Das stimmt, gilt aber für den gesamten Straßenverkehr. Würden sich alle nach StVO verhalten, hätten wir keine Unfälle. Als Radfahrer bin ich der schwächste (weil keine Knautschzone) und gefährdetste (weil am wenigsten sichtbar) Verkehrsteilnehmer, also sollte ich rein aus Eigenschutzinteresse das entsprechende Verhalten wählen.
Erstens: Übersehen passiert nicht im Längsverkehr.
Zweitens: „Übersehen“, das offenbar antriebsspezifisch erfolgt, erfordert aus logischen Gründen vorheriges bewusstes zur-Kenntnis-Nehmen des Antriebs, und ist daher kein Übersehen sondern Ignorieren, und damit Vorsatz.
Drittens: du bist auch auf dem Radweg gefährdet und ohne Knautschzone. Das ist insbesondere deswegen problematisch, weil durch die Segregation neuartige Fehlerquellen geschaffen werden, zu deren Kompensation ein größeres Ausmaß an Aufmerksamkeit erforderlich ist als vorher. Das gilt auch und gerade für das eigene Verhalten!
Der einzige „Vorteil“ der Segregation besteht darin, dass man sich auf dem Sonderweg von vorneherein damit abgefunden hat, dass man übersehen/ignoriert werden wird. Das führt, zusammen mit den aus eigenem radwegtypischen Fehlverhalten resultierenden neuen Gefahren, dazu, dass man sich auf dem Radweg quasi immer selber die Schuld geben kann, wenn es mal kracht - man hätte es ja besser wissen können. Und dieses Bewusstsein wiederum bewirkt eine massiive kognitive Verzerrung: Risiken, für deren Abwehr wir vermeintlich selber zuständig sind, werden leider immer maßlos unterschätzt.