Im Netz und insbesondere hinter dem Lenkrad gibt es ja offenkundig immer wieder Probleme wenn im Bereich einer Kreuzung eine Fahrradfurt neben einem Fußgängerüberweg verläuft. Dank der hartnäckigen Aufklärungsarbeit des Automobil Club Europa ist mittlerweile offenbar jeder Kraftfahrer davon überzeugt, dass Radfahrer an Fußgängerüberwegen absteigen müssen — dumm nur, wenn man nicht unterscheidet, ob ein Radfahrer eine Fahrbahn über einen Fußgängerüberweg überquert, wo er ja keine zusätzlichen Vorfahrtsrechte genießt, oder ob er nebenan über eine Fahrradfurt rollt und ohnehin kraft § 8 StVO oder § 9 Abs. 3 StVO bevorrechtigt ist.
Das führt mittlerweile leider auch hin und wieder zu blöden Situationen, in denen dann am Lenkrad direkt auf den offenbar renitenten Radfahrer draufgehalten wird. Ich war heute am frühen Abend Zeuge einer vorsätzlich herbeigeführten Gefahrensituation, bei der nach meiner Auffassung dieses Missverständnis eine Rolle spielte.
Die Kreuzung Kiwittsmoor–Fibigerstraße befindet sich in einer Tempo-30-Zone, es gilt dort rechts vor links. Ein Kraftfahrer kam vom Kiwittsmoor und wollte nach rechts in die Fibigerstraße abbiegen, nebenan auf dem unbeschilderten Radweg war ein Radfahrer zugange. Es war absehbar, dass sich beide im Kreuzungsbereich träfen, aber anstatt den Radling hindurchfahren zu lassen, drückte der Kraftfahrer auf die Hupe und fuhr ihn beinahe über den Haufen — zum Glück konnte der Radfahrer noch rechtzeitig bremsen, auf Rettungswagen und den ganzen Kram habe ich momentan nicht so viel Lust. Zum Abschied brüllte der Kraftfahrer noch etwas durchs hastig geöffnete Fenster — mutmaßlich wollte er darauf hinweisen, dass er dem Glauben verfallen war, der Radfahrer müsse an dieser Stelle absteigen. Muss er aber natürlich nicht, der Radfahrer hätte sogar kraft § 9 Abs. 3 StVO Vorfahrt gehabt. Und das richtig lustige ist dann ja, dass man auch von links kommend einen Radfahrer „über den Zebrastreifen“ rollen lassen muss, weil der Radweg nunmal an der Vorfahrtsregelung der Kreuzung teilnimmt und rechts vor links demnach auch auf dem Radweg gilt. Nur kapiert das am Lenkrad natürlich kein Mensch — und ich würde als Radfahrer dort auch auf keinen Fall ausprobieren wollen, ob man mir meine Vorfahrt zugesteht.
Total gigantisch ist auch der Abzweig ins Klotzenmoor. Hier kann man wieder mit Blick in die Verwaltungsvorschriften überlegen, ob der doch recht weit von der Fahrbahn abgesetzte Radweg wohl noch an der Vorfahrt der Straße teilnimmt oder nicht. Eigentlich gilt aber dennoch § 9 Abs. 3 StVO: Man biegt ab, also lässt man Rad- und Fußlinge passieren. Damit an der Stelle stete Verwirrung herrscht, hat man sich überlegt, dass man die Vorrechte der Fußgänger noch mit einem Fußgängerüberweg hervorhebt, der an dieser Stelle aber eigentlich überflüssig ist. Für den Radverkehr hingegen hat es nur für ein Zeichen 205 gereicht — dumm nur, dass der Fahrbahnverkehr überhaupt nicht sehen kann, dass er an dieser Stelle eigentlich Vorrang hat. Dazu müsste er ja ein positives Vorfahrtszeichen bekommen, was sich an dieser Stelle aber verbietet, da es im Umfeld eines Fußgängerüberweges vollkommen zu recht unzulässig ist. Kapiert natürlich auch wieder kein Mensch.
Total großartig ist auch der Bereich Oddernskamp–Gazellenkamp–Julius-Vosseler-Straße mit gleich fünf Fußgängerüberwegen und Fahrradfurten. Fangen wir mal an:
- Vom Oddernskamp nach Norden muss ich Fußgänger durchlassen, Radlinge nicht
- Gleiches gilt in Richtung Süden
- Wenn ich aber vom Oddernskamp nach rechts in den Gazellenkamp abbiege, muss ich wegen § 9 Abs. 3 StVO zusätzlich Radfahrer hindurchlassen
- Das gilt auch von Süden kommend
- Vom Gazellenkamp ausfahrend muss ich Radfahrer und Fußgänger hindurchlassen, Radfahrer nehmen per § 8 StVO an der Vorfahrt des Oddernskamp teil
- Wenn ich vom Gazellenkamp nach links abbiege, muss ich auch dort hinten wegen § 9 Abs. 3 StVO plötzlich Radfahrer durchlassen
- Und hier unten müssen Fußgänger und Radfahrer vorgelassen werden. Radfahrer sollen hier offenbar in beide Richtungen fahren, obwohl dazu die nötige Beschilderung fehlt — naja. Auch hier bin ich der Meinung, dass die Sache noch unter § 9 Abs. 3 StVO fiele, aber hier hat man netterweise mit Zeichen 205 und Zeichen 350 Klarheit geschaffen — sofern denn die Klarheit auch durch die Windschutzscheibe hindurch zu verstehen ist.
Aber Moment: Da fehlt ja noch ein Aspekt!
Auf dieser Aufnahme ist zu sehen, dass für Radfahrer von links und rechts noch eine Zwangsbeglückung mit kleinen Zeichen 205 erfolgt. Abbiegende Kraftfahrer müssen zwar eigentlich Radfahrer nach § 9 Abs. 3 StVO durchlassen, die Radfahrer dürfen aber eigentlich nicht fahren, weil sie ein Zeichen 205 haben.
Und dann wundert man sich, warum das alles nie so richtig funktioniert.
Kennt ihr noch mehr lustige Stellen?