Beiträge von Th(oma)s

    Bitte richtig lesen. Das Zitat ist NICHT mein Standpunkt. Ich habe das Nationalsozialistische Kraftfahrkorps aus den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts zitiert. 1934 wurde die Vorrangstellung des PKW im Straßenverkehr von den Nazis durch eine neue StVo begründet.

    Die Annahme, das Primat des Autos wäre eine deutsche Besonderheit, weil es damals von den Nazis durchgesetzt worden wäre, trügt. Das ist nur eine zufällige Koinzidenz, wie der Blick auf die Einstellung zum Auto im Ausland zeigt.

    Materialisiert sich also eine entsprechende Gefährdung - und was außer dieser sollte denn ein "zwingender Grund" oder ein "besonderer Umstand" sein? - erst mit dem Bau eines solchen Weges?

    Die behauptete Gefahrenlage ist vorher wie nachher keine, weil hinterher die Maßregelungsnötiger ja nie so weit gehen, dass sie einen missliebigen Radfahrer wirklich von der Straße boxen. Aber auch im Zustand ohne Radweg gab es keine örtlich besondere Gefahrenlage, da es keine einzige radwegfreie Straße in Deutschland gibt, auf der öfter als einmal ein Radfahrer von hinten tödlich angefahren wurde. Das Risiko pro Straße/Straßenabschnitt ist also winzigst, denn eine Handvoll Fälle sreuen gleichmäßig über das hunderttausende Kilometer umfassende Straßennetz. Aus dem Umstand, dass es irgendwo bereits einmal einen schweren Unfall gegeben hat, kann man ebensowenig auf eine besondere örtliche Gefahrenlage schließen, wie man aus der Abwesenheit solcher Unfälle eine besondere örtliche Sicherheit ableiten darf.

    Und darauf wollte ich eben hinaus: Kopenhagen ist sowohl die mit Abstand größte Stadt wie auch ein extremer Radverkehrs-Hotspot. In DE oder NL gibt es dagegen solche herausragenden Städte nicht

    Kopenhagen hat einen Modal Split von insgesamt 24%. Kursierende höhere Werte sind geschönt, indem mal der Fußanteil ignoriert wird oder nur der Binnenpendelverkehr gezählt wird (=Fahrten zur Arbeit oder Ausbildung innerhalb der Stadt). Die 24% sind im Bereich deutscher Städte (Bremen hat mehr, Berlin, München, Köln etwas weniger).

    Bei den Niederlanden dürfte die flächendeckend gute Fahrradinfrastruktur und flächendeckende Nutzung (nicht nur in Amsterdam um mal ein Vergleichsobjekt zu Kopenhagen zu haben) eine große Rolle spielen. Wenn ein Pulk Radfahrer vor einem Autofahrer fährt, kann der diese nicht "übersehen" (wie es in deutschen Polizeiberichten gerne nach Unfällen dargestellt wird). Bei einer einsam auf einer Landstraße in der Lüneburger Heide oder in Jütland radelnden Person sieht das anders aus.

    Radfahrer werden weder in NL, noch in DK, noch in D von hinten erfasst.

    Und die Anführungszeichen kannst du auch weglassen. Unfälle resultieren aus Übersehen/Augenblicksversagen (oft genug auh durch den Radfahrer), und nicht aus Ignorieren/Absicht, und auch das gilt wohl in allen drei Ländern.

    Der Tagesspiegel meint zum gleichen Inhalt: [...]

    ja klar, die Autos sind zu leise. :rolleyes:

    Im Stadtverkehr ist auch bei Verbrennern bei Beharrungsfahrt das Reifengeräusch das Lauteste. IMO ist das Ergebnis der Untersuchung dadurch verzerrt, dass Elektroautos einen größeren Anteil ihrer Fahrleistung innerhalb von Ballungsgebieten zurücklegen (wo die Fußgängerunfälle nun mal passieren). Die Studie basiert auf Daten bis 2017; damals fuhr man noch weniger als heute mit E-Autos Langstrecken auf der Autobahn.

    Danke für den archive-Link. "Die Brauhauskreuzung gilt als Unfallschwerpunkt". Im Destatis Unfallatlas ist nur ein einziger Unfall dort eingetragen, das war 2019, und außer "Fahrrad" waren daran keine anderen Verkehrsarten beteiligt. Was nicht so alles in der Zeitung als Unfallschwerpunkt "gilt".:evil:

    Die Frage ist halt, ob sich der Gesetzgeber dass genau so gedacht hat.

    Hat er. Die Einschränkung auf „kategorisch Schrittgeschwindigkeit“ war mit der Schilderwaldnovelle 2009 zwar aufgehoben worden, aber die zur Rettung der mit der Novelle für ungültig erklärten antiken Prä-1992-Schilder im Bestand vom Verkehrsministerium erfundene „geniale“ Lösung mit der angeblichen Nichtigkeit wegen eines banalen Zitierfehlers machte 2012 den Neuerlass der kompletten StVO notwendig. Darin wurde -wohl auf ausdrücklichen Wunsch der Länder im Bundesrat- die Rückkehr zur bis 2009 geltenden kategorischen Schrittgeschwindigkeit verordnet.

    Ich kenne das dänische Verkehrsrecht nicht, aber wie soll man denn ohne "Radweg" zwingend indirekt links abbiegen?

    So wie in der deutschen StVO beschrieben: geradeaus über die Kreuzung, am gegenüberliegenden Fahrbahnrand (aber noch auf der Fahrbahn) das Fahrrad im rechten Winkel auf der Stelle umsetzen und, wenn auf der bisher benutzten Straße von links und rechts nichts mehr kommt, weiterfahren. Das Abbiegen über zwei Radverkehrsführungen ist zwar umständlich, aber nicht im Sinne des Erfinders "indirekt".


    indirektes-linksabbiegen.png

    Von "Radverkehr in Skandinavien" zu reden ist schon komplett unseriös.

    Es ist auch unseriös, davon zu reden, dass der Radverkehr in Skandinavien irgendwie spürbar sicherer wäre als in Deutschland, und dass wir uns deswegen ein Vorbild an diesen Ländern nehmen müssten.

    Dänemark hat wahrscheinlich eine einigermaßen zuverlässige Zählung der Verkehrstoten. Bei den Verletzten scheint es aber reine Glücksache zu sein, dass ein Unfall mal in der amtlichen Statistik landet. In D lag das Verhältnis [Tote : Schwerverletzte : Leichtverletzte] in 2022 bei ca. 1 : 35 : 182. In DK betrug es rund 1 : 21 : 11 (sic!). Mit so einer gewaltigen Untererfassung ist jede Schlussfolgerung über das Niveau der dänischen Verkehrssicherheit mit Sicherheit grob irreführend.

    Was die notorischen Rechtsabbiegeunfälle anbetrifft, so kam DK zuletzt 2022 auf 2 Todesopfer. Klingt wenig, ist aber bei etwa gleicher Pro-Kopf-Radfahrleistung und 1/14 der deutschen Bevölkerung mit hochgerechnet 28 immer noch mehr als in D, wo es 2022 19 solcher Todesfälle gab.

    #3 Das "tägliche Erleben gefährlicher bis lebensgefährlicher Situationen" ist leider nicht übertrieben. Ich erlebe täglich Autofahrer, die an der Ampel bei rot durchfahren - immer bei derselben Ampel, die wenige Meter von meiner Wohnung entfernt liegt. Und das ist seit mehr als zwei Jahrzehnten so.

    Dinge, die sehr häufig vorkommen, ohne dass dabei was passiert, nennt man ungefährlich.

    Nicht ausreichend selbstbewusste Fahrradfahrerinnen fahren nicht auf der Fahrbahn sondern lassen es dann halt bleiben oder fahren immer seltener, wenn der Fahrradweg, oder das, was sie immer dafür gehalten haben, ersatzlos gestrichen wird. Und diejenigen, für die das Fahrradfahren noch in der Projektplanung war, haben einen Grund mehr, gar nicht erst richtig in das Projekt einzusteigen.

    Wo soll das Selbstbewusstsein denn herkommen, wenn den Wackelkandidaten (die oft wegen Straßenfurcht eh schon kein Auto haben) ständig unwidersprochen signalisiert wird: „Radfahren auf der „Straße“? Lass mal, das ist doch nichts für dich, viiiel zu riskant. Warte lieber, bis dass dein Bürgermeister auf den ADFC hört und endlich einen „sicheren“ Radweg macht.“

    Jep, kenne ich seit 2014 genau so.

    Aber als Radfahrer erlebt man das ja auch andauernd bei Radwegen ohne Blauschild.

    Hinsichtlich der Maßregelungs- und Nötigungsquote besteht nicht der geringeste Unterschied zwischen mit oder ohne Blauschild. Das hängt von ganz anderen Faktoren ab. Am wenigsten Mecker gibt es auf Straßen mit mehr als einer Fahrspur pro Richtung sowie während der Rush Hour, am ehesten wird angegriffen, wenn keiner guckt, Sonntags morgens um sieben bei Verkehrsstille, z.B. ist Alarmstufe rot Die Radwegqualität wiederum ist unerheblich, die bösartigsten Übergriffe habe ich auf der Straße, die auf meinem Avatar abgebildet ist (den abgebildeten Baum gibt es zwar mittlerweile nicht mehr, aber der Stumpf steht noch, und etliche ähnliche andere Stellen gibt es an der unbeschilderten Strecke ebenfalls).

    Und effekthascherisch die These in den Raum zu stellen, Radfahrerunfälle resultierten vor allem aus sich selbst gefährdendem Verhalten, beschwört doch vor allem die Gefahr herauf, den MIV mit seinen zahlreichen gravierenden Nachteilen für eine nachhaltige und sichere Mobilität und zukunftsfähige Gesellschafts- und Wirtschaftsentwicklung zu verharmlosen.

    Es ist umgekehrt: die Gefährdung der Radfahrer durch den MIV wird maßlos übertrieben, weil man dies als Hebel ausnutzen will, um den eigentlich aus ganz anderen Gründen abgelehnten MIV zu diskreditieren.

    In der Studie steht aber auch: "Bei den getöteten Radfahrern liegt die Rate der Alleinunfälle allerdings deutlich geringer: bei 5 bis 30 Prozent, im Schnitt bei 17 Prozent. Hier ist erfahrungsgemäß auch die Dunkelziffer deutlich kleiner, weil tödliche Verkehrsunfälle in der Regel polizeilich erfasst werden."

    Leider erfährt man in dem Artikel nichts darüber, wie diese Zahlen beim Fußverkehr aussehen.

    Dass es keine Alleintoten bei Fußgängern gibt, liegt daran, dass die Beteiligung mindestens eines Fahrzeugs notwendige gesetzliche Voraussetzung für die Aufnahme in die Verkehrsunfallstatistik ist. Tödliche Stürze aller Art ohne Fahrzeugbeteiligung liegen bei über 10.000 pro Jahr, ein guter Teil davon wird auf der Straße passieren.

    Die Alleinquote bei toten Radfahrern in Deutschland ist in den letzten Jahren stetig von 20 auf über 30% gestiegen. In NL lag die Alleinquote traditionell noch höher, war aber in 2022 wegen des extremen Ausreißers bei PKW-Opfern erstmals niedriger als in D.

    DK kommt im langjährigen Mittel auf deutlich unter 20%.

    Wenn dann ein Gutachten mit Gefahrenprognose über ihn vorliegt.

    Hier wieder der ewige Irrtum, wonach das Verursachen eines Verkehrsunfalles ein Beweis für irgendetwas wäre. Der zentrale Punkt ist, dass der Unfall selbst und damit die Schädigung des Opfers ja nicht vorsätzlich begangen wird, sondern lediglich das Rasen (unter billigender Inkaufnahme der drohenden Folgen) mit Absicht stattfand. In der Hinsicht unterscheidet sich der Täter aber in keinster Weise von Hunderten anderen, die aufgrund der äußeren Umstände niemanden mit ihrer Taten verletzt oder getötet haben, und bei denen keiner Jahre später noch „Gutachten über die Gefahrenprognose“ für nötig erachtet.

    2. Rechtsfrieden herstellen

    Das staatliche Gewaltmonopol ist kein Selbstläufer, sondern begründet sich wesentlich darauf, für das Opfer Partei zu ergreifen und diesem rechtliche Genugtuung zu verschaffen. Ein Versagen an dieser Stelle schafft die Grundlage für Selbstjustiz, was keiner wollen kann. Bei versuchtem Mord ist deshalb auch dahingehend langjährige Haft zwingend. 2 Jahre auf Bewährung sind nichts anderes als Opferverhöhnung und wirken diesem Ziel aktiv entgegen.

    Die Option der Aussetzung zur Bewährung kann man grundsätzlich in Frage stellen, aber bitte nicht nur selektiv bei bestimmten Delikten. Ich finde, dass das Darstellen einer Bewährungsstrafe als „Freispruch Zweiter Klasse“ eine krasse und unnötige Abwertung des Strafmaßes darstellt, durch die erst das Opfer durch die Bürger, die sich das Maul über die vermeintliche Nicht-Strafe zerreißen, effektiv verhöhnt wird. Gefängnisstrafe ist für den Delinquenten immer entehrend. Im Verlust von Ehre und Ansehen liegt die eigentliche Bestrafung, und nicht in der Belästigung, dass der Täter ein paar Jahre seinen Alltagsgeschäften nicht mehr nachgehen kann - das könnte er als Freigänger auch bei tatsächlich Knast sowieso alsbald wieder.

    Also irgendwas sträubt sich in mir, diesen Mustang-Fahrer als "Pechvogel" zu bezeichnen.

    Der Regelfall ist auch bei Rasern, dass sie mit ihren Taten niemanden verletzen. „Pech“ ist keine moralische Entlatung, sondern quantitativer Ausdruck für die immer noch hohe Unwahrscheinlichkeit eines Unfalles.

    Hinsichtlich ihrer moralischen Schuld sind alle Raser (also auch die, die folgenlos davonkommen) gleich, weil die Frage, ob sie dabei jemanden töten oder ihm „nur“ ein Bein abfahren, längst nicht mehr in ihrer Macht und Geschicklichkeit steht.

    "Die Hauptursache von schweren Verletzungen bei Fahrradunfällen ist ein Zusammenstoß mit einem Auto, LKW oder Bus. Dabei werden Fahrradfahrer beim Abbiegen häufig nicht oder erst zu spät wahrgenommen." (S. 2)

    So steht es in einer Internetbroschüre der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (DGOU) von September 2018 mit dem Titel: FAQ – Häufig gestellte Fragen zum Thema Fahrradunfälle

    Ich bin sicher, dass die DGU für ihre Datenbank nicht erfasst und auswertet, wer Unfallgegner der eingelieferten Traumapatienten war, und welchen Hergang das jeweilige Ereignis hatte. Diese Arbeit ist Aufgabe der polizeilichen Unfallaufnahme, die erst stattfindet, nachdem der Patient schon lange abtransportiert wurde und im OP liegt. Die DGU hat entsprechend der Angaben im Jahresbericht auch nur ca. 1/5 der offiziell „schwer“ verletzten Radfahrer in ihrem Hellfeld.

    Der Satz aus der Broschüre ist wie vieles anderes zum Thema Radsicherheit wohl aus Hörensagen geborenes Vorurteil. Dafür spricht auch stark der Verweis auf Abbiegen als Hauptkonflikt. Diese Ereignisse stellen zwar in den Großstadtzeitungen einen Großteil der Fahrradunfall-Nachrichten, besitzen aber nur einen recht kleinen Anteil am gesamten Radunfallgeschehen, wobei die Quote der Opfer, die erst gar nicht mehr ins Krankenhaus kommen, bei diesem Szenario auch noch besonders hoch ist.

    Edit: nach dem genauen Lesen der DGU-Broschüre kommen ich zu der Auffassung, dass die Angaben teils aus dem Destatis-Jahresbericht übernommen wurden, teils aus eigenen Daten des Traumaregisters stammen (in dessen teilnehmenden Kliniken das Fünftel der mit MAIS3+ "Schwerstverletzten" unter den stationär versorgen Patienten behandelt wird) und teils auf Hörensagen beruhen. Dabei geht es offensichtlich querbeet hin und her zwischen "alle Verletzungen", "schwerer Verletzung", "lebensgefährlicher Verletzung" und "Tod". Insgesamt geht es im gesamten Text nicht um wissenschaftliche Genauigkeit, sondern lediglich darum, die Leser mit hohen Zahlen zu beeindrucken und sie mit Nebelkerzen davon zu überzeugen, dass (nur) Radfahren ganz besonders gefährlich für den Kopf wäre. Die FAQs streben dementsprechend dem Höhepunkt unter Frage 5 zu: "Ist es sinnvoll einen Fahrradhelm zu tragen? Ja." Ein gutes Beispiel dafür, dass es sich bei allen Aussagen nur um wohlmeinendes Nudging handelt, ist das Anführen der angeblich knapp 2/3 betragenden Duuunkelziffer im Anschluss an die Diskussion des Verletzungsrisikos. Als ob tatsächlich bei 2/3 der in unseren Intensivstationen behandelten oder gar auf Friedhöfen begrabenen Radfahrern das Merkmal "Radfahrer" übersehen werden würde. Die Dunkelziffer besteht stattdessen aus leichtverletzten Opfern von Alleinstürzen.

    Edit2: die Angabe mit den 37 Abbiegetoten und den insgesamt 76 LKW-Opfern in 2017 stammt übrigens aus meiner eigenen Erfassung, und dürfte wahrscheinlich über einen der Vorträge von Roland Huth vom ADFC an die DGU gelangt sein. Die Gesamtzahl weicht auffällig von der Destatis-Tabelle 3.1.1 in FS 8 Reihe 7 ab, deckt sich aber ebenso wie die Zahl der (Rechts-)Abbiegeopfer exakt mit den Werten aus meiner Liste, wenn ich alle "LKW"-Einträge rausnehme, die als "Sprinter" gelabelt sind, und es gibt außer mir auch keine Instanz, die sonst für die gesonderte deutschlandweite Zählung des Rechtsabbieger-Unfalltyps in Frage käme.