Zum gestrigen Tag des Fahrrades sah sich das Bundesverkehrsministerium verpflichtet, mit fünf häufigen Mythen im Straßenverkehr aufzuräumen: Tag des Fahrrads: Die 5 größten Irrtümer über die Straßenverkehrs-Ordnung
Ich frage mich ja langsam, wer denn überhaupt noch die Verkehrsregeln beherrscht. Legendär war ja, dass sich der Ramsauer damals bei „Hart aber fair“ mordsmäßig mit den Verkehrsschildern vertan hat und noch nicht einmal jene Verkehrsregeln beherrschte, mit denen schon ein Grundschüler umgehen muss. Aber das hier ist ja echt der Knaller:
Zitat1. Irrtum
Annahme: Ein Radweg teilt immer die Vorfahrt der Hauptfahrbahn.
Richtig ist: Nur der straßenbegleitende Radweg teilt die Vorfahrtsrechte der Hauptfahrbahn. Ist der Radweg abgesetzt - d.h. über 5 Meter von der Fahrbahn weg oder z.B. durch Hecken visuell von der Fahrbahn getrennt -, dann gilt dies nicht. Wichtig wird dies bei Einmündungen und Kreuzungen. Also Vorsicht, Radfahrer: Hier haben sie keine Vorfahrt. Ist ein Gehweg für Radfahrer frei gegeben, dann gilt dort: Im Kreuzungsbereich lieber absteigen und sich wie die Fußgänger verhalten.
Was für ein Käse. Die erwähnten fünf Meter sind eine Vorgabe aus den Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrs-Ordnung und eine ungefähre Warnung, dass bei derart weit von der Fahrbahn abgesetzten Radwegen die Vorfahrt noch einmal gesondert auszuschildern ist. Dort heißt es zu § 9 Abs. 3 StVO:
ZitatDer Radverkehr fährt nicht mehr neben der Fahrbahn, wenn ein Radweg erheblich (ca. 5 m) von der Straße abgesetzt ist. Können Zweifel aufkommen oder ist der abgesetzte Radweg nicht eindeutig erkennbar, so ist die Vorfahrt durch Verkehrszeichen zu regeln.
Dort steht nicht, dass die Vorfahrt automatisch erlischt.
Und der Knaller ist ja die Sache mit dem Absteigen bei freigegebenen Gehwegen. Aber wenn schon das Bundesverkehrsministerium so etwas empfiehlt, dann ist ja auch klar, warum es bezüglich der Radverkehrsinfrastruktur in diesem Land nicht voran geht.
Toll ist auch der dritte Irrtum:
Zitat3. Irrtum:
Annahme: Benutzungspflichtige Radwege muss ich nur benutzen, wenn das zumutbar ist.
Richtig ist: Radwege können benutzt werden, müssen es aber nicht, wenn für sie nicht explizit per Verkehrszeichen die Benutzungspflicht angeordnet ist (z.B. blaue Ronde mit Radpiktogramm). Ohne Zeichen darf auch auf der Fahrbahn mit dem Rad gefahren werden - nach § 2 Absatz 2 StVOallerdings möglichst weit rechts. Wie weit an den Fahrbahnrand herangefahren werden muss, entscheidet die konkrete Örtlichkeit (z. B. Parkstreifen, Gullideckel etc.).
Anders verhält es sich, wenn eine Benutzungspflicht für Radwege mit einem Verkehrszeichen angeordnet ist (Zeichen 237, 240 oder 241). Mit der Anordnung einher geht für Radfahrer immer ein Fahrbahnbenutzungsverbot. Nur wenn der Radweg tatsächlich nicht befahrbar ist - z.B. wenn er zugeparkt oder von einer Eisschicht bedeckt ist -, muss er nicht benutzt werden. Das heißt aber nicht, dass dann selbstverständlich auf die Fahrbahn ausgewichen werden darf. Wenn es die Sicherheit erfordert, muss ggf. an dem Hindernis vorbei geschoben werden. Achtung: Beim Wechseln auf die Fahrbahn muss zunächst der Fahrbahnverkehr vorbeigelassen werden.
Das ist schon etwas kniffliger, weil ein blaues Verkehrszeichen im Gegensatz zu früheren Fassungen der Straßenverkehrs-Ordnung mittlerweile mit einem Fahrbahnverbot für den Radverkehr einhergeht. So ist’s halt die Frage, ob dieses Fahrbahnverbot auch gilt, wenn der Pflicht zur Nutzung des Radweges nicht nachgekommen werden kann, weil auf dem Radweg jemand parkt oder wie in Hamburg kein Winterdienst stattfindet. Im Anhang der Straßenverkehrs-Ordnung heißt es zu Zeichen 237:
ZitatDer Radverkehr darf nicht die Fahrbahn, sondern muss den Radweg benutzen (Radwegbenutzungspflicht).
Ich war auch eine zeitlang der Meinung, dass die Fahrbahn auf keinen Fall benutzt werden dürfe, andererseits halte ich es für ebenso plausibel, dass das Fahrbahnverbot nur gilt, wenn der Radweg überhaupt befahren werden kann. Meine frühere Meinung sowie die Meinung des Bundesverkehrsministeriums scheint jedenfalls momentan nicht mehr angesagt zu sein.