"Übersehen"
Was veranlasst dich zu den Gänsefüßchen?
"Übersehen"
Was veranlasst dich zu den Gänsefüßchen?
Würde es ggf. unsere Wahrnehmung beeinflussen, wenn das Wort "Unfall" im Straßenverkehr eben nicht für Fahrlässigkeit verwendet werden würde, sondern nur für solche Ereignisse, bei denen selbst Verkehrsrichter zum Schluß kommen, dass sie nicht auf Unaufmerksamkeit zurückgeführt werden können?
Diese Vermutung basiert auf zwei Irrtümern: erstens auf dem Irrtum, dass tatsächlich ein spürbarer Anteil der Unfälle aus „es gezielt drauf ankommen lassen“ resultieren würde (tatsächlich sind sie aber weitestgehend Folge von ungeplantem Augenblicksversagen), und zweitens auf dem darauf aufbauenden Trugschluss, wonach Moralappelle ans Gewissen fruchten könnten und höhere Strafen abschrecken würden.
Ich habe das Gefühl, diese Leute reden auch dann von "Freigabe für den Radverkehr", wenn sie eigentlich die Anordnung eines Fahrbahnverbots meinen.
Die Autoren der Rechtsnormen gehen halt davon aus, dass Radfahrer von sich aus Radwege benutzen wollen (andererseits: warum halten sie dann gleichzeitig so eisern an der Benutzungspflicht fest? Wahrscheinlich auch genau deshalb: sie wissen, dass die Aufhebung sowieso nichts ändert, außer Streit mit ein paar seltsamen Sonderlingen unter den Radfahrern zu provozieren
).
Jedenfalls geistert der Begriff „Freigabe“ schon seit Jahrzehnten im Verkehrsrecht herum. Bis zur Radweg-Novelle der StVO von 1997 stand der Begriff sogar in §2 Abs. 4 drin („Linke Radwege dürfen sie nur benutzen, wenn die Gegenrichtung mit Z. 237 freigegeben ist.“), und es war in der Rechtsprechung und unter den StVO-Kommentatoren AFAIRC durchaus strittig, ob dies als Benutzungspflicht, oder nur als Benutzungsrecht aufgefasst werden müsse. Das wurde dann mit der Novelle zu einer eindeutig formulierten Pflicht konkretisiert.
Bist du denn sehr regelmäßig in den Niederlanden und sprichst die Sprache gut?
Ik versta het goed, maar ik kan het niet praten.
Ich finde die Zeitungsmeldungen auch ohne Zuhilfenahme von Online-Übersetzern sehr gut verständlich. Geht auf jeden Fall leichter von der Hand als Dänisch, wobei auch das Verstehen der dänischen Unfallmeldungen nach ein wenig Einlesen kein unüberwindbares Hindernis ist, zumal man ja weiß, worum es geht und sich bestimmte Floskeln und Vokabeln stets wiederholen.
Kapituliert habe ich erst bei Finnisch, als ich versucht habe, die im Netz kursierende "Vision-Zero"-Legende von Helsinki zu prüfen. ![]()
Gut, um einen Eindruck des Berichterstattungsstils zu Verkehrsunfällen in NL zu bekommen, ist diese Unfall-Sammlung. Wer mag, kann mal versuchen, ob er Beiträge findet, in denen konkrete Unfallverursacher benannt werden oder in denen sogar ganze Verkehrsteilnehmergruppen an den Pranger gestellt werden.
Wie die Angst geschürt wird, wissen wir ja. Aber was kann man dagegen tun?
Für mich ist die maßgebliche Differenz zwischen Deutschland und den Niederlanden nicht die unterschiedliche Infrastruktur, sondern die vollkommen entspannte Haltung der Niederländer beim Umgang mit dem Thema "Unfallrisiko beim Radfahren". Das Thema findet in der Öffentlichkeit so gut wie nicht statt, und wenn doch ausnahmsweise über Unfälle berichtet wird, dann stets unter Würdigung der tragischen Umstände des Einzelfalles.
Niemals wird in NL ein Unfall zum Anlass genommen, um in der Berichterstattung Zwietracht zwischen Radfahrern und Autofahrern zu säen. Selten wird die Schuldfrage nach einem Unfall gestellt, noch seltener wird sie beantwortet. Gänzlich verzichtet wird darauf, individuelle Fehler des mutmaßlichen Verursachers auf die Gruppe zu verallgemeinern, der er angehörte, und damit alle Mitglieder seiner Peer-Group in Bausch und Bogen als Aggressoren anzuprangern.
In diesem Sinne bin ich ausnahmsweise sehr für "Go Dutch!".
Ich habe keine Ahnung, wie man das lösen soll, denn es stehen sachliche Argumente der Verkehrssicherheit gegen Emotionen. Gegen Angst helfen bei den allermeisten Menschen keine Unfallstatistiken, die belegen, dass die Angst statistisch gesehen ungerechtfertigt ist.
Was aber auch traurige Tatsache ist: Angst kann geweckt werden, und Angst ist ansteckend. Militante Radwegfans sind Superspreader.
Nichts hat in der letzten Zeit so sehr Angst und Schrecken unter Radfahrern verbreitet wie die unselige 1,5m/2m-Regel zum Seitenabstand beim Überholen. Weil nämlich die schriftliche Fixierung des Mindestabstandes in der StVO und das Abfeiern dieser Fixierung als "Meilenstein der Verkehrssicherheit" den Irrtum bestärkt oder erst bei vielen geweckt hat, dass jeder Millimeter weniger als 150,00 cm automatisch allerhöchste Lebensgefahr bedeuten würde. Die Fixierung hat zudem wie zu erwarten Pharisäer auf den Plan gerufen, die bereits nach Kräften daran arbeiten, den überaus üppigen Abstand weiter aufzubohren (bei von Seniorinnen gelenkten Lastenrädern mit Katzenbabies im Anhänger geht für überholwillige Bus- und LKW-Fahrer unterhalb eines Abstandes vom halben Erdumfang mittlerweile scheint's gar nichts mehr...
).
Gleichzeitig hat die völlige Untätigkeit der Ordnungsbehörden bei der Überwachung der Abstände den Eindruck erweckt, mehr denn je ohnmächtig der Gewalt der KFZ-Führer ausgeliefert zu sein.
Wenn ich ein Agent der Autoindustrie wäre, der auf Social Media mit FUD dafür sorgen soll, dass die Menschen sich möglichst vom Umstieg aufs Fahrrad abhalten lassen, dann wäre das öffentliche Herumreiten auf den Überholgefahren genau meine Strategie.
Tenor des Filmes: Es würden deutlich mehr Menschen Fahrrad fahren, wenn eine sichere Radverkehrsinfrastruktur zur Verfügung steht.
Tenor des Films: Radfahren ist zu gefährlich für euch. Leute, lasst es lieber bleiben, die Autofahrer zu nerven. Wenn ihr sie durch Fahrbahnbenutzung provoziert, werden sie und (vollkommen zu recht!) ihr Mütchen an euch kühlen. Wartet also, bis euch euer Bürgermeister einen schönen Radweg schenkt.
(andernfalls würde die Redaktion vielleicht mal auf den Trichter kommen und darüber nachdenken, was es bedeutet, wenn die Zahl der Radfahrer schneller steigt als die der radelnden Verkehrsopfer, und vor allem die naheliegende Schlussfolgerung daraus auch entsprechend kommunizieren).
Tödlicher Unfall im Herbst 2019: Gericht verurteilt Autofahrer
Weiß sich jemand einen Reim darauf zu machen, welche Fahrlinie der Radfahrer genommen hat?
Die Location: der Radfahrer kam offensichtlich von Osten an die Kreuzung und wollte nach links in den Platz vor dem alten Elbtunnel abbiegen. Der Autofahrer kam ihm entgegen. Vorherige Pressemeldungen sowie Bilder und Videos von der Unfallaufnahme hatten bei mir den Eindruck hinterlassen, der Radfahrer habe dazu die Furt der Gegenfahrbahn *vor* der Kreuzung benutzt und der Autofahrer habe grün gehabt. Im NDR-Bericht wird aber jetzt gesagt, der Radler sei "links abgebogen", was wiederum nach Benutzung des Linksabbiegerstreifens klingt. In jedem Fall scheint klar zu sein, dass er Grün hatte, wohingegen nicht erwähnt wird, welche Signalfarbe der Autofahrer hatte (bzw dass er rot hatte).
Weiß jemand von euch Näheres zum Unfall?
Gibt es an der Ampel "feindliches Grün" für Linksabbieger und Gegenverkehr?
Warum gibt es überhaupt diesen Tatbestand?
Das hat rechtsdogmatische Gründe. Wer im Gesetz was vorschreibt, ohne gleichzeitig eine Strafe bei Verstößen festzulegen, kann sich die ganze Vorschrift gleich sparen.
Das Problem ist wohl dadurch entstanden, dass die Autoren der StVO und der BußgeldKatVO nicht daran gedacht haben, dass die Gemeinden die Streifen mit Begeisterung dazu ausnutzen würden, um ohne große Eingriffe in den Unterbau der Straße billig an Ergänzungen im Radwegenetz zu kommen, indem sie mindermaßige Streifen ohne Sicherheitsräume neben Längsparker quetschen.
Und ich dachte immer, Victim Blaming sei so'n Ding der Revolverblätter, die sich dann "genüsslich" drüber auslassen, wenn eine Fahrradfahrerin oder ein Fahrradfahrer von einem Auto angefahren wird und dabei keinen Helm getragen hat.
Der Hinweis auf ein objektiv verwirklichtes grobes Fehlverhalten ist kein VB.
Im Artikel der "Bild" über den Unfall siehst du übrigens auch ein Foto, auf dem man gut erkennen kann, dass die Kollision kurz vor der Stelle war, wo am Fahrbahnrand ein "Haltestelle"-Schild steht. IOW: das Manöver der Radfahrerin bzw die Kollision hätte auch durch einen vollkommen legal dort haltenden Bus bedingt sein können. Würde man den Busfahrer dann auch am liebsten köpfen?
Alles anzeigenDas ist natürlich auch wieder Wasser auf den Mühlen derjenigen, die von Radfahrstreifen nicht sehr viel halten und Hochbordradwege bevorzugen.Das Radfahrstreifen nicht funktionieren, weil sie so oft zugeparkt sind, oder von haltenden Fahrzeugen blockiert werden ist jedenfalls in Hannover ein häufig genannter Vorbehalt gegen Radfahrstreifen auf der Fahrbahn.
Und leider erwecken die Verkehrsbehörden nicht den Eindruck, als gingen sie ausreichend gegen das Blockieren der Radfahrastreifen vor. Tempo 30 und wirkungsvolle Maßnahmen zum Einhalten von Tempo 30 ist leider ebenfalls (noch?) nicht in Sicht.
Auf dem Foto sieht man ein Beispiel aus der Goethestraße in Hannover, wo ziemlich neu ein Radfahrstreifen angelegt wurde.
2008 sah es dort noch so aus: (googlestreetview) https://www.google.com/maps/@52.37385…!7i13312!8i6656
Die vorhanden Fahrbahn wurde vom Fahrzeugverkehr bei starkem Verkehrsaufkommen zweispurig benutzt. Es gab damals keinen Hochbordradweg.
Ich halte nichts von Radfahrstreifen und bevorzuge aber Mischverkehr. ![]()
Der Umstand, dass auf Radfahrstreifen gerne gehalten wird, ist IMO der einzige Grund für die Stänkerei der Radfahrer-NGOs gegen diese Verkehrseinrichtung. Würden da einfach nur ab und zu Unfälle auf der ansonsten freien Flächen passieren, würde sich keiner über die Streifen an sich aufregen, und wegen der Unfälle würde man bestenfalls nach ganz anderen Lösungen suchen, die die Führung jedenfalls nicht in Frage stellt (zb Abbiegeassistenten bei Rechtsabbiegerunfällen auf/mit Hochbordwegen).
Frage an die Runde: angenommen, ein haltendes Fahrzeug stünde auf einer Fahrbahn in der rechten Spur und ihr kämt mit dem Auto in dieser Spur an die Stelle - kämt ihr dann auch darauf, dass es eine gute Idee wäre, ohne Blinken und Schulterblick einfach "hoppla, jetzt komm' ich" in die zweite Spur auszuscheren?
Und damit ist Risikokompensation ja völlig in Ordnung. Ich meinte mit meinem Beitrag eher die implizierte "Überkompensation".
Eine echte Gefahr reduzieren und erst dann etwas unternehmen ist in meinem Weltbild sicher nicht falsch. Beispiele wären ein Zweitfallschirm beim Fallschirmspringen, eine Uhr beim Tauchen oder eine Schwimmweste beim Kanufahren.
Du meinst, mit Zweitfallschirm wird Fallschirmspringen dann wieder genauso ungefährlich wie gar nicht springen? ![]()
Risikoüberkompensation ist auch, wenn du dir dank Kopfschutz ein höheres Sturzrisiko zutraust und dir deswegen dann (bei dank Helm gleichem Kopfrisiko wie bei einer ungefährlichen Referenztätigkeit) halt öfter Rumpf oder Extremitäten schwer verletzt.
Motorradfahrer und MTB-Downhiller können ein Lied davon singen.
Vielleicht?
"Steine von oben" kommen leider relativ häufig vor. Alles zu überlaufen. Ast ins Gesicht kommt auch vor. Aber ist es Überkompensation, wenn man persönliche Schutzausrüstung benutzt? Meistens passiert ja auch im Stahlwerk nichts, trotzdem ist ein Handschuh vielleicht eine gute Idee und so.
Risikokompensation ist, wenn man Sachen tut, die man ohne Schutzausrüstung in der Form sonst gar nicht erst in Betracht ziehen würde.
Vielleicht als persönliche Anekdote: Im Straßenverkehr brauche ich keinen Helm, ich trage aber einen wenn ich im Gebirge Mountainbike oder wenn ich mit den Hunden Trails fahre. In den beiden letzten Fällen sind die Unfälle "Gegenstand kracht gegen Kopf" nicht auszuschließen.
Klassische Risiko(über?)kompensation.
Äh?
Sorry, falsche URL kopiert. Jetzt sollte es stimmen.
Im Ernst: ja, NO ist Botenstoff, wird aber in pharmazeutischen Produkten immer "in-situ" verabreicht - also gebunden an einen Rest. Die Kunst ist es, den Rest so zu gestalten, dass der Botenstoff zur richtigen Zeit am richtigen Platz und in der richtigen Menge entsteht. Meist werden NO-Präparäte in fester Form verabreicht. Es gibt auch wenige gasförmige Verbindungen, die z.B. in der Intensivmedizin gegeben werden. Eine direkte Gabe ungebundenen NO gibt es meines Wissens nicht. Wäre m.E. auch wenig erfolgversprechend, weil das NO beim Übergang in der Lunge sofort assoziiert.
Ich habe gegoogelt, es dann aber aufgegeben. Kannst Du mir das übersetzen?
Offender=Täter
to relieve=entlasten
Wer schon einmal das Vergnügen hatte, frisch erzeugten nitrosen Gasen ausgesetzt zu sein, der vergisst das wahrscheinlich niemals. Wenn man im Winter mit dem Fahrrad hinter einem Schummeldiesel im Stadtverkehr steht oder fährt, stellt sich ein Hauch dieser Erinnerung ein.
Seltsamerweise korrelliert die NO2-Belastung der verkehrsnahen Messstationen eher mit steigenden Temperaturen.
Entweder, das "Temperaturfenster" und seine behauptete Auswirkung ist eine Legende. Oder PKW-Diesel tragen weniger als gedacht zur NO2-Belastung der Luft bei.
Die Erwähnung eines Fahrradhelmes in einem solchen Kontext dient also ausschließlich dem Victim-blaming.
Immer.
Die Erwähnung dient dem Offender-Relieving.
Immer. (=es geht um das Abwälzen der lästigen Garantenstellung, auch und gerade ganz ohne Unfall)
Das ist ja im wesentlichen der Kern meiner Frage: Die Grenzwerte (40 µg/m3 usw.) beziehen sich m.W. nur auf NO2. Das Mehrfache an NO, das drumrum wabert, interessiert dabei nicht? Macht doch irgendwie keinen Sinn, wenn sich NO in NO2 umwandelt.
Wenn es sich doch sowieso ineinander umwandelt, kann man sich auch auf die apparativ einfachere Messung nur eines Parameters verständigen. Wenn der runtergeht, geht halt auch der andere mit runter, und umgekehrt. Also hat man sich für den Stoff zur Überwachung entschieden, der (u.a. wegen des Potentials zur direkten Ozonbildung) vermeintlich das größere toxikologische Potential hat.
Warum NO im auf der Straße messbaren Spurenbereich als "good guy" ein hochwirksamer Gegenspieler des "bad guy" NO2 ist: Stickstoffmonoxid ist "physiologisch". D.h., der Körper bildet es erstens selbst, und er verfügt zweitens auch über entsprechend empfindliche Sensoren dafür. NO entspannt glatte Muskulatur, was nicht nur bei der Erektion unverzichtbar ist, sondern auch systemisch eine Blutdrucksenkung sowie eine Weitung der Bronchien bewirkt. NO ist der aktive Wirkstoff, der aus Nitroglycerin freigesetzt wird, wenn man damit einen Angina Pectoris-Anfall lindern will. Asthmatiker bilden in ihren Bronchien vermehrt NO, so dass die ausgeatmete Luft der Asthmatiker ein Mehrfaches der inhalierten NO-Konzentration besitzen kann.
NO und NO2 gibt es in der Straßenluft stets im halbwegs proportionalen Mix, so dass die entspannende Wirkung des physiologischen Botenstoffes NO bei verkehrsüblicher Dosierung der beiden Gase wirksam verhindert, dass die (bei Einzelgabe von NO2 in wesentlich höheren Dosen durchaus messbare...) bronchienverengende Wirkung des NO2 sich unter dem Strich auf der Straße jemals durchsetzen kann.
Sowohl NO wie auch NO2 bilden bei Kontakt mit Wasser unstreitig Säuren. Die Säuren werden auf der feuchten Lungenoberfläche bei üblichen Straßenkonzentrationen der Gase allerdings vollständig weggepuffert; die dabei verbleibenden Nitrit- und Nitrat-Anionen sind gut wasserlöslich. Sie entstehen auch im Körper selbst oder werden mit der Nahrung aufgenommen, und können über die Niere problemlos ausgeschieden werden.