Nein, das Erstarken von Faschismus und Diktatur befürchte ich nun auch nicht direkt. Ich befürchte eher, dass Werkzeuge wie die Handy-Ortung, die ja im Eilverfahren implementiert werden soll, wieder die üblichen Begehrlichkeiten wecken und schließlich aus dem Kontext des Infektionsschutzgesetzes herausgelöst werden.
Ja, da stimme ich dir zu, das ist aber generell ein Problem in Deutschland, wie du ja auch sagtest. Aktuell in der Corona-Situation habe ich da allerdings erfreulich wenig von den üblichen Verdächtigen wahrgenommen. Nebenher wurde ja auch die Kriminalitätsstatistik mit sinkenden Fallzahlen verlautbart, also auch kein guter Grund, nochmal nachzulegen. Ich vermute, die Innenminister warten jetzt erstmal ab bzw. sind selbst mit der Umsetzung bzw. dem Nachholen von Pandemieplänen vollkommen ausgelastet.
Spahn hat die Handyortungsidee ja nach Protest zurückgezogen (zu Recht). Ich vermute, er will von seinem Versagen beim Beschaffen und Vorhalten der Schutzausrüstung für die Krankenhäuser ablenken und halt irgendwas sinnvolles tun. Und das mit der Ortung haben China und Südkorea getan und es ist ja unbestreitbar sinnvoll. Und ich denke, es wäre auch problemlos grundrechtsschonend umsetzbar, wenn man es richtig aufbaut.
Es geht darum ja grundsätzlich um zwei Dinge: Kontrolle/Einschränkung der Freizügigkeit für Quarantänegebiete bzw. Menschen in Quarantäne; sowie die sofortige Nachvollziehbarkeit der vorherigen Bewegungen und Kontakte eines als Infiziert erkannten Menschen, um die Kette aufzuspüren, zu informieren und zu quarantänisieren bzw. natürlich auch zu behandeln in den schweren Fällen. Im ersten Fall muss man nicht wissen, wer wo gewesen ist, es reicht festzulegen, ob eine Person eine Zone verlassen oder betreten darf aufgrund ihrer vorherigen Position und/oder ihres Ziels. Im zweiten Fall muss man nicht wissen, wer wo war, sondern nur eine Liste von Kontaktpersonen bekommen. Man könnte das ganze auch dezentral organisieren bzw. speichern und im Fall des Falles die Kontaktkette Stück für Stück unter freiwilliger Mitwirkung der jeweilig betroffenen Personen informieren bzw. nachverfolgen. Es kommt immer auf die Umsetzung an. Sicherlich würde sich auch anbieten, das ganze Open Source zu machen und von fähigen Leuten umsetzen zu lassen, nicht als Auftragsarbeit an die nächstbeste Klitsche auszulagern.
Das wir dann doppelt so viele Tote hätten ist völlig übertrieben. Viele von den Toten kommen doch gerade aus den Gruppen mit geschwächten Immunsystem, also den Alkoholsüchtigen, Herz-Kreislauf- oder Krebspatienten.
Deswegen "grobst vereinfacht". Es ist nahezu unmöglich zu sagen, so und so viele der Gestorbenen hätten noch X Jahre oder Monate vor sich gehabt. Ich habe es auf den verlinkten Artikel bezogen, wo für zwei Dörfer sogar mehr als viermal so viele Leute gestorben sind wie im Vergleichszeitraum der Vorjahre. Aus der dort errechneten Zahl von 1% der Erkrankten habe ich das dann für 60-100% der deutschen Bevölkerung (im Extremfall) gerechnet und dann mit den "normalen" aktuellen Todeszahlen verglichen, um eine grobe Einordnung zu ermöglichen. Es geht nicht darum, ob jetzt 500.000 oder 800.000 oder 100.000 Leute zusätzlich sterben, sondern darum, dass es eben nicht 3.000 oder 10.000 sein werden, sondern viel viel mehr, und dass das für ein Land wie unseres keine akzeptable Option sein kann und darf.
Übrigens würden dann neben den eigentlichen "Risikopatienten" (doofes Wort, denn darunter fällt der 20-jährige mit angeborenem Herzfehler, der sich erst mit 50 bemerkbar gemacht hätte genauso wie der Rentner mit 65, der mal eine Lungenentzündung beim Sport verschleppt hat, aber es klingt, als ginge es nur um 90-jährige schwerkranke Dialysepatienten mit Triple-Bypass) ja zusätzlich auch die sterben, die das Gesundheitssystem aufgrund von Überlastung nicht mehr aufnehmen kann, und die in den bisherigen Zahlen als "Schwerverletzte" oder "Schwerstverletzte" z. B. nach Unfällen im Krankenhaus wieder genesen würden.
Wir sind außerdem gerade erst am Anfang der Todesfälle. Zur Erinnerung:
Zitat
The Wang et al. February 7 study published on JAMA found that the median time from first symptom to dyspnea was 5.0 days, to hospital admission was 7.0 days, and to ARDS was 8.0 days. Previously. the China National Health Commission reported the details of the first 17 deaths up to 24 pm 22 Jan 2020. A study of these cases found that the median days from first symptom to death were 14 (range 6-41) days, and tended to be shorter among people of 70 year old or above (11.5 [range 6-19] days) than those with ages below 70 year old (20 [range 10-41] days.
Wenn wir vereinfacht davon ausgehen, dass sich die Leute erst mit Symptomen haben testen lassen (anders bekam man in Deutschland bisher die Tests im Regelfall gar nicht), können wir die Inkubationszeit ohne Symptome ignorieren. Alte Leute haben sich also im Schnitt am 18. März testen lassen, junge Leute am 9. März, wenn sie heute gestorben wären. Zu diesen Zeitpunkten hatten wir ca. 12.000 bzw. 1.200 erkannte Infizierte in ganz Deutschland. Umgekehrt hatten wir die ersten Todesfälle ab dem 9. März, und die ersten großflächigen Infizierten außerhalb des abgeschlossenen Webasto-Clusters vom Januar ab dem 26. Februar - ziemlich genau 13 Tage Unterschied, und die ersten Toten waren aus dieser Risikogruppe der alten bzw. geschwächten Personen.
Es ist noch nicht wirklich klar, wieviele es wirklich werden und wieviele davon eigentlich gesunde junge Leute sein werden, weil die im Schnitt auch bei schweren Verläufen länger durchhalten. In Italien, Spanien und Frankreich sind solche Fälle ja schon aufgetaucht, bei uns werden sie noch kommen. Dass aktuell erst die alten und schwachen sterben, sollte uns nicht in falscher Sicherheit wiegen, sie sind nur Vorboten für den Rest.