Die Forenmitglieder, die drüben bei facebook mit mir befreundet sind, haben ja wahrscheinlich gemerkt, dass die Stille auf der Radverkehrspolitik-Webseite einem Fahrradurlaub geschuldet war, den ich mir zusammen mit ein paar Kommilitonen zum verspäteten Abschluss meines Bachelor-Studiums geleistet hatte.
Der ursprüngliche Plan war, von Wedel mit Zwischenstopp bei meinen Eltern nach Rømø zu fahren, insgesamt also 265 Kilometer an zwei Tagen. Das hielt ich für machbar, wurde allerdings unlustig, nachdem der Wetterbericht orkanartigen Gegenwind und Regen ankündigte. Die Wettervorhersage pendelte sich schließlich bei eträglichem Gegenwind und Sonnenschein ein, so dass wir teils mit dem Zug, teils mit dem Auto und dem Fahrrad hinten drauf in Klanxbüll anlandeten, um wenigstens von dort die restlichen 65 Kilometer zu radeln.
Das mit dem erträglichen Gegenwind ist natürlich erstmal Definitionssache. Wenn man ständig nach rechts in den Graben gedrückt wird und ständig gegenlenken muss, dann macht das tatsächlich nicht mehr so viel Spaß. Ein Teil der Gruppe setzte sich drum in Højer ab, ließ sich vom Wind bis Tønder treiben und nahm von dort aus die Bahn bis Skærbæk.
Wir kämpften uns fortan zu zweit Richtung Norden, wobei uns Google Maps über verkehrsarme und entlegene Strecken im dänischen Outback lenkte. Obwohl uns also so gut wie nie ein Kraftfahrzeug begegnete, war der Unterschied zu deutschen Straßen bereits hier duetlich zu bemerken: In Deutschland wird man als Radfahrer auf einer außerörtlichen Landstraße auf Teufel komm raus überholt, ganz egal, ob gerade Gegenverkehr oder eine schlecht einsehbare Kurve folgt. Der Überholabstand ist dabei auch nicht gerade so der Hit und tendenziell häufig eher unangenehm eng. In Dänemark scheinen die Kraftfahrer ein anderes Verständnis vom Miteinander auf der Straße zu pflegen: Die meisten Dänen fahren weit auf die linke Fahrbahnseite rüber und finden auch ein paar Sekunden Geduld, wenn gerade Gegenverkehr naht oder die Überholstrecke nicht frei einsehbar ist. Und die denken auch prima mit: Oh, der Radfahrer pendelt bei dem Sturm ganz kräftig hin und her, dann warte ich mal bis zu der breiten Stelle da drüben mit dem Überholen.
Interessanterweise war meine Kondition gar nicht mal so schlecht, ich hatte jedenfalls mit dem Gegenwind gar keine allzu großen Probleme. Klar, lästig war es allemal und mehr als zehn Kilometer pro Stunde standen selten auf dem Tacho, aber die schweren Beine oder das eigentlich erwartete völlige Versagen des Kreislaufes blieb zum Glück aus.
Besonders schlimm war dann die Strecke über den Rømødæmningen. Der Damm ist knapp neun Kilometer lang und natürlich so gelegen, dass wir strammen Gegenwind hatten. Wir brauchten sagenhafte zwei Stunden für knapp neun Kilometer, mehr als vier oder fünf Kilometer pro Stunde ging’s da gar nicht mal voran. Zu Fuß hätten wir nicht sehr viel länger gebraucht.
Der Damm ist mit einer Art Radfahrstreifen auf beiden Straßenseiten ausgestattet, die wirklich großzügig bemessen sind. Dort ließen sich gewisse Verhaltensunterschiede bei deutschen und dänischen Autokennzeichen bemerken: Die Deutschen sausen einfach vorbei, die Dänen fahren noch ein Stück in Richtung Fahrbahnmitte oder sogar auf den Fahrstreifen der Gegenrichtung rüber, obwohl man sowieso schon mindestens zwei Meter Abstand zueinander hat.
Na gut, wir kamen dann nach etwa neun Stunden an, was ein desaströses Durchschnittspensum ergab. Rømø ist halt so wie Rømø ist, im März noch angenehm leer, aber nach einer Radtour die Insel entlang hat man auch alles gesehen. Von der Insel runter haben wir uns nicht getraut, weil wenigstens eine Richtung wieder mit Gegenwind auf dem Damm einhergegangen wäre. Wir fanden trotzdem für die paar Tage noch andere Beschäftigungen als Sauferei, der Kram kostet ja in Dänemark schließlich einiges. Und wir hatten sogar Internet!
Ich hatte ja schon damals im Juni erwähnt, dass ich die Radverkehrsanlagen in Dänemark in der Regel deutlich besser finde als ihre deutschen Entsprechungen. Außerhalb von København und dänischen Großstädten wird’s zwar manchmal etwas mau, aber im Grunde genommen ist ein Großteil der Radverkehrsinfrastruktur noch deutlich besser als alles, was ich in Deutschland jemals gesehen habe.
Man legt zwar auch in Dänemark gerne Zweirichtungsradwege an, bekommt es aber immerhin geregelt, mit sowas keine Dummheiten anzustellen. Ich habe jedenfalls in den letzten Jahren eher wenige Stellen gesehen, wo so etwas ein großes Problem gewesen wäre, die Sichtbeziehungen stimmen, die Breite ist in der Regel auch in Ordnung.
Manchmal passiert dann auch sowas: Hier muss man zwar nicht über die, äh, großzügig bemessene Verkehrsberuhigung radeln, stößt aber mit den Pedalen beinahe zwangsläufig an den Plastikpfosten an. Der Vorteil an dänischen Kraftfahrern: Die lamentieren nicht herum, wenn man sich erdreistet, statt dem Radwegelein die Fahrbahn zu befahren und dann auch noch so mittig zu fahren, dass der Gegenverkehr anhalten muss. Ganz im Gegenteil: Der erste Kraftfahrer, der mir entgegen kam, forderte mich mit der Lichthupe auf, vor ihm die Engstelle zu passieren. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass so etwas auch in Deutschland funktioniert, hier bin ich ja schon froh, wenn man mir in der Tempo-30-Zone vor meiner Haustür wenigstens einmal am Tag den Vorrang lässt.
Auch diese Art von Radweg ist erst einmal enger als es auf dem Bild aussieht. Dazu hat man dann alle zwanzig Meter einen buckeligen Gullie und hin und wieder so eine tolle angeschrägte Auffahrt. Aber auch dort gibt’s kein Problem, wenn man neben dem Radweg fährt. Oder wenn man zu zweit nebeneinander fährt. Oder sogar zu dritt. Das klappt einfach, ist ja schließlich genügend Platz zum Überholen da.
Natürlich ist die Sache nur mittelbar vergleichbar mit Deutschland. Auf Rømø ist um diese Zeit nichts los, in jedem deutschen Dorf ist das Verkehrsaufkommen größer. Trotzdem bleibt das subjektive Gefühl, dass man in Dänemark einfach lockerer drauf ist. Wenn ich an diese stressigen Touren mit anderen Radfahrern denke, während denen man wenigstens in abgelegenen Nebenstraßen mal nebeneinander fahren möchte und selbst dort noch einfach aus Prinzip angehupt wird, obwohl das Nebeneinanderfahren dort kein Widerspruch gegen § 2 Abs. 4 StVO ist, dann läuft das in Dänemark sehr viel besser.
Na gut, hier weiß man nicht, warum so ein enger Radweg dann auch ein Schild braucht:
Und mit den Schildern mit waagerechter und senkrechter Trennung klappt das ja ähnlich gut. Ist natürlich sowieso nicht so geil, an vielen Kreuzungen keine Vorfahrt zu haben. Aber hej, trotzdem genießt der Radverkehr dort einen ganz anderen Stellenwert als in so genannten deutschen Fahrradstädten. Es klappt einfach und es klappt prima.
Na gut. Am Donnerstag ging es dann für einen Tagesausflug nach Sylt. Das ging dann los mit der Fähre, die zwischen Havneby und List verkehrt und dabei auch Fahrräder transportiert. Ich weiß nicht, wie man sich das auf der Fähre gedacht hat, offenbar hat man sich gar nichts gedacht. Morgens und abends wurden immerhin über ein Dutzend Räder transportiert, über den Tag über dürften das weniger sein, schließlich werden die meisten nur für einen Tagesausflug die Insel wechseln wollen, aber wenn schon im März über ein Dutzend unterwegs sind, werden es in der Hochsaison ja noch deutlich mehr sein. Vorbereitet ist die Fähre dafür nicht. Man darf im vorderen oder hinteren Teil der Fähre, wo keine Kraftfahrzeuge mehr stehen, sein Rad an die Wand oder gegen andere Räder lehnen. Die Halterungen, von denen eine rechts im Bild gerade noch erkennbar ist, sind Motorrädern vorbehalten.
Ich war mit der Sache schon nicht ganz so glücklich, weil ich einerseits um den Lack meines Fahrrades fürchtete und der Mitarbeiter, der mein Rad gegen die anderen lehnte, mir fast das Schaltwerk vom Rahmen riss, weil in dem Moment die anderen Räder in meine Richtung kippten. Mein Bike lehnten wir dann schließlich gegen ein aufgerolltes Tau, wo es die Fahrt unbeschadet überstand. Was im Hochsommer passiert, wenn morgens und abends womöglich deutlich mehr als ein oder zwei Dutzend Radfahrer übersetzen wollen, mag ich mir gar nicht ausmalen. Soweit ich das rausbekommen habe, kommt die Reederei aber unter Umständen für Schäden auf, die an den Fahrzeugen bei der Beförderung entstehen. Das wäre bei einem abgerissenen Schaltwerk ja schon mal nicht ganz unerheblich.
Sylt war dann für den Radverkehr gleich wieder eine Katastrophe. Ich brauchte nicht einmal eine Minute am Festland, bis mich ein Kraftfahrer anhupte. Mein Vergehen war recht unspektakulär: Ich fuhr durch den Kreisverkehr, der hinter dem Fähranleger liegt, und der Kraftfahrer mochte mir meine Vorfahrt nicht lassen.
Man kann Sylt eigentlich nicht vorwerfen, nichts für den Radverkehr zu tun. Politisch scheint man an Radtouristen durchaus interessiert zu sein, es gibt durchaus nette Radwege auf der ehemaligen Trasse der Inselbahn und ich habe noch nie so viele Abstellmöglichkeiten gefunden wie auf Sylt. Andererseits gibt’s die üblichen unmöglichen deutschen Radwege, die man nur mit Mühe befahren kann, die dicht an parkenden Kraftfahrzeugen oder in Toten Winkeln verlaufen, von Fußgängern frequentiert und von Kraftfahrzeugen beparkt werden. Zusätzlich schafft man es, mit einer besonders verrückten Beschilderung dafür zu sorgen, dass sich auch wirklich kein Radfahrer auch nur ansatzweise an die Verkehrsregeln halten kann.
Das fängt ganz harmlos an. In dieser Richtung gibt es ein Zeichen 240:
In der Gegenrichtung nicht. Warum? Hat das was zu bedeuten? Wurde das einfach vergessen? Dürfen hier keine Radfahrer mehr fahren?
Wenn der Radweg eine Straße kreuzt, dann wird der Radverkehr mit Straßensperren und der entsprechenden Beschilderung ausgebremst. Eigentlich wäre gerade der im Sommer stark frequentierte Radweg ein Kandidat dafür, ähnlich wie beim Wilhelmsburger LOOP mal den Radverkehr Vorfahrt zu schenken, denn wenigstens auf dieser querenden Straße ist verhältnismäßig wenig los.
Naja, aber damit auch jeder das Stop-Schild kapiert, gibt’s „Radfahrer absteigen“ gleich dazu.
Na gut, da blicken wir noch durch. Hier wird’s witziger: Ein für den Radverkehr freigegebener Gehweg mit Fahrradpiktogramm. Das passt meiner Meinung nach nicht so ganz zusammen:
Dummerweise malt man dieses Fahrrad überall hin. Weder auf dem Gehweg links noch auf dem rechts im Bild darf man mit dem Rad fahren. Is’ ne Ordnungswidrigkeit, wie man in Hamburg sagt. Aber weil überall die Fahrräder aufgemalt sind, radeln die Radfahrer dort fleißig entlang.
Hier legt man noch mal Wert darauf, dass auch wirklich § 10 StVO gilt:
Hier darf man plötzlich nicht mehr auf dem Gehweg radeln. Dazu wird ein durchgestrichenes Fahrrad aufgemalt; man muss bei der ganzen Malerei auf die Details achten.
Weil aber niemand dabei durchblickt, läuft das meistens so ab:
Hier gab es dann zum zweiten Mal Stress. Es handelt sich um eine Tempo-30-Zone mit abgesenktem Gehweg und recht vielen verkehrsberuhigenden Maßnahmen und Engstellen, so dass der Kraftfahrer hinter mir nicht überholen konnte. Das wollte er aber unbedingt, obwohl ich schon knapp über dem Tempolimit unterwegs war. Dann wollte ich ihn vorbeiwinken, die Gelegenheit ließ er dann aber verstreichen, warum auch immer.
Hier gibt’s dann plötzlich ein Zeichen 240:
Das ist aber nicht für einen benutzungspflichtigen Fuß- und Radweg auf der linken Straßenseite gedacht, sondern für einen Weg, der von dort aus durch den Wald läuft. Kann man ja mal verwechseln, gerade wenn man noch eine Windschutzscheibe zwischen sich und der Realität hat, aber der Kraftfahrer entschloss sich dann, mich rechts über den Gehweg zu überholen und durch das geöffnete Fenster was von „Benutzungspflicht“ und „Arschloch“ zuzurufen. Das wiederum fand ich ja ganz interessant, normalerweise sind im Kraftfahrzeug solche Feinheiten wie Benutzungspflichten ja gar nicht bekannt.
Tja, was tut man dagegen? Normalerweise fährt jeder Radfahrer ordnungswidrig rechts auf dem Gehweg weiter, dafür wird man dann andernorts wieder abkassiert. Fährt man nicht auf dem Gehweg, provoziert man aber den Kraftverkehr. Als Radfahrer kann man es in solchen Situationen nur falsch machen. Am besten wechselt man hier auf den komischen Sonderweg auf der linken Straßenseite und am Ende der Straße wieder zurück auf die Fahrbahn. Is’ immerhin keine Ordnungswidrigkeit.
Das hier finde ich auch toll: Getrennter Fuß und Radweg ausgeschildert, nicht vorhanden, dafür aber ein Fahrradpiktogramm:
Oder hier: Benutzungspflichtiger Gehweg und aufgemalter Radweg, der sogar mit einer weißen Linie hervorgehoben wird, falls die rote Farbe nicht reicht. Darf man nun neben dem Radweg noch auf dem Gehweg radeln? Oder ist der Radweg kein Radweg mehr, sondern sieht nur noch so aus? Und vor allem: Wie erklärt man es dem Kraftverkehr? Für das dreiste Radeln auf der Fahrbahn gab es hier Hupe Nummer 3 und 4 und den Mittelfinger aus dem Cabrio.
Den nächsten Vorfall gab es dann erst wieder in Westerland, als ich drei Meter in eine Fußgängerzone einfuhr, dort abstieg und mein Rad zum nächsten Fahrradstellplatz schieben wollte. Währenddessen wurde ich quasi in der Fußgängerzone rechts überholt, das Kraftfahrzeug stoppt plötzlich rapide und am Steuerrad wird der sterbende Schwan aufgeführt. Der Kraftfahrer brüllt mir irgendwas zu, hat aber leider eine Scheibe vor sich, so dass ich nicht verstehe, was er will, er steigt drum aus und erklärt mir „Arschloch“, ich solle mich verpissen, er wolle da wenden.
Naja.
Zurück hatten wir dann immerhin mal Rückenwind, da konnte man teilweise hunderte Meter fahren, ohne die Pedale benutzen zu müssen. Dummerweise darf man auf dem „Radweg“ ja gar nicht fahren, denn das ist nur ein Gehweg mit einem unpassenden Zusatzzeichen. Da muss sich wohl jemand einen Scherz erlaubt haben.
Das hier kapiere ich auch nicht. Früher war das wohl mal ein freigegebener Gehweg, auf den man nicht auffahren konnte, weil der Bordstein nur minimal abgesenkt wird. Dann malt man irgendwas neben den Gehweg, was aber weder Schutz- noch Fahrradstreifen ist, und verdeckt das Zeichen 239. Was wohl die übrig gebliebene Beschilderung bedeuten soll?
Das wird auch noch immer witziger. Hier darf man mit dem Rad gegen die Einbahnstraße fahren, aber irgendwie durfte oder sollte man wenigstens früher auch auf dem Gehweg radeln. Das ist jetzt natürlich verboten, was in Zusammenhang mit der Beschilderung der totale Hit ist.
Wenn man gar nicht mit dem Rad fahren soll, dann sieht das in Sylt so aus:
In List fahren wir auf der Fahrbahn, es gibt zwar wieder mal einen freigegebenen Gehweg, aber der ist zugeparkt und eben nur ein Gehweg, auf sowas fahren wir nicht. Dicht vor uns reißt ein Kraftfahrer die Tür auf, steigt aus und ruft was von „Radfahrweg benutzen“. Toller Held. Wir hielten zwar ausreichend Abstand zu den parkenden Kraftfahrzeugen, aber die Tür aufzureißen, weil ein Radfahrer nicht auf dem Straßenteil fährt, den man selbst für den Radweg hält, ist ja schon fast ein Fall für eine Strafanzeige, wenn sich Justitia denn für so etwas interessierte.
Weil ich sowas nicht leiden kann, kehrte ich um, die Sache freundlich zu klären. Der Kraftfahrer war natürlich sofort auf 180, schließlich hätten Radfahrer ja keine Rechte im Straßenverkehr, wenn sie nicht auf dem Radweg fahren. Ich erklärte ihm, dass das gar kein Radweg sei, sondern nur ein für den Radverkehr freigegebener Gehweg, auf dem ich nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren dürfe und im Moment auch gar nicht fahren könnte, weil da ja ein Porsche drauf parken muss. Irgendwie überzeugte ich ihn dann offenbar doch noch, jedenfalls reichten wir uns die Flosse und fuhren in entgegengesetzten Richtungen davon. So kann man das ja auch klären, ich muss mich jetzt nicht den restlichen Tag ärgern, er holt vielleicht künftig nicht noch mal vorsätzlich jemanden vom Rad herunter.
Auf der Fähre ergab sich gleich das nächste Problem, denn mein Tau war ja dieses Mal nicht verfügbar, das sicherte schließlich gerade die Fähre am Anleger. Der eine Angestellte erinnerte sich allerdings an mich und meine Befindlichkeiten, also quetschen wir mein Rad zwischen einigen Fußmatten und Waschutensilien ein. Bei der nächsten Tour, die über so eine Fähre führt, lasse ich die Packtaschen als Abstandshalter dran binde mein Rad irgendwo an eine geeignete Befestigung. Davon gibt’s auf so einem Schiff ja genug.
Nachdem das ja mit den 265 Kilometern auf der Hinfahrt schon nicht geklappt hatte, machte der Wetterbericht nicht viel Hoffnung auf bessere Bedingungen auf der Rückfahrt. Ich beschloss drum, den Rückenwind einigermaßen effizient zu nutzen und mit dem Rad von Rømø bis nach Flensburg zu fahren, um von dort aus die Bahn zurück nach Hause zu nehmen. Das würden immerhin ungefähr einhundert Kilometer werden, das war okay.
Mit Rückenwind ging’s über den Damm durch Skærbæk, anschließend quasi diagonal nach Südosten bis Flensburg. Da kann man gar nicht viel verkehrt machen. Die meiste Zeit fuhr ich auf einer einigermaßen stark befahrenen Landstraße umher, die meistens ohne Radweg und besonders viele Kurven geradeaus verlief. Auch dort funktionierte dieses lustige „Erkenne den Deutschen am Fahrstil“-Spielchen perfekt: Anhand des Überholabstandes konnte man erkennen, aus welchem Land das Kraftfahrzeug stammt. Die Dänen überholen mit viel Abstand, wenn sich Gelegenheit dazu bietet. Die Deutschen hingegen überholen immer, also wie bereits erwähnt auch bei Gegenverkehr, in engen Kurven oder vor Kuppen, meistens auch mit gerade mal so ausreichendem Abstand, obwohl man problemlos locker auf den anderen Fahrstreifen wechseln könnte. Immerhin wurde ich auf der Strecke nicht angehupt, das trauen sich deutsche Kraftfahrer in der Fremde dann wohl doch nicht.
Mir ist vollkommen unklar, wie dieses unterschiedliche Verhalten entsteht. Ist das reine Gedankenlosigkeit der Deutschen, dass man überhaupt nicht auf die Idee kommt, komplett auf den anderen Fahrstreifen zu wechseln, weil’s ja auch so irgendwie passt? Ist das wieder der übliche Hass gegenüber Radfahrern, die ja angeblich keine Steuern zahlen und sowieso nichts von Verkehrsregeln verstehen, so dass auch bei Gegenverkehr noch unbedingt überholt werden muss? Haben es die Dänen weniger eilig? Oder sind die Dänen von der Herrschaft des Fahrrades so weichgekocht, dass sie keinen Widerstand mehr leisten? In Dänemark habe ich noch nie jemanden auf dem Radweg parken sehen, beim Warten auf eine Lücke im Querverkehr wird der Radweg freigehalten, beim Rechtsabbiegen überfährt man keine Radfahrer und es wird nicht ständig gehupt.
Dennoch war die Rückfahrt bis dahin relativ entspannt. Ich vermag nicht zu beurteilen, wie das in Deutschland gelaufen wäre, weil ich in Deutschland keine ähnlichen Landstraßen kenne, auf der man dermaßen weite Strecken auf der Fahrbahn zurücklegen darf, aber ich vermute mal, dass man in Deutschland auf etwa fünfzig Kilometer deutlich mehr stressige Situationen erlebt hätte.
Im Sommer fahre ich hin und wieder mal eine radweglose Strecke entlang, die nicht einmal fünf Kilometer misst und an einem See vorbei führt. Dort herrscht entsprechend viel Kraftverkehr von den Badegästen, die offenbar total gestresst an den Strand wollen, jedenfalls herrscht dort unmittlebar Krawall, wenn ein Kraftfahrzeug nicht sofort überholen kann. Ansonsten sind die meisten mir bekannten Landstraßen mit einem Radweg ausgestattet, wobei viele der Wege qualitativ am unteren Ende der Skala spielen und teilweise die Beschilderung so vermurkst ist, dass man dort gar nicht mit dem Rad fahren dürfte. Aber erklärt mal einem vor Wut hupenden Kraftfahrer, dass das neben der Straße kein Radweg, sondern ein reiner Gehweg ist. Selbst wenn dort Zeichen 239 hängt, kapiert das doch kein Mensch.
Zurück nach Dänemark. Zwischendurch führt mich Google Maps abseits der Straße durch eine Art Park, wo ich mal wieder Unterschiede zu Deutschland feststellen konnte: In Deutschland stellt man bei so einer Holzbrücke diverse Schilder auf, „Kein Winterdienst“, „Radfahrer absteigen“ und „Rutschgefahr“. In Dänemark legt man einfach ein Netz darüber, so dass die Rutschgefahr bis zu einem gewissen Grad gebannt ist:
Weiter geht’s, interessanterweise liegen gleich drei Deutsche Schulen auf meinem Weg, wo ich meine Wasserflasche wieder auffülle und ein komisches Brötchen mit verdammt süßem Aufstrich bekomme. Die Kinder wollen sich mit mir unterhalten, aber ihr Deutsch ist zu schlecht und mein Dänisch nicht gut genug, aber immerhin lerne ich so schon mal ein paar dänische Flüche.
Ein paar Stunden nach meinem Aufbruch in Rømø lande ich dann plötzlich in Flensburg. Die Grenze habe ich verpasst, weil der Radweg plötzlich endete, ich einen Hügel hochschob und plötzlich vor der Eissporthalle stand, in der ich früher hin und wieder mal zum Schlittschuhlaufen war.
Die Beschilderung ließ allerdings auch gar keinen Zweifel daran, dass ich jetzt wieder auf deutschem Boden rollte. Andererseits: Hier hatte ich nach einigen hundert Metern die Schnauze voll vom Kopfsteinpflaster, drum mochte ich gar nicht so sehr jammern über das Zeichen 240:
Ich glaube, ich bin noch nicht einmal drei Kilometer geradelt, kam aber schon auf eine stattliche Sammlung von Vorfällen. Ein Lastkraftwagen sauste von der Schnellstraße die Abfahrt hinunter und nimmt mir locker die Vorfahrt, wobei ich das schon kommen sah und entsprechend bremsbereit war. Ein zweites Kraftfahrzeug will mich beim Rechtsabbiegen umfahren. Hier soll ich dann auf der linken Straßenseite fahren, dann aber absteigen, woraufhin ich auf die Fahrbahn wechsle, ordnungswidrig mit 35 Kilometern pro Stunde den Hügen hinuntersause und von hinten permanent angehupt werde, weil sich aufgrund des Gegenverkehrs keine Überholmöglichkeit bietet.
Aufgrund einer Umleitung lande ich dann in der Innenstadt, fahre dort als einziger Radfahrer auf der Fahrbahn, während alle anderen teilweise ordnungswidrig die Gehwege beradeln und Fußgänger beiseite klingeln. Oh, hatte ich schon erwähnt, dass man den Grenzübertritt vor allem daran bemerkt, dass die Radfahrer plötzlich Helme tragen? Die Fahrbahnradelei in Flensburg ist so eine Sache, wenn man als einziger nicht den Gehweg bekampfradelt, weil die Kraftfahrer das natürlich nicht verstehen und auch bei zäh fließendem Verkehr unbedingt überholen wollen. Wenn das nicht klappt, dann wird gehupt, gepöbelt und der blöde Radfahrer einfach zur Seite abgedrängt. Und das alles, um dann mit knapp 30 Kilometern pro Stunde ganze sechs Meter weiter vorne in der Fahrzeugschlange zu rollen. Vermutlich hätten wir in Dänemark zu zweit nebeneinander fahren können, die dänsichen Autofahrer hätten sich gedacht, naja, geht ja eh nicht schneller voran, dann lass die mal so radeln.
Hier gibt’s dann für den Radverkehr eine tolle Umleitungsempfehlung…
… obwohl man da gar nicht reinfahren darf, auch wenn weiter hinten schon die nächste Beschilderung lockt. Aber trotzdem wundert man sich ständig, warum sich diese blöden Radfahrer denn nie an die Verkehrsregeln halten. Vielleicht könnte sich ja an dieser Stelle mal die Polizei aufstellen, um das ordnungswidrige Befahren der Einbahnstraße zu sanktionieren.
Der Rest der Strecke verlief dann für deutsche Verhältnisse entsprechend unauffällig. Ich muss regelmäßig abbremsen, weil Fußgänger auf dem Radweg unterwegs sind, Kraftfahrzeuge parken oder ständig auf Lücken im Querverkehr wartend den Radweg versperren. An einer grünen Ampel kommt von rechts noch schnell ein Kraftfahrzeug hineingeschossen, kollidiert beinahe mit dem Radfahrer vor mir, als ich dann links zum Bahnhof abbiegen möchte und in Ermangelung einer Querungsfurt für nicht-motorisierte Verkehrsteilnehmer (offenbar wollen Fußgänger und Radfahrer nicht zum Bahnhof) auf den Linksabbiegestreifen der Fahrbahn wechsle, bekommt der Kraftfahrer, der schließlich hinter mir an der roten Ampel wartet, einen Wutanfall, weil er offenbar fürchtet, ich hätte die Kontaktschleife nicht ausgelöst. Er schiebt sich drum mit den linken Reifen auf der Mittelinsel an mir vorbei, überfährt die rote Ampel, kann dann aber den Signalgeber nicht erkennen und bekommt gar nicht mit, dass inzwischen wieder Grün ist, wird von hinten angehupt, wird noch wütender und fährt mit quietschenden Reifen davon, während mich sein Hintermann während des Linksabbiegens noch überholt. Scheiß Radfahrer und so, kennt man ja.
Das beste am Flensburger Bahnhof sind vor allem die funktionstüchtigen Fahrstühle, das kenne ich ja aus anderen Städten auch anders. Dafür ist die Bummelbahn, die mich bis Neumünster bringen will, noch vom alten Schlag, hat zwar ein Fahrradabteil, aber nur diese engen Türen mit Stufen, die zu allem Überfluss auch noch einen Haltegriff in der Mitte haben. Hat ja schon seinen Grund, warum die Deutsche Bahn empfiehlt, beim Aus- und Einsteigen die Taschen von den Rädern zu entfernen.
Ich lasse erstmal alle anderen Fahrgäste einsteigen, damit ich in Ruhe mein Fahrrad durch die enge Tür jonglieren kann, stelle aber dann fest, dass sich Freundlichkeit nunmal nicht auszahlt. Ich wundere mich ja regelmäßig, warum das Fahrradabteil in der Bahn so beliebt ist, schließlich ist dieses Abteil mit seinen senkrecht zur Fahrtrichtung stehenden Klappsitzen in der Regel besonders unbequem und bauartbedingt besonders laut und kühl. Trotzdem ist das Abteil der Hit und egal wo ich einsteige, es sind schon recht viele Nicht-Radfahrer dort versammelt. Das Fahrradabteil dieser Bummelbahn hat auf jeder Seite neun Klappsitze, wobei jeweils drei Sitze mit einer senkrechten Stange voneinander getrennt werden.
Auf der einen Seite des Abteils haben die Fahrgäste erstmal recht viele Koffer aufbewahrt und versperren damit über zwei Drittel der dort nutzbaren Fläche. Auf der anderen Seite sitzen neben den mürrisch schauenden Eigentümern des Gepäcks weitere Reisende, die gerne senkrecht zur Fahrtrichtung sitzen möchten. Ich vermag nicht zu beurteilen, ob denen übel wird, wenn sie in die falsche Richtung schauen, aber es fühlt sich immer ein bisschen komisch an, in einem Fahrradabteil fragen zu müssen, ob es wohl die Möglichkeit gäbe, die Aufstellung der Gepäckstücke so weit zu optimieren, dass ich mit meinem Rad nicht in der Mitte des Wagens stehen muss. Aber nee, das geht ja nicht. Man kann das nicht umräumen.
Gut, dass sperriges Gepäck nicht in das normale Abteil passt, das leuchtet mir ein. Dass man seinen Kram auch nicht unbeaufsichtigt in einem anderen Teil des Zuges herumstehen lassen will, kann ich nachvollziehen. Und ich habe auch noch Verständnis dafür, dass man bestimmte Taschen nicht auf den dreckigen Boden stellen möchte. Für so etwas gibt’s dann aber die Gepäckablage über den Fenstern, da braucht nicht jeder Rucksack seinen eigenen Klappsitz. Und das Gepäck hätte man mit ein bisschen Mühe auch umräumen können, so dass in dem ganzen Fahrradabteil wenigstens ein einziges Fahrrad stehen kann und der Radfahrer, der nach hundert Kilometern dann auch nicht mehr so topfit war, vielleicht sogar einen Sitzplatz bekommen könnte. Aber ich muss glatt drum betteln, dass man mir da eine Nische freiräumt.
Immerhin verlief dann der Weg vom Bahnhof nach Hause recht unspektakulär. Das mag auch an der fortgeschrittenen Zeit gelegen haben, am frühen Abend hocken die meisten ja schon vor der Glotze.
Tja. Aber schon irre, wie groß die Unterschiede zwischen Deutschland und Dänemark sind. Ja, natürlich ist das nicht vergleichbar, weil ich in Dänemark und insbesondere auf Rømø nicht mal ansatzweise mit einem ähnlichen Verkehrsaufkommen wie in Deutschland konfrontiert war. Aber dennoch: Einem vollkommen freundlichen und partnerschaftlichen Verhalten auf der Straße stehen relativ wenige Kilometer auf deutschem Boden entgegen, bei denen ich mehrfach angehupt, gefährdet und beschimpft wurde.
Ich weiß nicht, ob der positive Eindruck auch noch bliebe, wenn man sich länger als nur ein paar Tage in Dänemark herumtreibt, bei mehreren kurzen Ausflügen von ein paar Tagen bekommt man schließlich keinen repräsentativen Überblick. Aber ich find’s einfach irre, wie groß die Unterschiede im Straßenverkehr sind, je nachdem, auf welcher Seite der Grenze man sich aufhält.