Beiträge von Th(oma)s

    Ja, das hatte einmal jemand im Pedelecforum durchgerechnet, meine ich. Der Wirkungsgrad des menschlichen Körpers ist deutlich schlechter als der eines Elektromotors.

    Es gibt sicher Unterschiede, aber der ökologische Vorteil langsamer Zweiräder ist nicht der Wirkungsgrad des Antriebs, sondern die durch das langsame Tempo gegebene immanente Reichweitenbegrenzung. Das ist aber auch gleichzeitig deren größte Schwachstelle. Die CO2-Messe wird auf Strecken ab 20km gesungen, und so weit fahren selbst von den S-Pedelcs und 45er Kleinkrafträdern nur wenige.

    Ich latsche über ähnliche Konstrukte und möchte nicht von einem armen Knilch, der zur falschen Zeit am falschen Ort ist, unvermeidbar plattgefahren werden.

    Die Vermeidung von sowas lässt sich jedenfalls nicht mehr durch Adressierung der Individualebene herstellen. Da praktisch jeder Verkehrsteilnehmer sein Scherflein zum Zustandekommen des Gesamtrisikos leistet, geht da nur noch was mit sehr allgemein wirkenden Maßnahmen (Umbau, Verkehrsreduktion, Entschleunigung). Allerdings muss man damit rechnen, dass wir bereits an einem Punkt angekommen sind, wo man auch mit gigantischem Aufwand nur noch infinitesimal kleine Fortschritte erzielen kann. Z.B. reicht es nicht, nach solch einer Tragödie diese eine Kreuzung (oder gar nur den einen von vier Armen, wo es passiert ist) umzubauen, um die Wahrscheinlichkeit für eine Wiederholung zu senken. Vielmehr müsste man jede einzelne verdammte Kreuzung da draußen umbauen, um überhaupt einen statistisch messbaren Effekt beobachten zu können.

    Na ja, es ist usus beim rechtsabbiegen nicht zu schauen und über Fußgänger und andere Verkehrsteilnehmer zu rumpeln an Ampel-geregelten Kreuzungen. Dazu kommt wahrscheinlich, das so kleine Menschen besonders schwer zu sehen sind.

    Insofern ist der Tatbestand der fahrlässigen Tötung nicht erfüllt.

    Nein. Es ist eben nicht Usus, sowas zu machen, das gilt insbesondere auch für den Täter, der Jahrzehnte gefahren ist, ohne jemanden zu überfahren, und der auch bei Freispruch weitere Jahrzehnte fahren wird, ohne mit größerer Wahrscheinlichkeit zum Wiederholungstäter zu werden. Und das gilt auch für uns andere, die wir uns nur aufgrund der immensen statistischen Unwahrscheinlichkeit einer solchen Tragödie im trügerischen Bewusstsein sonnen, dass wir was Besseres sind, als der arme Knilch, der das Pech hatte, zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein. Und gerade dieser fundamentale Irrtum verhindert im Übrigen auch, dass härtere Strafen noch was ändern könnten. Niemand wägt beim Fahren sein Verhalten gegen drohende Knaststrafen ab - es sind ja immer nur diese Trottel/Greise/Raser (hier weitere Feindbilder einsetzen), denen sowas passieren wird.

    Schließlich zeigt das Zeitungsfoto, dass auch ÖPNV-Fahrgäste Unfall-Opfer hätten sein können. Dann würdest du doch auch nicht polemisieren, dass ein solcher Unfall eindrucksvoll die "Sicherheit" von Omnibusbenutzung zeige.

    Eher wird ja umgekehrt argumentiert. Dass also ein Unfall (zB auch so ein Freak Accident) hergenommen wird, um zu „beweisen“, wie unsicher die Fahrbahn für Radfahrer (und was für ein Segen demgegenüber daher ein Radweg) wäre, obwohl der Hergang nicht das mindeste mit dem Pedalkurbelantrieb des Zweirades zu tun hatte.

    Es wäre sicher interessant, das zu untersuchen. Wenn das ein entscheidender Faktor ist, dann müsste es so sein, dass vor der Zeit der Handys, also etwa bis Ende des letzten Jahrtausends, deutlich weniger Fahrrad-Alleinunfälle passiert sind. Weiß wer, ob das so ist?

    Für "Smartphone" als Ursache gibt es eindeutig zu wenig jüngere Leuteunter den Opfern. Die Generation der Boomer, die derzeit noch das Gros der Opfer stellt, lässt beim Radeln die Finger vom Touchscreen. Abgesehen davon würde der Umstand, dass dem Opfer ein Telefon aus der Hand fiel, wohl unweigerlich in den Pressemitteilungen erwähnt werden (so wie das bei Ohrstöpseln gemacht wird).

    Eigentlich müsste das jedem gewissenhaften Journalisten klar sein. Trotzdem liest man immer wieder solche Nachrichten, wie hier auf der hessenschau-Internetseite:

    Mehr tödliche Pedelec-Unfälle - "Das sind Höllenmaschinen"

    Momentan läuft gerade die selbe Masche mit den E-Scootern an. Erster Gedanke: "Ränkespiele des motorisiert-industriellen Komplexes, der die Journallie geschmier^h^h entsprechend gebrieft hat, damit die Verbraucher brav weiter möglichst teure Autos kaufen" kommt als weitere naheliegende Erklärung in Frage, dass Deutschland im internationalen Vergleich eine absolute Sonderstellung genießt, weil es AFAICS nur hierzulande eine derart akribisch geführte Verkehrsunfallstatistik gibt. Angaben zu Schuldverteilungen, Ursachen, Gegnerpaarungen etc. -und das alles sogar auch noch auf dem Niveau einzelner Polizeidirektionen- findet man aus dem Ausland jedenfalls nicht.

    Oder es gibt weniger Tote durch Alleinstürze, weil die Infrastruktur besser in Schuss ist.

    Die Vorstellung, Radfahrer stürzten wegen Schlaglöchern oder Wurzelaufbrüchen auf maroder Infrastruktur zu Tode ist nach meinem Eindruck abwegig. Insbesondere sind Alleintote zu einem großen Anteil in Straßen ohne Infra zu verzeichnen (z.B. Feldwege, MTB im Wald, Wohnstraßen). Oft haben auch Zeugen den Sturz beobachtet, die berichten, der Radler sei „einfach so“ zur Seite gekippt. In anderen Fällen deutet die Spurenlage darauf hin, dass eine steile Abfahrt unterschätzt wurde, Kurven nicht ordentlich ausgefahren wurden oder beides. Manche Opfer stürzen nachts und werden erst am anderen Morgen gefunden, hier wird Alkohol und/oder mangelhafte Beleuchtung eine Rolle spielen.

    Neulich ist bei Münster ein Liegedreiradfahrer auf einem makellosen Radweg Marke Hollandträumchen einfach von der schnurgeraden Strecke abgekommen und zur Seite in den Graben gefahren. Letzte Woche stürzte ein Radfahrer nachts auf einer wegen Flutschäden unterspülten und deshalb voll gesperrten Strecke in ein metertiefes Loch quer über der gesamten Fahrbahn.

    Der Frauenanteil bei Alleintoten ist nur gut 10%, bei einem Anteil von 40% an der Radfahrleistung und 30% an übrigen Todesfällen. Auch der Befund spricht für mich stark gegen die Hypothese von maroder Infra als Haupt-Ursache.

    Die Ursachen von Alleinstürzen sind so vielfältig wie wir Radfahrer insgesamt.

    Und ja, die Pedelecs sind meiner Meinung nach eher ein Datenartefakt von "alte Leute auf langen Wegen und/oder in den Bergen". Man muss dabei bedenken, dass die Hälfte (!) der getöteten Radfahrer im Rentenalter ist und nur 21% unter 50. Übrigens in den Niederlanden ganz ähnlich (nur, dass das dort bei ü80 noch weiter ansteigt).

    Der typische tödliche Pedelecunfall ist die Kollision eines aus einer kleinen Kreis-/Ortsverbindungsstraße oder einem Feldweg ausfahrenden Pedelecfahrers mit einem vorrangigen PKW, das mit Reisegeschwindigkeit auf der schnell befahrenen Landstraße herankommt. Das korreliert nur deshalb mit dem Alter der Opfer, weil es nach wie vor eher Senioren sind, die mit ihren Pedelecs Ausflüge ins Freiland unternehmen. Fatale Alleinstürze mit Pedelecs sind dagegen nicht häufiger zu verzeichnen als mit konventionellen Fahrrädern. Also ist weder das Narrativ "Autofahrer rechnen nicht mit rasenden Pedelecs" noch die Erzählung "mit Gewicht und Beschleunigung überforderte Greise" zutreffend.

    Wie kommt dann die Zahl 89 radelnde Todesopfer in die Grafik?

    Und ist die Anzahl 45 der Fahrrad-Alleinunfälle tatsächlich so hoch, also bei rund 50%? Das kommt mir sehr hoch vor.

    Meine eigene Datenbank enthält im Vergleich mit der amtlichen Statistik regelmäßig ein Plus von Einträgen mit Alleinstürzen. Das kommt dadurch zustande, dass ich jeden mit Fahrrad gemeldeten Todesfall registriere, mir aber die Möglichkeit fehlt, medizinische Notfälle, die todesursächlich waren, nachträgllich zu eliminieren, da mir die Ergebnisse der Autopsie grundsätzlich unbekannt sind. Bei entsprechend veröffentlichtem Verdacht trage ich aber in das Kommentar-Feld das Stichwort "Kollaps" ein, um das nachträglich Filtern zu können. Das Stichwort findet sich bei den Alleinunfällen für Baden-Württemberg in 2022 13-mal, was gut zur Differenz der amtlichen Statistik passt. Unter der plausiblen Annahme, dass mir bei Unfällen mit Gegnern keiner fehlt (meine Liste gleiche ich hinsichtlich Unfällen mit Gegnern mit dem Destatis-Unfallatlas ab, und da ist die Erfassungsquote aus der Tagespresse schon vor dem Abgleich stets >95%), hätten wir also immer noch die 44 Unfälle mit Gegnern, aber "nur" noch 31 Solo (Quote 41%). Bundesweit war die Alleinquote in 2022 offiziell 36% (169 von 474), sie lag damit erstmals über der traditionell hohen Alleinquote in den Niederlanden.

    Anmerkung: Dänemark fällt übrigens dadurch auf, dass in der Statistik stets erheblich weniger Alleintote sind als in D oder NL (ca. 10%); ein Hinweis darauf, dass das traditionell auffällig günstige Abschneiden von DK im internationalen Vergleich durch eine systematische Untererfassung von Alleinstürzen bedingt sein könnte.

    Winnie Hermann surft den Trend. In 2022 gab es einen negativen Ausreißer, und nach den bis November vorliegenden Zahlen ging die Opferzahl in Baden-Württemberg in 2023 wieder deutlich zurück. Also geniales Timing, um beliebige Maßnahmen zu propagieren und sich dafür im nächsten Jahr als Hüter der Verkehrssicherheit feiern lassen zu können.

    Rein von der Logik her ist jedoch völlig ausgeschlossen, dass die angeregten Maßnahmen die vollmundig angekündigte Reduktion um 60% bewirken könnte. Dafür gibt es bei Weitem zu wenig Todesfälle mit Hergängen, die von den Maßnahmen profitieren könnten. Insbesondere wird natürlich der Bereich "Überholrisiko" einmal mehr hemmungslos geframt (Radwegebau; T80 außerorts, das aber offenbar nur auf schmalen Landstraßen ohne Radweg). Das nur, falls wieder jemand kommt und behauptet, die Angst vor dem Bösen Golf von hinten wäre angeboren. Seufz.


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    Also mit § 2 Abs. 1 S. 1 StVO ist ja alles gesagt oder?

    Abgesehen von § 2 Abs. 4 Satz 2 stehen in den vielen §§ der StVO noch unzählige andere Vorschriften. Keine davon erlaubt die Gefährdung von Fahrbahnradlern, weswegen die derzeit gerade auch von lautstarken Vertretern der Verkehrswende-Blase gepflegte Ansicht "ohne infrastruktur haben Radfahrer auf der Straße nichts verloren" logisch und verkehrsrechtlich schonmal kompletter Unsinn ist.

    Wer mag, kann gerne politisch durchsetzen, dass Fahrspuren reduziert werden, dass man auf geplante Erweiterungen des Straßennetzes verzichtet, dass man Straßen zurückbaut oder per Schild oder Poller Zufahrtsverbote anordnet. Dafür braucht man aber keine Fahrräder als Vorwand, denn das alles hat so rein überhaupt nichts mit dem suggerierten Dualismus "was nicht dem Auto gehört, gehört dem Fahrrad" (bzw. umgekehrt) zu tun.

    Es ist absehbar, dass damit die Forderung nach "Geschützten Radfahrstreifen" befeuert wird. Aber das kann es doch letztlich nicht sein, dass man geschützte Zonen einrichtet, in denen sich der Fahrrad- und Fußverkehr tummeln soll, während der Autoverkehr sich ungebremst und unkontrolliert auf den übrigen Verkehrsflächen austobt.

    Die Unfallsituation entsprach -aus der Perspektive des Fußverkehrs- auch jetzt schon bereits dem beschriebenen Konzept.

    Heute ignorieren manche Fahrradfahrer*innen die Benutzungspflicht, z. B. wenn der Fahrradweg zu schmal ist, aber die Verkehrsbehörden trotzdem an der Benutzungspflicht festhalten, weil sie so tun, als sei der schmale Fahrradweg trotzdem sicherer als auf der Fahrbahn zu fahren. Manche Autofahrer*innen sagen dann: "Typisch Fahrradfahrer, jeder von denen fährt, wie er meint."

    Radwege vorsätzlich ignorieren (also auf der Fahrbahn; linke Gehwege oder Radwege in nicht vorgesehener Richtung benutzen oder bei Bedarf "nur mal eben" über den Gehweg ausweichen ist ausdrücklich nicht gemeint) macht hier[TM] außer mir keiner. Das gilt ausdrücklich auch für Radwege ohne Benutzungspflicht.

    Na schön, aber wie beschildert man die Gegenrichtung für Fußgänger, die aus dem Bus aussteigen und entgegen der Fahrtrichtung weiterlaufen? Ein linksseitiges [Zeichen 240] wäre ja falsch, da der Radweg von Radfahrern linksseitig nicht befahren werden darf. Es handelt sich schließlich nicht um einen Zweirichtungsradweg. Und wenn ab dieser Stelle doch, wo sollen diese Radfahrer dann plötzlich herkommen? Aus dem Bus etwa?

    Probleme, die man nur hat, wenn man annimmt, dass das Verhalten auf Sonderwegen sich nach der Beschilderung richten würde. Defacto gibt es zwei klar abgegrenzte Straßenteile: "drinnen" (=Fahrbahn) und "draußen" (=der ganze Rest jenseits der "großen" Bordsteinkante). Das Verhalten auf den außerhalb der Fahrbahn liegenden Straßenteilen richtet sich dann allein nach der Baugestaltung bzw. einer ggf. vorhandenen deutlichen Markierung. Die Illusion, dass die Beschilderung die Nutzung vorgebe, resultiert lediglich aus dem Umstand, dass in den meisten Fällen eine Kongruenz zwischen Beschilderung und Gestaltung existiert. Sobald aber die Beschilderung von der Gestaltung abweicht, gewinnt die Gestaltung. Immer.