Vorrangregel beim Abbiegen auf Nebenfahrbahnen.

  • Moin moin,

    bei der gerichtlichen Ortsbesichtigung gestern merkte ich ggü. dem vorsitzenden Richter an, daß ich die Vorrang/Vorfahrtregelung an der Nebenfahrbahn für unklar halte. Das hat er wohl eingesehen, denn er wusste selbst nicht, welche da gelten solle. Er tippte dann auf Rechts-vor-Links. Diese Stelle ist gemeint. Der Anwesende Polizist meinte, die Sache sei völlig klar, man müsse die Regelung nur kennen, dort gelte §10, der Radfahrer muß anhalten.

    Ich bin anderer Meinung, weil der Autofahrer keinen einfachen Spurwechsel vollzieht, sondern in die Nebenfahrbahn ( = andere Fahrbahn) abbiegt. Dann greift §9 (3) StvO. Das wurde überhaupt nicht gelten gelassen, wobei ich ja nur darauf hinauswollte, daß die Regelung unklar ist. Mir ist sie das tatsächlich. Was gilt dort?

  • Meine Meinung:
    §9 kann es nicht regeln. Stell dir vor, der Autofahrer fährt ganz ganz langsam. Dann ist das Abbiegen beendet und jetzt kommt ein Radfahrer. Somit regelt §9 nichts mehr.

    Dient diese Fahrspur dem fliessenden Verkehr? Wenn ja, dann wäre es eine Fahrbahn. Wenn nicht, dann ist es keine Fahrbahn. Ich würde von letzterem ausgehen. Vorallem müsste bei einer Fahrbahn auch am Ende ein Vorfahrt achten o.ä. stehen, damit dort eben kein RvL gilt!

    Damit gelten meiner Meinung nach die Vorfahrtsregeln von einem Parkplatz. Gegenseitige Rücksichtnahme und wenn jeder den Unfall hätte verhindern können 50/50.

    Edit: Witzig, wieviele Möglichkeiten es gibt:
    - §9 Abbiegen
    - §10 Einfahren auf eine(!) Fahrbahn
    - Rechts vor Links (zwei Fahrbahnen kreuzen?)
    - keine Fahrbahn (gegenseitige Rücksichtnahme)

  • Man muss sich erstmal überlegen, was eine Nebenfahrbahn überhaupt ist.

    Ist sie Teil der Straße? Gefühlt schon.
    Ist sie ein Radweg? Nein, denn dort dürfen offenkundig KFZ fahren. Wäre es ein Radweg, dürften sie das nur mit Zusatzschild.
    Ist sie Teil der Fahrbahn? Nein, denn sonst gälte das Rechtsfahrverbot und alle LKW müssten hier fahren.
    Ist sie ein Seitenstreifen? Eher auch nicht, diese schließen direkt an die Fahrbahn an. Und Seitenstreifen dienen nicht dazu, darauf zu fahren.
    Mangels Alternativen und Aufgrund des Namens behaupte ich, dass es sich hierbei um eine separate Fahrbahn handelt. Vergleichbar mit zwei baulich getrennten Richtungsfahrbahnen (z. B. Wiesendamm) oder zwei baulichen getrennten Fahrbahnen in eine Richtung (Esplanade, vor dem Neuen Jungfernstieg).
    Man kann sich, soweit nicht anders ausgeschildert, für eine dieser Fahrbahnen frei entscheiden, das Rechtsfahrgebot gilt nur innerhalb der Fahrbahn.

    Damit dürfte klar sein, dass Radfahrer hier keine Vorfahrt haben, wenn sie vom Radweg aus auf die Nebenfahrbahn auffahren. Der Polizist hat Recht mit §10.
    Da aber nicht jeder diese Regelung kennt: "Dort, wo eine Klarstellung notwendig ist, kann Zeichen 205 stehen."

    Ich darf mich als Radfahrer frei für eine Fahrbahn entscheiden. Ich möchte diese nicht benutzen. Der Stummelradweg führt nicht auf meine Lieblingsfahrbahn. Damit darf ich die RWBP hier ignorieren und auf der normalen Fahrbahn fahren.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Mal ernsthaft: wie soll man als "normaler Mensch" dort klarkommen?
    Ok, normale Menschen sind hier schnell bei §1.
    Anders gefragt: wie sollen Otto-Normal-Rad-und-Autofahrer dort klarkommen?
    Ohne Beschilderung ist das höchst gefährlich. Als Radfahrer würde ich von ausgehen, dass ich Vorrang beim Einfahren auf die Nebenfahrbahn habe, da ich ja in direkter Linie weiterfahre, während der Autofahrer quasi abbiegt.
    Was Gerhart allerdings schreibt ist mehr als logisch, auch wenn es nicht wirklich logisch ist ;)
    Muss man jetzt eigentlich Verkehrssrecht belegt haben um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein?

  • Ich verstehe nicht, warum § 10 gelten soll. Dort heißt es ausdrücklich:

    »Die Absicht einzufahren oder anzufahren ist rechtzeitig und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen.«

    Dort steht nicht die Einschränkung »gegebenenfalls«. Das heißt: ich muss sie immer benutzen!

    Wohin soll ich meinen Arm (»Fahrtrichtungsanzeiger«) ausstrecken? Ich will weder links abbiegen, noch vom rechten Rand aus anfahren (dazu müsste ich links »blinken«), und ich will auch nicht nach rechts abbiegen. Sondern ich will weiter über den Radweg fahren, der sich hier plötzlich in die Mittelgasse eines Parkplatzes verwandelt.

  • Ich darf mich als Radfahrer frei für eine Fahrbahn entscheiden. Ich möchte diese nicht benutzen. Der Stummelradweg führt nicht auf meine Lieblingsfahrbahn. Damit darf ich die RWBP hier ignorieren und auf der normalen Fahrbahn fahren.

    Du hast da einen Punkt getroffen! An dieser »Fahrbahn« steht kein blauer Lolli. Sie ist also gar nicht benutzungspflichtig.
    Wenn jemand der Meinung ist, der Radfahrer sei am Ende der Rotpflasterung wartepflichtig, weil er von einem Radweg in eine Fahrbahn einfahre, dann heißt das zugleich, dass dort sein Radweg endet. Und kein Blauschild weit und breit.

    Okay, das könnte mich tatsächlich dazu motivieren, den Fahrtrichtungsanzeiger zu betätigen, und zwar nach links, und mich zur Hauptfahrbahn vorzuwagen. Das wird natürlich kein Autofahrer verstehen, der von dort aus kommt und gerade einen Parkplatz ansteuern will. Aber ich darf das, denn da steht kein Einbahnstraßen-Schild!

    Also sind wir wieder bei der unklaren Verkehrssituation.

  • Okay, das könnte mich tatsächlich dazu motivieren, den Fahrtrichtungsanzeiger zu betätigen, und zwar nach links, und mich zur Hauptfahrbahn vorzuwagen. Das wird natürlich kein Autofahrer verstehen, der von dort aus kommt und gerade einen Parkplatz ansteuern will. Aber ich darf das, denn da steht kein Einbahnstraßen-Schild!

    Das ist eine Richtungsfahrbahn, das gilt auch ohne Schild. Aber frag mich nun bitte nicht nach Belegen für diese Behauptung.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Vergleichbare Wegführung in Nürnberg. Ich war da schon länger nicht mehr und musste erst mal nachschauen. Ich finde hier die Nürnberger Lösung eindeutiger gebaut.


    Als Radfahrer würde ich mir hier Vorrang vor dem KFZ-Verkehr nehmen und weiterfahren. Durch den leicht erhöhten Bordstein glaube ich auch, dass das funktioniert. Vermutlich sogar besser als an mancher normalen Kreuzung.

    Zweites Beispiel mit echt parallel verlaufender, zweiter Fahrbahn (möglicherweise sogar Straße - war grad zu faul zu schauen, ob die unterschiedliche Namen haben).


    Selbe Regelung wie oben. Mir einsichtiger. Radverkehr wird eindeutig geführt. Über die Qualität der Radwege darf man hier immer streiten ... der im zweiten Beispiel ist wichtig, weil er zur Pegnitz führt. Der im ersten Fall ist unschön (weil oft viel zu eng), wird aber an einer ständig überfluteten Unterführung hoch geleitet, so dass man am stehenden MIV und Bus vorbeiziehen kann. Damit könnte ich auch leben...

  • an der Ecke ist neulich eine Fahrschule eingezogen und neulich hab ich mir den Spaß nicht nehmen lassen, die Polizei zu rufen als ein Fahrschulauto im absoluten Halteverbot stand (das dort angeordnet ist um die Verpflechtung von Kfz- und Fahrradverkehr zu erleichtern). Insbesondere war's lustig weil drinnen deren Theoriestunde stattfand. Aus "wir haben eine Sondergenehmigung dort zu parken" mir gegenüber wurde sehr schnell ein "was? nein, nie, nur heute!" als die Herren in Blau kamen.

    Diese Stelle ist immer zugeparkt und soll (laut jüngster Eingabe ans Gericht kurz vor der Verhandlung) dringend optisch eindeutiger gestaltet werden. Nachtigall ick hör dir trapsen. Schon komisch, dass man die vergangenen Jahre nicht auf die Idee gekommen ist...

  • Wenn an dieser Stelle der Radverkehr gegenüber den einbiegenden Kfz wartepflichtig ist, dann stünde dies im Widerspruch zu den Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit ein Radweg als benutzungspflichtig ausgeschildert werden darf. Radfahrende (gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer!) wären außerdem gegenüber der Stetigkeit des Fahrbahnverkehrs benachteiligt, ihre Sicherheit wäre alles andere als höher gegenüber der Fahrbahnbenutzung. Das aber ist Voraussetzung für eine RWBP.

    Aus den vielen auftretenden Fragen und der Tatsache, dass selbst der Richter nicht wusste, wer an der Stelle Vorfahrt hat, ergibt sich für mich adäquat zur Rechtsprechung hinsichtlich der schnellen Erkennbarkeit von Verkehrszeichen, dass die Anordnung einer Benutzungspflicht für diese "Nebenfahrbahn"(?) nicht statthaft ist. Wenn dies aber zutrifft, verstößt der Wechsel von RWBP und Nicht-RWBP ebenfalls gegen das Gebot der Stetigkeit der Radverkehrsführung.

    Auch habe ich auf dem Winterhuder Marktplatz neben der Bushaltestelle m.E. das Recht auf die Fahrbahn zu wechseln, wenn der Radweg dort mangels Gehweg, wie üblich, voller Fußgänger ist. Dieses Hin und Her ist absurd.

    Bin mal gespannt, wie das Problem "Nebenfahrbahn" gelöst wird, weil es am Siemersplatz einen ähnlich gelagerten Fall gibt, wobei diese dort oftmals versperrt und damit unbenutzbar ist. Auch diese Klage liegt noch beim selben Gericht.

    "Terrorismus ist der Krieg der Armen und der Krieg ist der Terrorismus der Reichen"
    Peter Ustinov

  • Zweites Beispiel mit echt parallel verlaufender, zweiter Fahrbahn (möglicherweise sogar Straße - war grad zu faul zu schauen, ob die unterschiedliche Namen haben).

    Hier handelt es sich um zwei eigene Straßen. Die rechte kann mit dem Rad in beiden Richtungen befahren werden. Bei einer reinen (rechten) Nebenfahrbahn wäre dies m.E. nicht möglich.

    Twitter: @Nbg_steigt_ab

  • Hier handelt es sich um zwei eigene Straßen. Die rechte kann mit dem Rad in beiden Richtungen befahren werden. Bei einer reinen (rechten) Nebenfahrbahn wäre dies m.E. nicht möglich.

    Nicht möglich oder nicht erlaubt?
    Dass es eine andere Straße ist vermute ich auch, aufgrund des mittigen Bürgersteigchens und des anderen Straßennamens.

    Im Friedrich-Ebert-Damm in Hamburg wechselt auf der Südseite dauernd Radweg (geschätzte 50cm breit, ohne Benutzungspflicht) mit Nebenfahrbahn ab. Geisterradeln ist da imo verboten, wird aber trotzdem praktiziert (da "möglich").