Andreas-Gayk-Straße / Asmus-Bremer-Platz: § 10 StVO oder Fußgängerampel?

  • Mit den fortschreitenden Arbeiten am so genannten Kleinen-Kiel-Kanal gibt es auf der Andreas-Gayk-Straße nunmehr einen Radfahrstreifen parallel zum aufgelassenen Hochbordradweg:

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    Solange die neue Straße parallel zum Kleinen-Kiel-Kanal noch nicht freigegeben ist, rollt der Radverkehr grundsätzlich ein kleines Stück durch die Fußgängerzone am Asmus-Bremer-Platz — wo man als vernunftbegabter Verkehrsteilnehmer zwischen 10 und 19 Uhr selbstverständlich schiebt — und purzelt man mit dem Rad hier wieder an der Andreas-Gayk-Straße hinaus:

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    Nun ist die bange Frage: Wie geht’s weiter?

    Auf dem alten Hochbordradweg kommt man nicht weit, das ist also nicht Sinn der Sache.

    Meines Erachtens gilt hier § 10 StVO, weil ich eine Fußgängerzone verlasse und ich unterstelle der Einfachheit halber, dass der Paragrpah auch einschlägig ist, wenn ich mein Rad durch die Fußgängerzone schiebe und in dem Bereich zwischen Fußgängerzone und Fahrbahnrand auf dem Gehweg wieder aufsattle und über den abgesenkten Bordstein einfahre.

    Die Polizei, die hier in den letzten Wochen mehrfach kontrolliert hat, ist aber offenbar der Meinung, dass beim Einfahren auf der gesamten Breite dieser T-Kreuzung der Signalgeber für Fußgänger auf der anderen Straßenseite einschlägig wäre. Ich habe diese Information leider nur aus dritter Hand, weiß also nicht, ob dort tatsächlich punktbewehrte Bußgelder mit irgendeinem Tatbestand verteilt wurden oder nur kostengünstige Ratschläge, aber offenbar wurde die Meinung vertreten, dass im Zweifelsfall in die Kreuzung einfahrende Radfahrer einen Rotlichtverstoß begehen, sobald am Horizont irgendwas rot leuchtet.

    Ich wundere mich, ob die vielen Kraftfahrer, die zum „nur ganz kurz“-Parken in die Fußgängerzone ein- und ausfahren, wohl auch die rote Fußgängerampel beachten müssen oder ob das wieder nur so ein Kampfradler-Ding ist, das man gerne Radfahrern anhängen möchte:

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    Ich meine, dass es sich hier doch relativ eindeutig um § 10 StVO handelt oder sehe ich das falsch?

  • Es wäre doch nur das übliche: Polizisten, welche die für Radfahrer einschlägigen Vorschriften nicht kennen.

    Natürlich gilt da §10 StVO und §37 (2) Nr. 6, der ja sagt, daß die Lichtzeichen für den Fußverkehr für Radfahrer unbeachtlich sind. Was also soll da unklar sein, abgesehen vom Ausmaß der Bildungslücken der beteiligten Beamten natürlich? Wahrscheinlich haben die einfach die rechtlichen Grundlagen ihrer Windschutzscheibenperspektivenausbildung aus der Nachkriegszeit nie wieder hinterfragt. Es ist ja eigentlich auch Sache des Arbeitgebers, die Aufklärung über wesentliche Änderungen der Rechtsgrundlagen des Verkehrsbeamtendienstes mal anzuschieben.

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    Peter Viehrig

    "Glaube ist die Überzeugung, dass etwas wahr ist, weil die Belege zeigen, dass es falsch ist."
    (Andreas Müller)

    Einmal editiert, zuletzt von Peter Viehrig (14. Juli 2020 um 18:35) aus folgendem Grund: Link eingefügt.

  • Wahrscheinlich haben die einfach die rechtlichen Grundlagen ihrer Windschutzscheibenperspektivenausbildung aus der Nachkriegszeit nie wieder hinterfragt. Es ist ja eigentlich auch Sache des Arbeitgebers, die Aufklärung über wesentliche Änderungen der Rechtsgrundlagen des Verkehrsbeamtendienstes mal anzuschieben.

    Tja — meine Frau wurde mit Inline-Skates auf der Veloroute 10 aufgegriffen, mindestens eine Handvoll Radfahrer aus meinem Umfeld wurden beim Radfahren neben Radwegen ohne Benutzungspflicht verwarnt. Insofern: Ja, bei diesen Kontrollaktionswochen der Kieler Polizei mangelt es wohl tatsächlich ein bisschen an der notwendigen Regelkenntnis.

  • Hast du für solche Fälle keine Visitenkarten für https://radverkehrspolitik.de/ dabei?

    Ich führe tatsächlich meistens zumindest den §2 StVO in ausgedruckter Form in der Gepäcktasche des Alltagsrades mit, um das den Leuten erforderlichenfalls in die Hand drücken zu können. Bevor sie das nicht gelesen haben, bin ich zu keiner Diskussion bereit, auf welchen "Radwegen" ich ihrer Meinung nach zu fahren hätte.

    Deine Frage hat mich aber auch schon beschäftigt, da ich regelmäßig von einem eigenständig geführten Weg genau an der Stelle in eine Straße einbiege und auf die Fahrbahn einfahre, wo ebenfalls eine Fußgängerampel steht, die natürlich immer rot ist. Dort gibt es sogar eine kombinierte Streuscheibe, so dass die grundsätzlich auch für Radfahrer gilt. Allerdings darf man auf der anderen Straßenseite gar nicht mit dem Fahrrad fahren, weil da nur ein Gehweg ist. Außerdem möchte ich ja nicht die Fahrbahn überqueren, sondern auf die Fahrbahn einfahren und dabei betrachte ich ausschließlich den §10 als relevant.

    In deinem Fall könntest du natürlich das Fahrrad auch 1m neben die Ampel schieben und dort vom Fahrbahnrand aus unter Beachtung des §10 anfahren. Was auch problematisch wäre: Angenommen, du stellst bei Fußgänger-grün das Fahrrad in der beabsichtigten Fahrtrichtung an den Fahrbahnrand. Dann müsstest du ja warten, bis die Fahrbahnampel grün wird, um losfahren zu dürfen, oder? Ansonsten hättest du nach Interpretation der Kieler Polizei sicherlich den nächsten Rotlichtverstoß begangen.

  • Allerdings darf man auf der anderen Straßenseite gar nicht mit dem Fahrrad fahren, weil da nur ein Gehweg ist. Außerdem möchte ich ja nicht die Fahrbahn überqueren, sondern auf die Fahrbahn einfahren und dabei betrachte ich ausschließlich den §10 als relevant.

    Das halte ich für rechtlich dünnes Eis. Die "besonderen Lichtzeichen für den Radverkehr" gelten, sofern diesen keine anderen "besonderen Lichtzeichen für den Radverkehr" widersprechen (etwa gesondertes Lichtzeichen für Links- oder Rechtsabbieger) auch für Ab- und Einbieger auf dem Fahrrad. Wenn da schon extra die Streuscheibe getauscht wurde, würde ich sie auch beachten.

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    Peter Viehrig

    "Glaube ist die Überzeugung, dass etwas wahr ist, weil die Belege zeigen, dass es falsch ist."
    (Andreas Müller)

  • Ich glaube nicht, dass dafür extra die Streuscheibe getauscht wurde. So weit denken die hier gar nicht. Aber gut, im Zweifelsfall kann man sich darauf auch nicht berufen.

  • Nun ja — die Kontrollen der Polizei zeigen Wirkung. Wo in den letzten Wochen noch einige Radfahrer mit einem angeblichen Rotlichtverstoß nach rechts in die Andreas-Gayk-Straße einfuhren, warten mittlerweile so gut wie alle Radlinge brav vor der roten Fußgängerampel:

    Die hilft allerdings weder zum Rechtsabbiegen noch zum Geradeausfahren in die Kaistraße, weil in allen Fällen ausschließlich § 10 StVO gilt, also der entgegenkommende linksabbiegende Fahrbahnverkehr mit § 9 StVO zuerst fährt.

  • Nun ja — die Kontrollen der Polizei zeigen Wirkung. Wo in den letzten Wochen noch einige Radfahrer mit einem angeblichen Rotlichtverstoß nach rechts in die Andreas-Gayk-Straße einfuhren, warten mittlerweile so gut wie alle Radlinge brav vor der roten Fußgängerampel:


    Die hilft allerdings weder zum Rechtsabbiegen noch zum Geradeausfahren in die Kaistraße, weil in allen Fällen ausschließlich § 10 StVO gilt, also der entgegenkommende linksabbiegende Fahrbahnverkehr mit § 9 StVO zuerst fährt.

    Weiß das die kontrollierende Polizei? Weiß das die örtliche Presse?

  • Weiß das die kontrollierende Polizei? Weiß das die örtliche Presse?

    Die örtliche Presse ist hier wie in Hamburg nach meiner Einschätzung eher an Schlagzeilen interessiert von wegen „Dutzende Kampfradler missachten rote Ampeln“ als dass man sich gegenüber der Leserschaft sinnvoll mit den Feinheiten der Straßenverkehrs-Ordnung auseinandersetzt. Wenn schon die Polizei nicht in der Lage ist, die einzelnen Paragraphen aus der Straßenverkehrs-Ordnung mit einer vor Ort gegebenen Situation in Einklang zu bringen, dann brauche ich das von den so genannten Qualitätsmedien erst recht nicht erwarten.

  • Tja, das ist wieder ein Fall für das berühmte Traktat von Bertolt Brecht über Herrn Keuner und die Zeitungen:

    Herr Keuner begegnete Herrn Wirr, dem Kämpfer gegen die Zeitungen. „Ich bin ein großer Gegner der Zeitungen“, sagte Herr Wirr, „ich will keine Zeitungen.“ Herr Keuner sagte: „Ich bin ein größerer Gegner der Zeitungen: ich will andere Zeitungen.“

  • Die Polizei hat wieder eines ihrer lustigen Videos zum Thema Verkehrsregeln für Radfahrer veröffentlicht. Dieses Mal ging es um Rotlichtverstöße und ich hänge mich da bei der Gelegenheit gleich mal an:

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    Dieses artige Warten habe ich gestern auch noch an der Ausfahrt vom Parkplatz des Kieler Rathauses beobachtet. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass früher Radfahrer und Kraftfahrer artig vor der roten Fußgängerampel gewartet haben, das ist ein neues Verhalten, dass sich erst in den letzten paar Wochen etabliert hat. Andererseits ist es ja offenbar nicht zutreffend, dass die Polizei hier geldeintreibend tätig geworden ist — auf die Idee sind die Verkehrsteilnehmer anscheinend selbst gekommen.

    Ich glaube aber auch nicht, dass die wartenden Verkehrsteilnehmer nicht auf die grüne Fußgängerampel, sondern auf das rote Licht des Querverkehrs warten. Klar, eine Reihe von Verkehrsteilnehmern, beispielsweise Eltern mit Kind, ältere oder jüngere Radfahrer, die orientieren sich sicherlich an der Fußgängerampel, weil man sich dann nicht mit dem Querverkehr herumschlagen muss (naja, als ob jene Klientel wüsste, welches Licht für Radfahrer gilt). Aber wenigstens die bekannten Schnellfahrer, die sich auch sonst nicht unbedingt um die Verkehrsregeln kümmern, warten doch nicht plötzlich auf das rote Licht des Querverkehrs, anstatt einfach bei der nächstgrößeren Lücke loszufahren.

  • Die Polizei ist auch für § 10 StVO an der oben bemängelten Stelle.

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    Leider ist der Kontakt zu denjenigen abgebrochen, die behauptet hatten, hier bei Rotlichtverstößen ertappt worden zu sein. Ich habe aber ohnehin den Verdacht, dass es sich um eine andere Kreuzung handelte.

    Grundsätzlich halte ich es aber nach wie vor für unglücklich, auf Wegen, die besonders häufig über mehrere Jahre aufgrund einer Umleitung von Radfahrern frequentiert werden, solche Kreuzungen zu installieren. Andererseits ist diese Kreuzung ja auch in der anderen Fahrbeziehung eher größerer Murks.