Beiträge von Th(oma)s

    Punkt 6 ist nach nun 20 Jahren leider bei vielen Verkehrsteilnehmern [...] immer noch nicht angekommen, daher plädiere ich für regelmäßige Überprüfung der StVO-Kenntnisse

    Wer die StVO kennt und die Regeln schätzt, der muss sich auch der Tatsache bewusst sein, dass Maßregelungsnötigungen streng verboten sind. Wer maßregelt, der zeigt damit, dass ihm andererseits die Regeln eh am Allerwertesten vorbei gehen. Der will einfach nur pöbeln.

    Will sagen 1: die Ursache für das vermeintliche "Nicht Ankommen" der neuen Regelung ist nicht Unkenntnis, sondern bewusste Ignoranz (volkstümlich: Bockigkeit; vornehmer: Passiver Widerstand gegen eine ungeliebte Vorschrift). Will sagen 2: dagegen helfen auch keine Aufklärung oder Kenntnis-Nachweise.

    Seit 2011 sind 21 Radfahrer in Hamburg tödlich verunglückt, davon waren 17 im Fitnessstudio/auf der Straße/Radfahrstreifen unterwegs.

    Ich habe in meiner Datenbank seit Anfang 2013 insgesamt 23 Todesfälle auf Hamburger Stadtgebiet. Entscheidend in diesem Zusammenhang ist, dass nicht ein einziger davon dem radweg-relevanten Angstszenario "Zusammenstoß im Längsverkehr zwischen Radfahrer und schnellem überholenden KFZ" entsprach - weder auf der Fahrbahn, noch mit auf dem Asphalt markierten Streifen-Führungen auf Fahrbahnniveau. Das waren Abbiegekonflikte (Rechtsabbieger mit Radwegradler im Tödlichen WInkel bzw. Linksabbieger mit Gegenverkehr), Vorfahrtnahmen, Fahrbahnüberquerungen vom/zum Radweg, zwei Alleinunfälle, sowie zwei Freak-Accidents (britischer Tourist radelt am Fähranleger ins Hafenbecken, Seniorin wird auf Gehweg von einem beim Verladen umstürzenden Bagger erschlagen).

    "Fahrradhelme haben etwas dialektisches -
    Sie sollen ihren Träger vor einem schweren Hirnschaden bewahren, man sieht aber damit aus, als hätte man schon einen."

    Von J.v.d.Lippe

    Dieser Satz fasst m.E. sehr treffend zusammen, warum auch Radler, die selbst nie Auto fahren und daher keine billige Verantwortungs-Umkehr anstreben können, oftmals wollen, dass das Helmtragen keine Privatsache bleiben darf: wenn jeder andere sich auch als Narr verkleiden muss, dann fällt der Einzelne nicht mehr gar so schräg aus dem Rahmen.

    [Fast 10.000 Menschen jährlich im Haushalt]

    verunglücken tödlich. Die Zahl hat mich nun doch etwas überrascht.

    Woher die Aussage "Haushalt" stammt, weiß ich nicht. Die jährliche Publikation der amtlich festgestellten Todesursachen (destatis, Fachserie 12, Reihe 4) weist für 2015 außer den sog. "Transportmittelunfällen" noch insgesamt 12.868 Verstorbene durch "Stürze" aus, von denen 4.823 durch Kopfverletzungen starben (darunter 826 durch Kopfverletzungen auf Treppen oder Stufen). Ein nennenswerter Teil dieser Stürze dürfte im öffentlichen Verkehrsraum geschehen sein, wird aber aufgrund gesetzlicher Vorgaben (im Gegensatz zu alleinbeteiligt gestürzten Radfahrern) nicht als "Verkehrsunfall" erfasst. Als Verkehrsopfer zählt ein gestürzter Fußgänger erst dann, wenn ein weiteres Fahrzeug am Unfall beteiligt war. Infolgedessen ist die Verkehrsunfallstatistik mit "nur" 172 kopf-toten Fußgängern sehr stark zu Lasten des Radverkehrs verzerrt.
    Interessant ist auch, dass die amtliche Todesursachenstatistik ausweist, dass in 2015 mit 195 Kraftradfahrern ungefähr genau soviele an Kopfverletzungen verstarben wie Radfahrer (203). Und das trotz 99 % Vollvisierhelm-Quote und mit nur knapp 1/3 der Kilometerleistung des Radverkehrs...

    Warum also findet man in den einschlägigen Medien nicht mindestens ebenso viele Empfehlungen, bei der Hausarbeit einen Helm aufzusetzen, wie beim Rad fahren?

    Die Antwort ist einfach: beim öffentlichen Diskurs über den Helm geht es um die Abweisung von Verantwortung seitens der Kraftfahrerschaft. Und zwar geht es da gar nicht so sehr um die Linderung von irgendwelchen abstrakt drohenden Unfallfolgen, sondern vor allem um die innere Einstellung, mit der man sich konkret Tag für Tag erneut auf den Konflikt um den knappen Platz auf der Straße einlässt.

    Der Radfahrer ist das Memento Mori (besser: Memento Lethali), das dem Kraftfahrer immer wieder bewusst macht, dass die Art und Weise, mit der er seine Wege abwickelt, eine enorme Zumutung für die Allgemeinheit darstellt. Der Juckreiz, den dieser Stachel verursacht, will halt gekratzt werden, und der Ruf nach dem Helm ist da als Ablenkung genau so willkommen wie das ständige Lamento über echte und vermeintliche Radl-Rambos.

    Und ich finde, dass das sehr wünschenswert ist, wenn mehr Leute Fahrrad fahren. [...] Bei vielen von euch lese ich dagegen raus, dass ihr lieber "unter euch" bleiben wollt, zusammen mit dem MIV auf der Fahrbahn

    Mir ist es schlicht egal, ob andere Leute radeln, oder ob sie zu Fuß, mit Bahn, Bus oder Auto unterwegs sind. Ich habe nur was dagegen, wenn sich die Fußkranken bei der radelnden bzw. laufenden Normalbevölkerung dafür bedanken, dass die Gesellschaft ihre Inklusion mit der Zulassung von Kraftverkehr ermöglicht, indem sie der Normalbevölkerung über die Füße fahren.

    Was bringen dann breitere Radwege?

    In erster Linie mehr Schönwetter-Radler. Die als Backup für das Winterhalbjahr oder Tage mit unsicherem Wetter (also >300 Tage/a :D ) bereitzuhaltende teure Infrastruktur für den MIV (und auch den ÖPV...) bleibt 1:1 auf dem Level wie sie ohne diese Pseudo-Umsteiger ist. Und solange dieser Bedarf auf die bisherige Weise gedeckt wird, wird sich weder der Autobesitz noch die Siedlungsstruktur so grundlegend verändern, wie das für eine signifikante Verlagerung der Verkehrsleistung vom MIV (!) auf den Radverkehr erforderlich ist.

    Wie hoch ist denn der Anteil des Radverkehrs am Modal Split in Frankfurt?

    Laut EPOMM betrug der Modal Split in 2008 11 %. Sollte sich das wirklich jüngst verdoppelt haben?

    Interessant ist, dass der Anteil des MIV mit 38 % auf Augenhöhe mit so bekannten Fahrradhochburgen wie Münster (36%) oder Amsterdam (38%) liegt.

    Auch interessant weil ungewöhnlich für eine Stadt dieser Größenordnung ist, dass seit Januar 2013 überhaupt nur zwei Radfahrer durch Zusammenstöße mit KFZ zu Tode kamen. Es gab insbesondere keine tödlichen Unfälle im Zusammenhang mit fehlender Infrastruktur.

    Wenn ich es schaffe, auf einem 1,60 m breiten Radfahrstreifen zu überholen, geht das auch auf einem zwei Meter breiten Radweg. Normale Räder sind ja nicht breiter als 80 cm denke ich

    Auf 1,6 m die Krise kriegen, wenn *außerhalb* davon ein Auto vorbeizieht, aber selbst innerhalb dieser Fläche noch vermeintlich verkehrssicher überholen - es ist immer wieder faszinierend, wie schizophren wir die selbstverursachten und die fremdverschuldeten Risiken beurteilen.
    Diese modifizierte ERA-Grafik zeigt, was passiert, wenn die beiden Radfahrer während des Überholvorgangs nur um 15 cm von ihrer mittleren Fahrlinie (graue Silhouetten) aufeinander zu pendeln.

    Dichter dran (bei 50 km/h oder mehr) empfinden viele halt als unangenehm und unsicher. Das kann man m. E. auch nicht wegdiskutieren.

    Doch, kann man. Ich störe mich an der Floskel "Unangenehm *und* unsicher". Als ob das quasi immer nur und notwendigerweise zusammen zuträfe. Ich muss sagen, dass ich mich in einer ansonsten leeren U-Bahn allein mit einem Junkie wesentlich unsicherer fühle, als wenn ich den Waggon mit dem Junkie und siebzig anderen Leuten auf Tuchfühlung teilen muss. Genau so geht es mir auf der Fahrbahn auch.

    Der typische Überholunfall hat keine Zeugen.

    Meiner Meinung nach ist es nicht nur PR, die ein Unsicherheitsgefühl hervorruft, wenn ein 40-Tonner/ein Bus/ein SUV einen Meter links neben mir langfährt und rechts sich jederzeit eine Autotür öffnen kann. Auf der Fahrbahn braucht man einen Sicherheitsabstand zu den fahrenden Autos und zu den parkenden (jeweils etwa 1,5 m, Überholabstand sogar eigentlich noch mehr).

    Jetzt machst Du selbst negative Fahrbahn-PR und betätigst Dich mit dem "unter 1,5 m Abstand akute Lebensgefahr!" als öffentlicher Multiplikator der Fahrbahnphobie.

    Wofür könnte man innerorts 1,5 m Überholabstand brauchen? Abrupte Schlenker mit einer derart großen Amplitude sind bei einem rollenden Zweirad (und erst recht bei einem mehrspurigen KFZ) aus physikalischen Gründen völlig unmöglich, und beim Fahren kannst Du aus physikalischen Gründen auch nicht mal eben mit dem Rad zwischen den Beinen gestreckt auf die linke Schulter kippen. Für alles Andere hat man eine Bremse.

    Zum anderen die subjektive oder gefühlte Sicherheit. Die darf man m. E. auf gar keinen Fall außer Acht lassen. Denn wer sich nicht sicher fühlt, fährt kein Rad.

    Wie kriegt man Kinder zuverlässig dazu, sich vor dem Gang in den dunklen Keller zu fürchten? Man fragt sie ständig: "Sag mal, wenn Du in den Keller musst, hast Du denn da gar keine Angst, dass Dich der Schwarze Mann holen will?"

    Die gefühlte (Un-)Sicherheit ist im Wesentlichen das Produkt negativer Fahrbahn-PR. Negative Fahrbahn-PR ist es aber eben auch, wenn "Radverkehrsförderer" ständig abfragen "Fühlen Sie sich nicht auch immer total gefährdet, wenn Sie ohne bauliche Barriere überholt werden?"

    ADFC und Co sollten aufhören, jeden Überholvorgang ziwschen KFZ und Fahrrad ohne bauliche Barriere gleich als Nahtoderfahrung zu verkaufen - dann stimmt eines Tages auch wieder die Kongruenz zwischen Sicherheitsgefühl und objektiver Sicherheit.

    Das Radfahrstreifen benutzungspflichtig sind liegt auch daran, das sie ohne Beschilderung, die es ja nur in einer Variante mit Benutzungspflicht gibt , nicht von Seitenstreifen zu unterscheiden sind.

    Wenn Du das hier ( ) für einen Seitenstreifen hälst, dann wird dir auch ein Z.237 keine Erleuchtung bringen. Glaub mir, die Autofahrer auf dieser Strecke wissen offensichtlich sehr wohl, dass das kein Seitenstreifen ist. :whistling:

    Im Ernst: welche Seitenstreifen werden
    -mit Breitstrich abgetrennt
    -mit Fahrradpiktogrammen versehen
    -rot eingefärbt
    -und an Kreuzungen mit einer markierten Furt fortgesetzt?

    Umgekehrt gilt auch: auf welche benutzungspflichtigen Radfahrstreifen trifft zu, dass sie außer der Blechtafel *nicht* mindestens zwei der vier folgenden Merkmale erfüllen:
    -mit Piktogrammen versehen
    -an Querstraßen weder baulich noch durch eine fehlende Furtmarkierung oder eine markierte Sperrfläche beendet
    -mit Breitstrich markiert
    -(rot) eingefärbt?

    Es gibt Stimmen, die das Gegenteil behaupten: Bei geringen Geschwindigkeiten hilft der Helm etwas, bei höheren Geschwindigkeiten zerbricht der so schnell, dass es kaum eine Schutzwirkung mehr gibt.Keine Ahnung, was tatsächlich stimmt.

    Der Zusammenhang zwischen Tempo und Risiko dürfte wohl weniger in der Gefahr des erhöhten Schadpotentials, als vor allem in der erhöhten Wahrscheinlichkeit des Unfalleintretens liegen. Größere Geschwindigkeit verkürzt die Reaktionszeit aller Beteiligten, zudem sind im Rennsport gleichzeitig auch dichtestes Auf- und Nebeneinanderfahren Teil des üblichen windschatten-suchenden Fahrstils.

    Bislang war allerdings eigentlich Konsens, dass Helme vor allem bei den leichteren Stürzen helfen (Umfallen aus dem Stand...), und dass sie bei schweren Unfällen (Seitlicher Aufprall eines KFZ mit üblichen Fahrgeschwindigkeiten, LKW-Abbiegerunfall) eher nutzlos sind. Überraschenderweise kam vor kurzem eine Metastudie im Auftrag der helmpflicht-freundlichen Landesregierung von Baden-Würtemberg zu der gegenteiligen Erkenntnis. Demzufolge hat der Helm bis zu einer maximalen AIS-Schwere von 2 nur einen eher marginalen Effekt, während gerade bei den lebensgefährlichen Stufen AIS 3-5 der Schutzeffekt mit wachsender Schwere zunimmt!

    Ich halte diesen Befund für physikalisch völlig unglaubwürdig. Bei den schweren Impact-Graden waren außerdem die Fallzahlen in jeder mir bekannten Case-Control-Helmstudie *viel* zu gering, um für eine verlässliche Signifikanzaussage der statistischen Befunde zu taugen. An der fehlenden Signifikanz bei den schweren Schäden ändert sich auch nichts, wenn man zehn oder zwanzig Studien mit jeweils vollkommen unterschiedlichen Stichproben mischt. Zehnmal Bullshit bleibt immer noch Bullshit.

    Grundsätzlich ist Radeln für den Kopf aber so ungefährlich, dass ein besonderer Schutz dabei sowieso nicht erforderlich ist. Es gibt zwar unstreitig eine große Zahl an Kopfverletzungen beim Radeln, aber Radfahren ist nun mal auch eine Tätigkeit, die tagtäglich in Deutschland während kumuliert Zigtausenden von Mannjahren ausgeübt wird. Es ist völlig normal und akzeptabel, dass es dabei auch zu einer Handvoll schwerer Kopfverletzungen kommt.

    Hinzu kommt, dass die vermeintlich große spezifische Kopfgefährdung beim Radeln nur auf einer statistischen Laune beruht: das Verkehrsunfallstatistikgesetz bestimmt, dass Unfallverletzungen nur dann als Verkehrsunfallfolgen gezählt werden, wenn am Unfall ein Fahrzeug beteiligt gewesen ist. Damit liegen all die vielen schweren Kopfverletzungen, die Fußgängern da draußen tagtäglich bei Alleinstürzen passieren, außerhalb unseres statistischen Horizonts. Dabei sind es immer die Senioren, die sowohl als Fußgänger wie auch als Radfahrer, aus-dem-Bett-Faller oder Treppensteiger von Kopfverletzungen besonders schwer betroffen sind. Wenn überhaupt, dann brauchen wir nicht den Fahrradhelm, sondern den Seniorenhelm, weil der unabhängige Risikofaktor eben nicht das Verkehrsmittel, sondern in Wirklichkeit das hohe Lebensalter ist.