Du gehst von einem sicheren Radfahrenden aus, der seine Spur (einigermaßen) hält. Das halte ich für einen schweren Fehler.
Ich gehe vom *effektiven* Abstand aus, also der a posteriori nach Abschluss des Überholens zu Buche stehenden maximalen Annäherung während der Parallelfahrtphase.
Der Unterschied zur StVO-Vorgabe besteht darin, dass jene eine Anweisung an den Überholer *vor* dem Beginn des Überholmanövers darstellt, während der effektive Abstand der Messwert der maximalen Annäherung während des soeben erfolgreich abgeschlossenen Überholmanövers ist. Dieses Maß ist *nicht* Gegenstand der StVO.
Die höhere Vorgabe dient dem Ausgleich von Schätzfehlern beim Überholer und der Berücksichtigung von erratischem Verhalten beim Überholten. IOW: wenn Kinder bei der Parallelfahrt extreme Schlangenlinien fahren,und dennoch hinterher immer noch 50-70 cm Restabstand blieben, dann stellt dies keinen Bug dar, sondern ein Feature der (eben deswegen größeren) Vorgabe.
Edit: übrigens zeigt dein Beispiel mit den verhakten Lenkern, dass auch Radfahrer untereinander ordentliche Seitenabstände halten müssen. Ein Punkt, der bei dem ganzen Kesseltreiben gegen überholende Autos (und der stattdessen geforderten Möglichkeit des Rückzugs in den "sicheren" Seitenraum) gerne übersehen wird. Der destatis Unfallatlas OpenData-Bestand weist für die Kombination aus der Unfallart 3 (Unfall beim Nebeneinanderfahren) mit dem Unfalltyp 6 (Unfall im Längsverkehr) für das Jahr 2020 insgesamt 967 Fälle mit getöteten oder schwerverletzten Radfahrern mit PKW als Gegner aus. Für das gleiche Szenario nur unter Radfahrern stehen für die gleiche Unfallschwere immerhin 577 Einträge in der Liste.