anhörungsbogen ausfüllen muss".

    Mir ist schon irgendwie klar, dass das unterschiedliche Verhältnisse sind. Das eine ist die Polizei selbst, bei meinen Fällen hat der Gegner wirklich etwas falsch gemacht. Aber Wirkung ist gleich. Und das ist bescheuert.

  • da kommt auch nichts raus, aber meine Haltung ist da immer "vielleicht lernt er ja besser, wenn er mal einen Anhörungsbogen ausfüllen muss".

    Nur funktioniert das ja nicht, wenn wie beim im Stand filmende Radfahrer erst recht der Ehrgeiz geweckt wird.

    Wenn hingegen das anschließende Ermittlungsverfahren gegen den eng überholenden Kraftfahrer zudem noch eingestellt wird, fühlt der sich doch erst recht in seiner Fahrweise bestätigt.

  • Im beinahe schon traditionellen Rechtsstreit, ob die regelmäßig stattfindende Demonstration gegen die Bundesautobahn 39 auch auf der Autobahn selbst stattfinden darf, gibt es abseits des eigentlichen Verbotes des Befahrens der Autobahn immer noch eine Reihe weiterer Auflagen — etwa das keine Hunde mitgeführt werden oder dass Ordnern explizit die Nutzung von Funkgeräten während der Fahrt untersagt wird.

    Dieses Mal griff die Klägerin vor dem Verwaltungsgericht auch das auferlegte Verbot von elektronischen Geräten, „die der Kommunikation, Information oder Organisation dienen oder zu dienen bestimmt sind“ an und erhielt vom VG Lüneburg eine abschlägige Begründung im Beschluss 5 B 105/21:

    Zitat

    b. Nach den vorgenannten Maßstäben erweist sich die Auflage unter Nr. I.2., nämlich das Verbot, elektronische Geräte, die der Kommunikation, Information oder Organisation dienen oder zu dienen bestimmt ist, nicht während der Fahrt aufzunehmen oder zu halten, ebenfalls aller Voraussicht nach als rechtmäßig. Eine Ausnahme für Ordner und Journalisten ist nicht gerechtfertigt.

    Das Halten oder Aufnehmen eines derartigen Geräts zur Nutzung stellt eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Gerade in einem Demonstrationszug wie hier, in dem die Teilnehmer verschiedenste Fahrzeuge nutzen können und die Teilnehmer im Verkehr unterschiedlich geübt sein werden, bedarf es der Umsicht und einer hohen Aufmerksamkeit aller Teilnehmer, um Kollisionen und Auffahrunfälle zu vermeiden. Das Halten des Geräts und dessen Nutzung führen zu einer Ablenkung vom Verkehrsgeschehen und es stehen nicht mehr beide Hände zur Verfügung, um zum Beispiel ein Fahrrad sicher zu führen. Insbesondere die Nutzung einer Digitalkamera führt zu einer nicht nur sehr kurzfristigen Ablenkung. Die Nutzung der aufgeführten Geräte kann zur Folge haben, dass Gefahrensituationen zu spät wahrgenommen werden oder verzögert und nicht stark genug gebremst wird.

    Überdies darf nach § 23 Abs. 1 Buchst. a StVO, wer ein Fahrzeug führt, ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, nur benutzen, wenn hierfür das Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird und entweder nur eine Sprachsteuerung und Vorlesefunktion genutzt wird oder zur Bedienung und Nutzung des Gerätes nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist. Die Nutzung derartiger Geräte als Fahrzeugführer, die mit dem Halten oder dem Aufnehmen des Geräts einhergehen, stellt damit einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit dar.

    Diese Beschränkung stellt auch keine unverhältnismäßige Beeinträchtigung von Art. 8 Abs. 1 GG dar. Es ist zumutbar, Fotos nicht während der Fahrt zu fertigen oder damit eine Person zu betrauen, die nicht Fahrzeugführer ist, sondern zum Beispiel in einem Lastenfahrrad mitfährt. Die Ordner oder Journalisten können für ihre Zwecke kurz anhalten. Vor dem Hintergrund der geringen Geschwindigkeit der Versammlung verlieren Anhaltende nicht den Anschluss. Weiter ist das Telefonieren an sich während der Fahrt auch erlaubt, z. B. mittels Sprachsteuerung.

    Abgesehen von der lustigen Idee mit dem Lastenrad, die ich einem Verwaltungsgerät überhaupt nicht zugetraut hätte, macht sich das VG Lüneburg leider gar keine Gedanken dazu, welche Geräte denn nun im Einzelnen unter das Verbot fallen — Digitalkameras sind einfach mit dabei. Insofern gehe ich mittlerweile davon aus, dass das wohl auch im Sinne des Verordnungsgebers ist.

    Dass es für Ordner*innen keine Ausnahme für Funkgeräte gibt, erscheint mir unverständlich, denn während ich für ein Foto natürlich anhalten und absteigen kann, so kann ich als Ordner keinen Demonstrationszug begleiten, wenn ich für jeden Funkspruch anhalten muss. Da kann ich’s mit den Funkgeräten auch gleich bleiben lassen.

    Ich bin ja mal gespannt, ob mich denn die Polizei dieses Mal aus der Demonstration rauswerfen wird. Bei der ADFC-Demonstation hatte ein Polizeibeamter schon arge Bedenken, dass ich während der Fahrt fotografiert hätte (was vielleicht auch nicht so ganz von der Hand zu weisen ist…), und es wäre der Polizei eigentlich lieber, wenn ich während der Fahrt die Kamera auch nicht um den Hals hängen habe.

    Das heißt: Aus dem Demonstrationszug rausfahren, aber nicht so weit raus, dass man kein Teil des Demonstrationszuges mehr ist, anhalten, absteigen, Kamera auspacken, fotografieren, Kamera einpacken, aufsteigen, wieder in den Demonstrationszug eingliedern. Okay, ich mache meine Fotos nur für den Veranstalter, aber als Vertreter der Presse hielte ich es für eine gewisse Einschränkung meiner Arbeit, wenn ich die Kamera während der Fahrt nicht um den Hals hängen lassen dürfte.

  • Ich hielt die Funktion der GoPro auch auf Sprachbefehle zu reagieren immer für unnötigen Schnickschnack, aber das scheint hier tatsächlich fast praktisch. Und ich wäre wirklich an ein paar Urteilen interessiert, die die Kamera tatsächlich bewerten.

    Organisation kann es ja eher nicht sein, Kommunikation wäre vielleicht drin und Information ist möglich, aber du informierst dich als Fahrer ja gerade nicht selbst. So richtig passend scheint mir das Gesetz da nicht.

  • Es darf halt nichts in der Hand gehalten werden oder zum Bedienen (z.B. von Touchscreens) der Blick längere Zeit abgewendet werden. Ist ja im §23 StVO erklärt. Es gab bis vor kurzem die Ausnahme für Mikrofone von Funkgeräten. Diese Ausnahme ist ausgelaufen. In BOS-Fahrzeugen dürfen Funkgeräte oder Mikrofone/ Hörer während der Fahrt nur gehalten werden, wenn sich keine andere Person im Fahrzeug befindet. Bei den Funkgeräten der Ordner lässt das die Vorgabe leicht lösen. Die meisten Geräte haben Halteklammern auf der Rückseite. Das Gerät kann man damit an der Kleidung (z.B. Jackenkragen befestigen). Zum Reden drückt man die Sprechtaste. Hierfür ist es nicht notwendig das Gerät in die Hand zu nahmen. Den Blick brauch man auch nicht abwenden. Die Vorgaben sehe ich damit als erfüllt an. Alternativ gibt es auch Headsets, bei denen in der Verkabelung Mikrofon und Sprechtaste integriert sind. Auch hier brauch man nur die Sprechtaste drücken ohne etwas in die Hand zu nehmen. NAch meinen Kenntnisstand haben Polizeimotoräder die Bedienelemente für den Funk in Griffreichweite am Lenker. Theoretisch darf im Auto also auch nicht mehr geraucht werden oder die Zigarette angezündet werden, da ja etwas in der Hand gehalten wird (wenn man den Paragraphen sehr frei auslegt).

    Einmal editiert, zuletzt von Klapprad_Junkie (8. Oktober 2021 um 18:58)