Das Problem ist ja auch, dass es von den Städten als "Anti-Auto" verkauft wird ...
Wer verkauft hier was als "Anti-Auto"?
Fakt ist, dass es für Politik und Verwaltung außerordentlich schwer ist, auch nur irgendeine kleine Veränderung der Verkehrsinfrastruktur einen Namen zu geben, der nicht sofort erhebliche Proteste hervorruft, wenn dabei auch nur ein einziger Autostellplatz verschwindet.
Selbst wenn z. B. durch Baumpflanzungen auch nur eine kleine Anzahl Parkplätze zurückgebaut werden, dann hagelt es schärfste Proteste von Seiten der Autobesitzer, von denen viele meinen, mit dem Kauf eines Fahrzeuges haben sie gleichzeitig ein Grundrecht auf einen kostenfreien Stellplatz direkt vor der Haustür erworben. Begrünung der Innenstadt wird von der Autolobby sofort so "dechiffriert": Hier sollen Parkplätze vernichtet werden. Verbesserungen für den Fahrradverkehr, den Fußverkehr und den ÖPNV wird von den einschlägigen Lobbyverbänden sofort eingeordnet als Ideologie-getriebene "Anti-Autopolitik". Und angebliche "Beweise" sind schnell erbracht: Wegfall eines Parkplatzes oder Verschmälern einer Auto-Fahrspur zugunsten breiterer Radwege, ein Buskap an Stelle einer Haltebucht, und sofort geht das Gekeife los.
In Hannovers letztem Kommunalwahlkampf wurde keine Gelegenheit ausgelassen, den Kandidaten ein Bekenntnis zur autofreien Stadt abzuringen. Ich habe keine einzige Podiumsdiskussion zur Kommunalwahl erlebt, bei der es Kandidaten, egal welcher Partei, es gewagt hätten, ein Bekenntnis zur autofreien Stadt abzugeben. Allenfalls "autoarm" wurde als Ziel ausgegeben. Und das auch nur, weil man die Wählerinnen und Wähler nicht verlieren wollte, die sich sehr gut eine autofreie Stadt vorstellen können und gerne darin leben würden.
"Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) hat erstmals konkrete Pläne für eine weitgehend autofreie Innenstadt vorgelegt. In den kommenden Jahren will die Stadtverwaltung nach und nach die meisten ebenerdigen Parkplätze auflösen. Wer mit dem Auto in die Innenstadt kommt, wird nach dem jetzt vorgestellten Mobilitätskonzept direkt in die Parkhäuser geleitet. Dort stehen 10.000 Stellplätze zur Verfügung. "Bisher sind alle Parkhäuser in der Innenstadt durchschnittlich nur zu 50 Prozent ausgelastet. Wer mit dem Auto nach Hannover kommt, wird also auch in Zukunft zentral in der City parken können", so Onay." ZDF vom 21.9.23 https://www.ndr.de/nachrichten/ni…konzept122.html
Solche Zuschreibungen wie "autofrei" gehen stets auf die Medien zurück, die damit versuchen jeglichen Wandel in der Verkehrspolitik weg vom Auto zu sabotieren. So auch jetzt wieder, denn es stehen 10.000 Stellplätze in Parkhäusern zur Verfügung. Wie passt das zusammen mit einer angeblich "autofreien" Innenstadt?
Die Leute, die direkt in der Innenstadt leben, besitzen (!) zu teilweise 90% gar kein Auto ...
Das entspricht schlicht nicht der Realität:
Die Stadtteile mit der geringsten Dichte an privaten Pkw sind die Nordstadt (213), Linden-Süd (215),
Linden-Nord (224) und die Calenberger Neustadt (228). Bei allen handelt es sich um innenstadtnahe
Gebiete, wo die Notwendigkeit zu individueller Mobilität aufgrund kurzer Wege und guter Anbindung an
den ÖPNV weniger gegeben ist. Das sind immer noch deutlich mehr als wie von dir vermutet 10%. Und dabei muss weiterhin berücksichtigt werden, dass der Anteil der Menschen, die in einem Haushalt leben, in denen ihnen nach Absprache mit den anderen Mitgliedern des Haushaltes ein Auto zur Verfügung steht, noch einmal deutlich höher ist als 20-30%.
Will heißen: Auch in innenstadtnahen Stadtteilen oder direkt in der Innenstadt ist "autofrei" für viele Menschen ein "Reizwort". Der Bürgermeister oder der Stadtrat werden aber nicht alleine von den Innenstadtbewohnern gewählt oder den Bewohnern der innenstadtnahen Stadtteile.
"Isernhagen-Süd und Wülferode führen die Liste mit 597 bzw. 583 private Pkw je 1.000 Einwohner*innen deutlich an und liegen mit diesen Werten auch deutlich vor den folgenden (Seelhorst, Bothfeld und Lahe) mit 472, 458 und 456 private Pkw je 1.000 Einwohner*innen." Und die vielen Menschen in innenstadtfernen Stadtteilen sind ebenfalls Wähler, deren irrationalen Ängste und Verstocktheit gegenüber einer autofreien Mobilität im erheblichen Maß dazu beitragen, dass es so schwierig ist, die dringend notwendige Verkehrswende herbeizuführen.
Zahlen zum privaten Autobesitz aus: