Dann versuchen wir es man abstrakt: Wir haben 2 potentiell tödliche Problem, A und B. A tritt in der Regel zusammen mit B auf, ist aber leichter erkennbar. A fordert jährlich 30 bis 40 Totesopfer, B fordert jährlich 100 bis 150 Todesopfer. Welches Problem sollte zuerst gelöst werden? Und was erschwert es?
Ich versteh deine Argumentation, muss aber trotzdem konkret bleiben und einwenden:
- Die Summe *aller* bei Kollisionen mit PKW in Deutschland getöteten Radfahrer beträgt im Mittel in den letzten 5 Jahren 145 p.a.
- Davon fallen lediglich 70 innerhalb von "Städten" (also Orten mit >5.000 Einwohnern) Kollisionen mit PKW zum Opfer
- Von diesen 70 Zusammenstößen wird ungefähr die Hälfte durch grobe Fahrfehler der Radfahrer verursacht, indem sie den Vorrang des fließenden Verkehrs bei Fahrbahnüberquerungen nicht ausreichend beachten oder Vorfahrtfehler (Rotlichverstoß, Z.205 bzw. rechts-vor-links nicht beachtet) begehen.
- Auch unter den verbleibenden 35 Unfällen (u.a. durch Fehler beim Linksabbiegen, Einfahren in die Fahrbahn) gibt es weitere Fälle von Hauptschuld beim Radfahrer.
- Von den Fällen, bei denen überhaupt eine Schuld des KFZ-Führers in Frage kommt, werden jedenfalls nur 3 p.a. durch rechtsabbiegende PKW verursacht.
IMO muss die Autoindustrie gar nicht groß daran arbeiten, die Unfallgefahr durch PKW zu relativieren. Sie ist objektiv gesehen relativ klein.
Selbstverständlich sind die Getöteten immer nur die Spitze eines Eisberges, und die Betrachtung des Gesamtunfallgeschehens führt zu wesentlich beeindruckenderen Fallzahlen. Allerdings ist das eigentümliche bei Eisbergen, dass große Eisbergspitzen große Sockel besitzen, und kleine Eisberge auch nur kleine Sockel unter der Wasseroberfläche aufweisen...
Disclaimer: dass der Schuldanteil der Radler (gerade bei den besonders schweren Unfällen) recht hoch liegt, bedeutet nicht, dass man nicht an einer signifikanten Entschleunigung des KFZ-Verkehrs zu arbeiten bräuchte. Langsamere KFZ bedeuten ja nicht nur weniger Radunfälle mit Autofahrerschuld, sondern allgemein weniger Unfälle - also auch bei Fremdverschulden, und das auch und gerade mit nicht-radelnden Verkehrsteilnehmern.