Arbeitsstellen auf Radfahrstreifen

  • So, mal wieder ein flauschiger Schriftwechsel mit einer der Straßenverkehrsbehörden (StVB) dieser sch... önen Stadt. :)

    Vorweg:
    Ich persönlich finde Radfahrstreifen grundsätzlich gut. Gibt ein paar negative Aspekte wie
    - Reinigung/Sauberkeit/Fahrbarkeit
    - Falschparkermagnet
    - Umfahrungsgelegenheit für Autofahrer, wenn vor ihnen auf der Fahrbahn jemand links abbiegen möchte und den Gegenverkehr abwartet

    Bis auf den letzten Punkt sind das grundsätzlich auch Hochbordradweg-Probleme, soll aber hier auch nicht Thema sein.
    Es geht - wie im Titel schon angedeutet - um Arbeitsstellen aka "Baustellen" und Radfahrstreifen.

    Bei Hochbordradwegen macht es sich die StVB in aller Regel recht einfach.
    Ist der Radweg B-pflichtig, kommt einfach [Zeichen 240] hin und Radfahrer und Fußgänger dürfen sich die Restflächen teilen.
    Ist der Radweg nicht B-pflichtig, kommt oft dennoch [Zeichen 240] hin, nach rumnörgeln oder idealerweise direkt von Beginn an doch nur [Zeichen 239] + [Zusatzzeichen 1022-10]

    Die StVB ist hier in jedem Falle "fein raus", die Arbeitsstelle ist einfach zu beschildern.


    Hamburg bekommt nun zunehmend Radfahrstreifen spendiert.
    Arbeitsstellen wird es natürlich weiterhin geben. Die Frage ist jetzt, wie man die beschildert, um für alle Verkehrsteilnehmern eine sichere und gleichberechtige Fahrt zu gewährleisten.
    Ich habe hier (rückblickend) bemerkt, dass meine Eingangsfrage falsch ist. Um die Gleichberechtigung muss man sich nämlich keine Gedanken machen, wenn vorhandene Kräfteverhältnisse auch bei Arbeitsstelleneinrichtung zementiert werden.

    Ursprung meiner ganzen Überlegungen ist eine Arbeitsstelle in der Ritterstraße in Hamburg Wandsbek.
    Die Ritterstraße ist eine Verbindungsstraße zwischen den 2 Ein- und Ausfallstraßen Wandsbeker Chaussee und Sievekingsallee im Hamburger Osten.
    In der Rushhour kommt es an den Ampeln teilweise zu langen Rückstaus, dass Autofahrer hier gerne 2 Ampelumläufe benötigen, um über die Kreuzung zu kommen.

    Da sind die Radfahrstreifen schon ganz nett. Wer übrigens mal auf die ewige Litanei, Hamburg hätte keine grüne Welle, etwas erwidern will: hier gibt es sie, die grüne Welle. Liegt bei 24km/h :whistling:

    Wie dem auch sei: seit einer Woche dort Baustelle. Mit Fahrbahnverengung.


    In Fahrtrichtung Norden:

    Man erkennt es in der Vorschau nicht sooo gut: rechts der Radfahrstreifen endet. In einer Arbeitsstelle. Gut, man hat noch Warnbaken aufgestellt.
    Wo der Radfahrer weiterfahren soll, ist klar: Fahrbahn.
    Wie gelangt er dort hin: Über den Breitstrich fahren.
    Problem: es gilt §10 StVO

    Zitat

    Wer [...] von anderen Straßenteilen oder [...] auf die Fahrbahn einfahren [...] will, hat sich dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls muss man sich einweisen lassen. Die Absicht einzufahren oder anzufahren ist rechtzeitig und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Dort, wo eine Klarstellung notwendig ist, kann Zeichen 205 stehen.

    Konsequenz: anhalten, sich versichern, dass von hinten niemand auf der Fahrbahn ankommt, dann auf die Fahrbahn wechseln.

    Das finde ich doof. Jajaja, als Radfahrer muss man auch mal zurückstecken, hat kein Anrecht auf durchgehende Vorfahrt, muss sich anpassen, vorausschauend fahren, mitdenken, auch mal zurückstecken, auch mal absteigen, zur Not zu Fuß gehen... usw.


    In die Gegenrichtung sieht das ungleich netter aus.
    So sieht das in StreetView noch 2009 aus klick
    Radfahrstreifen, der auf der Kreuzung als unterbrochener Breitstrich als Furt aufgemalt ist. leicht ausgestellt zum Rande hin, damit die Autofahrer rein theoretisch noch rechts an den Linksabbiegern vorbeifahren können.

    und so sieht das mit einer Baustelle aus:

    Mal bitte groß klicken.

    Was sehe ich?
    die Furt über die Kreuzung ist weiterhin vorhanden.
    hinter der Kreuzung ist der Breitstrich ausgekreuzt mit gelber Markierung. Das sehe ich als Radfahrer ungefähr ab Mitte der Kreuzung.
    Ein Verkehrszeichen "Achtung Radfahrer (von rechts)"
    ein Verkehrszeichen "empfohlene Richtgeschwindigkeit etwas unter 50" (eigentlich 30km/h max)
    ein Verkehrszeichen "Spurverengung von links, rechts bleibts"
    und natürlich: "Gehweg, Radfahrer frei"

    was passiert jetzt wohl?
    erst das:

    (groß klicken!)

    und dann das:

    Tjohohoho. ich bin wirklich kein Kind von Traurigkeit und fahre durchaus "offensiv", was Spurwahl, Vorrang etc anbelangt. Hier habe ich mich mal an die Furtmarkierung gehalten, bin ihr gefolgt. Mit dem Ergebnis da.

    Die Gelegenheit hab ich dann mal genutzt, um die zuständige StVB anzuschreiben:



    StVB antwortet auch umgehend:


    liest sich einfühlend. :/
    Es war gar nicht meine Absicht, hier auf die Tränendrüse zu drücken.
    Aber das Ergebnis meiner e-Mail: Situation ist scheiße, einige Autofahrer halten sich nicht an Regeln, dann machen wir es eben eindeutig.

    Und das sieht vor Ort so aus:

    und im Kreuzungsbereich:

    Naja. Also eindeutig ist die Situation jetzt.
    Wenn man als Radfahrer bei roter Ampel ankommt, stellt man sich zwischen 2 Autos auf die Fahrbahn. ok.
    Kommt man bei grüner Ampel an, heißt es anhalten, warten, Verkehr abpassen. In den meisten Fällen ist die Ampel dann rot. Also kann man sich dann zwischen 2 Autos stellen.

    Das Gehwegradeln endet weiter hinten vor der Schule übrigens so:

    wie man hier auf den Radfahrstreifen kommt, wenn an der Stelle ein Auto parkt, weiß ich aber auch nicht ;)


    Fazit:
    die geschaffene Lösung ist rein rechtlich jetzt eindeutig.
    Warten, Verkehr durchlassen, dann wechsel auf die Fahrbahn.

    Ist aber nicht weit von "Falschparker auf Radfahrstreifen" weg, nicht wahr?

    Wie sähe eine Lösung aus, die Radfahrer nicht derart benachteiligt?
    Mir schwebt da vor, dass aus dem Radfahrstreifen im Verlauf auf die Baustelle ein Schutzstreifen wird.
    Dieser bewirkt, dass beide Verkehrsteilnehmer (Fahrrad, Auto) auf der selben Fahrbahn, der selben Fahrspur unterwegs sind und hier das Reißverschlussprinzip gilt.
    In der ersten Version der Verkehrsführung auf der Kreuzung sehe ich das Reißverschlussprinzip nämlich nicht als zwingend logisch.

    Aber mir ist klar, dass man wegen einer Arbeitsstelle nicht auf 300m die Markierungen für den Radfahrstreifen wegfräsen und durch Schutzstreifenmarkierung ersetzen kann, auch nicht über Gelbmarkierung. das wird nichts.

    Gibt es verbindliche Vorschriften, wie so eine Arbeiststelleneinrichtung in Fällen mit Radfahrstreifen auszusehen hat?

  • Du willst eine Lösung, die rechtlich einwandfrei und sicher ist, auf der typische Radfahrer in Verbindung mit typischen KFZlern nicht benachteiligt werden? Vergiss es.
    Schutzstreifen würde bedeuten, dass du rechts nicht überholen darfst, wenn der Verkehr links sich noch bewegt. Und dann darf auch darauf gehalten werden.
    Die ursprüngliche Lösung war schon ganz OK. Aber da muss man als Radfahrer einfach mal den Arsch auf dem Sattel haben, sich zu geeigneter Zeit offensiv einzuordnen. Funktioniert prima, machen aber nur wenige.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Hab das am nächsten Tag mal ausprobiert mit dem Einordnen.
    Bin nämlich gar nicht erst auf den Radfahrstreifen gefahren, sondern gleich auf der Fahrbahn geblieben. Ich wusste ja, dass der Radfahrstreifen in 30m endet. Habs auch gesehen.
    Ergebnis kannste dir denken, oder?
    Bin nämlich gerade zu faul, das Video zusammenzuschneiden. Der Ton ist nämlich wichtig. sonst hört man das penetrante Hupen hinter mir nicht. Und den Autofahrer, der, während er auf Höhe der Baustelle hinter mir fährt, herausbrüllt, dass es "da" einen Radweg gäbe.
    Meine Erwiderung, dass ich "da" nur eine Baustelle sehe, spornt ihn seinerseits wohl nur mehr an, auf die Hupe zu drücken...

  • An dieser Stelle mal wieder die Frage: Was ist da in Hamburg im Wasser? Aggressives Hupen erlebe ich nur gelegentlich, bei Außentemperaturen größer als 35°C. Und nie in einer Baustelle, so ja irgendwie klar ist, dass anders nicht geht... unbegreiflich...

  • Das frage ich mich in so einer Situation auch immer. Allerdings weichen in Hamburg 98% aller Radler über den Fußweg aus, auch wenns nicht vorgesehen ist.

    In Hamburg ist nunmal, so wie im obigen Beispiel, in 98 Prozent der Fälle das Ausweichen über den Gehweg eben vorgesehen, entweder über Zeichen 240 oder über 239 plus „Radfahrer frei“.