Beiträge von Th(oma)s

    Das Problem für Radfahrer ist doch aber, dass der Ermessensspielraum (oder auch weit darüber hinaus) meistens zu deren Ungunsten ausgeschöpft wird.

    Ich sehe das Problem darin, dass die real existierenden Radwege nur von idealen Verkehrsteilnehmern, die niemals Fehler machen, unfallfrei benutzt werden können. Gleichzeitig wird die Notwendigkeit der Wegelchen nach außen hin aber stets genau damit begründet, dass der Fahrbahnmischverkehr ja viel zu gefährlich wäre, weil bekanntlich die Menschen leider, leider gelegentlich Fehler machen würden.

    Das ist so unlogisch, dass ich jedesmal laut schreien könnte, wenn ich über diese Zwickmühle nachdenke.

    Wie lange dauert sowas bei dir und inwieweit lässt es sich automatisieren?

    Hat schon ein paar Stunden gedauert. Ich hoffe, dass es, wenn die 2018er-Daten online gehen, wesentlich zügiger gehen wird, weil der Weg jetzt einmal etabliert ist.

    Im Endeffekt habe ich die opendata-csv-Dateien in Excel gefiltert auf [(Rad=1)+(mit Getöteten=1)] und die resultierenden je knapp 200 Fälle als einzelne Layer in QGIS importiert. Dann konnte ich durch Überlagerung mit dem entsprechenden Jahres-Layer meiner eigenen Sammlung erkennen, wo keine Übereinstimmung bestand. Am längsten hat es dann gedauert, einen Weg zu finden, die UTM-Koordinaten der Rohdaten in Dezimalgrad zu konvertieren, um aus diesen per Excel-"verketten" einen anklickbaren gmaps-URL zu erzeugen.

    Die Zeilen der fehlenden Einträge habe ich dann aus den Rohdaten herauskopiert, und in Excel sortiert nach weiteren Beteiligten, Unfallart und Unfalltyp. Bei [(IstRad=1) + (IstFuß/IstKrad/IstPKW/IstSonstige=0) + (Unfalltyp=1 oder 7; also Fahrunfall oder sonstiger Unfall)] wurde darauf geschlossen, dass es sich um einen Alleinunfall handelte.

    Bei allen anderen Fällen habe ich in Gmaps Orts- und Straßennamen herausgesucht und per Suchmaschine nach passenden Pressemeldungen im angegebenen Monat des betreffenden Jahres gesucht. Wo möglich habe ich dann die fehlenden Parameter für meine Datenbank ergänzt. Ansonsten habe ich nur die Angaben zu Unfalltyp und -art aus den Rohdaten so gut es ging in meine Kriterien "übersetzt". Letztere Fälle sind daran zu erkennen, dass die Quelle "statistikportal" im Kommentar genannt wird.

    Danke für den Hinweis, insbesondere auf die Downloadmöglichkeit.

    So, ich habe jetzt durch Abgleich meiner eigenen Sammlung mit den angebotenen Files für die beiden bislang erfassten Jahre noch 78 neue Fälle auftreiben können, die ich noch nicht hatte, weil seinerzeit keine Todesmeldung publiziert wurde. In den Fällen, wo destatis Fremdbeteiligung angibt, konnte ich aber bis auf wenige Ausnahmen entsprechend örtlich und zeitlich passende Presse-Meldungen über Unfallhergänge mit lebensgefährliche Verletzungen eines Radlers auftreiben. Die Solounfälle habe ich der Einfachheit halber ohne weitere Quellenrecherche übernommen. Je zweimal waren nicht die beteiligten Radfahrer, sondern die zu Fuß gehenden bzw. Kraftrad fahrenden Gegner verstorben. Einmal war der vermeintlich beteiligte „Radfahrer“ lediglich ein vom außer Kontrolle geratenen PKW beschädigtes geparktes Rad.

    Hierdurch hat sich die Gesamtzahl aller erfassten verstorbenen Radler mit dem letzten Update entsprechend sprunghaft auf jetzt 2400 erhöht. Bis auf einen überdurchschnittlichen Anteil von Alleinunfällen (knapp die Hälfte) hat sich durch die neuen Einträge hinsichtlich der Verteilung auf die diversen Basis-Szenarios aber nichts gravierend geändert. Dies betrifft insbesondere auch die Quote und das quasi ausschließlich außerörtliche Auftreten der tödlichen Auffahr- und Streifunfälle auf der Fahrbahn.

    Langsam wird mir doch Angst - gefühlt passiert das echt häufig in diesem Jahr...

    Lass dich vom Kesseltreiben der Radentscheid-Aktivisten nicht ins Bockshorn jagen. Berlin ist erstens verdammt groß, die Zahl der Radfahrer nimmt zweitens von Jahr zu Jahr zu, es gab drittens im Winter keinen nennenswerten Schnee, und viertens herrschte seit April auch für Weicheier andauernd bestes Radfahrwetter.

    Auch ganz interessant: https://unfallatlas.statistikportal.de

    [...]

    Also Unfalljahr, Unfallmonat, Unfallstunde, Unfallwochentag. Was mag Licht sein? Ob der Radling mit Licht gefahren ist? Und Straßenzustand?

    Danke für den Hinweis, insbesondere auf die Downloadmöglichkeit.

    UKATEGORIE = 1 mit Getöteten, 2 mit Schwerverletzten, 3 mit Leichtverletzten

    UART = Bewegungsrichtung der Unfallgegner zueinander, 10 Möglichkeiten entsprechend amtlicher Vorgabe (Quelle, S.17)

    UTYP = Unfalltyp, 7 Möglichkeiten entsprechend erster Stelle des 3-stelligen amtlichen Schlüssels

    LICHT = Lichtverhältnisse (Tageslicht/dunkel/Zwielicht...)

    Falls IstRad + IstPKW beide =1, dann handelt es sich also um einen Unfall zwischen PKW und Radfahrer

    Tageszeit, Wochentag, Monat ist nur was für Erbsenzähler, weil IMO ohne jede Aussagekraft für das Unfallrisiko bzw. Bedeutung für Präventionsarbeit...

    Schade, dass es die statistikportal-Karte nicht zulässt, nach den o.g. differenzierten Kriterien zu filtern. Insbesondere, dass man Details nur zusammen mit allen Unfallschweren und allen Verkehrsteilnahme-Arten zu sehen bekommt, macht die Sache doch sehr unübersichtlich. Auch nicht besonders schlau ist, dass man die Daten nur jahresweise (entweder 2016 oder 2017) sieht. Unfallschwerpunkte sind je nach Defnition auch über mehrere Jahre hinweg ermittelte Größen.

    Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass insbesondere außerorts, das blaue Schild einen Unterschied macht. Der Radfahrende wird gemaßregelt, sobald links oder rechts neben der Straße irgendetwas ist, dass nur entfernt nach Radweg aussieht. Gefühlte Wahrheiten sind in dem Fall leider wichtiger, als irgendeine rechtliche Grundlage.

    Henne, Ei bzw. selbsterfüllende Prophezeihung

    10 Solange, wie die Doktrin [Fahrbahn=lebensgefährlich für Radfahrer] fortbesteht,

    20 kann Benutzungspflicht weiterhin fälschlich mit Verkehrssicherheit begründet werden

    30 und ebenso werden vorsätzliche Attacken auf Radwegignorierer nicht als Todsünde, sondern als Vollstreckung eines selbst-heraufbeschworenen Schicksals (wer sich mutwillig in Gefahr begibt, kommt darin um...) betrachtet

    40 goto 10

    Wenn ich sehe, wie das Beispielauto das Beispielkind am Anfang überholt, kriege ich das kalte Kotzen. DAS ist jetzt sicher?

    Ist es. Man wird nicht vom Mittelwert gestreift, sondern von extremen Ausreißern am Rande einer Gauss'schen Normalverteilung. Streifen glätten die Streuung der Fahrlinien von Kraft- *und* Radfahrer, die Glockenkurven werden an je einer Flanke steiler/schmaler.

    Außerorts entstehen diese extremen Ausreißer seitens der Autofahrer dadurch, dass sie wegen Sichtbehinderungen (Gegenlicht, Dunkelheit, ggf. Radfahrer ohne Rücklicht), Tunnelblick/Sekundenschlaf, Spielen am Smartphone etc. gar nicht erst ausscheren, sondern dem Radler ungebremst ins Hinterrad semmeln (während innerorts dagegen eher das bewusste Fahren der Kampflinie im engen City-Gewühl für Längsverkehrs-Konflikte verantwortlich ist). Wo es von vorneherein keine überschneidenden Fahrlinien gibt, können auch keine Fehler beim Aus- oder Einscheren passieren. Anders als bei Streifen innerorts, gibt es außerorts auch keine Längsparker neben der Landstraße, die Streifenradler zum plötzlichen Ausweichen zur Fahrbahnmitte zwingen könnten. Was bleibt, ist einzig Seitenwind, aber auch dieses Problem wird netto kleiner, weil die KFZ nicht mehr mit 100, sondern mit 70 überholen dürfen.

    T70 allein wäre m.E. wahrscheinlich auch schon völlig ausreichend für einen befriedigenden Sicherheitsgewinn der Rad- *und* Kraftfahrer. Und T70 ist m.E. auch der Grund dafür, dass der Bund die flächendeckende Einführung dieses Instrumentes scheut...

    Wie viel Seitenabstand halten insbesondere die Fahrer breiter Fahrzeuge (LKW, Busse) wohl beim Überholen von Radfahrern auf einem solchen "Radweg"? [Bild von schmalem Hochbordweg neben der Fahrbahn]

    Abstand ist kein Selbstzweck. Die entscheidende Frage lautet: wie wahrscheinlich ist es, dass ein Fahrzeugführer die physische oder auch nur durch Linien vorgegebene Grenze verletzt, ohne dabei den Vorrang eines jenseits der Grenze befindlichen Verkehrsteilnehmers ausreichend zu beachten, und wie wahrscheinlich ist es, dass diese Missachtung eine Kollision nach sich zieht. Das gilt ausdrücklich für beide Überholpartner. Je größer die Wahrscheinlichkeit einer solchen Verletzung, desto größer müssen die notwendigen Sicherheitszuschläge sein. Einzelfälle taugen dabei wie immer bei statistischen Phänomenen (Unfallprävention ist angewandte Statistik!) nicht als Beweis der Untauglichkeit einer Lösung.

    Quintessenz: Überhol- und Vorbeifahrabstände sind keine Naturkonstanten.

    Oder du bleibst realistisch und fährst mit dem Auto. Aber längst nicht jeder ist in deiner Situation.

    "Realistisch bleiben" ist doch auch nur eine verklausulierte Formulierung für "ich fahre nicht weiter, als ich mit vertretbarem Aufwand an Zeit und Geld schaffen kann". Dieses Limit ist aber keine Naturkonstante, sondern von den zur Verfügung stehenden Verkehrsmitteln und -wegen abhängig. Wären schnelle Privathubschrauber erschwinglich, wäre plötzlich ganz Deutschland "gezwungen" 800km einfach zu pendeln...

    Die Erfahrung zeigt aber, dass Radler, die eng rechts fahren, eher engüberholt werden als solche, die weiter mittig fahren.

    Das Problem ist, dass du nicht vom Mittelwert/Median gestreift wirst, sondern von den extremen negativen Ausreißern. Meine aufgezählten Fälle 1-3 oben bezogen sich auf dieses gefährliche Sub-Kollektiv der Überholer.

    Nicht viel passiert. Wäre er sehr weit rechts gefahren, wäre er mit ca. 50 km/h auf den unbefestigten Seitenstreifen geraten und wahrscheinlich dort schon zu Fall gekommen.

    Dieses "wäre-hätte" setzt voraus, dass der LKW dem Radfahrer mit identischem Abstand auf den Pelz gerückt wäre, wie bei der Fahrlinie weiter links. Das halte ich auch aufgrund eigener Erfahrung für abwegig. Insbesondere, weil dies voraussetzen würde, dass der LKW-Fahrer den (zu) kleinen Abstand bewusst gewählt hätte. Ich gehen aber davon aus, dass (abgesehen von Fällen von Road Rage, wo das Engüberholen tatsächlich vorsätzlich geschieht - aber das ist eine ganz andere Baustelle...) drei Ursachen für enges Überholen gibt:

    1) der Überholer hat gepennt und den Überholten gar nicht/zu spät gesehen

    2) der Überholer hat den Radler zwar gesehen, sich aber verschätzt, und ist nicht weit genug/zu spät nach links gezogen

    3) der Überholer hat den Gegenverkehr "übersehen" und muss weiter rechts fahren, um einen Frontalzusammenstoß zu vermeiden.

    In allen drei Fällen dürfte die Position des überholten Radfahrers für den Abstand des Überholers zum rechten Fahrbahnrand keine große Rolle spielen. Wer weiter rechts radelt, wird daher weniger Gefahr laufen, vom Überholer touchiert zu werden.

    Schafft ihr das echt?

    Ich bin eigentlich immer zu langsam um zu reagieren, wenn mich einer zu dicht überholt. So lang ist ein Auto nicht ... 5m? Wenn der mich mit 10m/s Differenzgeschwindigkeit überholt (~70km/h bei meinen ~30km/h .. das passt so in etwa), dann ist der Überschnitt irgendwas um eine halbe Sekunde. Da ist meine Reaktionszeit zu lange für ... kann dann nur danach den Lenker verreißen.

    Ich halte ein rechtzeitiges reflexartiges Ausweichen aus neuro-physiologischen Gründen auch für unmöglich. Und aus physikalischen Gründen wäre der Versuch außerdem kontraproduktiv: wenn du mit einem Zweirad bei voller Fahrt scharf einlenkst, wird das Rad zunächst eine kleine Konterbewegung in die Gegenrichtung ausführen, bevor es in die gewollte Richtung kippt. Die Konsequenz ist, dass du dem Objekt, vor dem du ausweichen willst, zunächst mal noch ein paar (u.U. fatale...) Zentimeter näher kommst.

    Die sinnvollste Reaktion, wenn es mal eng werden sollte, ist m.E. unter Beibehaltung der bisherigen Fahrlinie bremsen.

    Wenn da 100 km Landstraße dabei sind, würde Tempo 60 statt 100 die Fahrt schon drastisch verlängern. Das ist nicht zielführend.

    Doch, genau *das* wäre zielführend (wenn die Ziele nämlich CO2-Einsparung, weniger Lärm, weniger Dreck und weniger Unfallopfer sind): Reichweite und Fahrleistung sind immer zwei Seiten der selben Medaille. Jede durch Geschwindigkeitsbegrenzung erzielte Beschränkung der so gerade noch akzeptierten möglichen Reichweite reduziert die tatsächlich gefahrenen Kilometer der statistischen Grundgesamtheit und damit deren Last an CO2/Lärm/Dreck/Unfallopfern ganz direkt.

    Nun, dann versucht mal, dem Rad- und Fußverkehr 49% der Flächen zu geben.

    Ich wette, der Radverkehr hat jetzt (noch...) mehr als 25% zur Verfügung.

    Der einzige, der von diesen Aufrechnungen profitiert, ist ausgerechnet derjenige, für dessen Beschränkung man die Rechnungen eigentlich anstellt, nämlich der Kraftfahrer, dem der dahinter stehende Denkansatz endgültig das Exklusivrecht für die Fahrbahnbenutzung zuspricht.

    Gelingt es eine Diskussion über den "richtigen" Helm zu entzetteln, dann ist die scheinbar einfache Antwort nicht mehr so einfach.

    Die Diskussion über den "richtigen" Helm ist doch spätestens in dem Augenblick beendet, wo man darauf hinweist, dass Fahrradhelme auf dem Kraftrad (was 25 km/h Mofa einschließt!) aus guten Gründen verboten sind.

    Zitat

    Und die Diskussion über Radverkehrs-Infrastruktur-Schwachpunkte läuft nicht mehr so leicht Gefahr von vielen einfach nur mit "ich Kauf mir jetzt 'nen Helm" beantwortet zu werden. Stattdessen kann dann wieder Tempo 30 auch auf Hauptverkehrsstraßen auf's Tapet. Umbau von Parkplatzstreifen zu sicheren Radwegen usw..

    Leider geht die Rechnung "Infrastruktur-Debatte statt Helm(pflicht)-Forderung" nicht so wie von dir erhofft auf.

    Vielmehr sehe ich die ganze Helmdiskussion in erster Linie als Konsequenz des weinerlichen "mimimi, die Autofahrer wollen mich immer umnieten!"-Nörgelei, mit der die Radwege-Lobby (nicht: Fahrrad-Lobby!) versucht, Vater Staat das nötige Geld für mehr/schönere Radwegelchen aus dem Kreuz zu leiern.