Manchmal trifft der trockene Humor des Spiegel voll ins Rosagelbe.
https://www.spiegel.de/politik/deutsc…b1-d7fc2de1425f
Hier ist der Spiegel-Artikel nochmal lesbar verlinkt:
Warum macht mir dieser Absatz Kopfzerbrechen?
"Der FDP-Chef will Subventionen abbauen, Scholz schlägt neue Subventionen vor, um die Energiepreise für Unternehmen zu senken. Scholz will ein Rettungspaket für die Automobilindustrie – und er will, wie morgens mündlich vorgetragen, wegen neuer Hilfen für die Ukraine die Schuldenbremse aussetzen, eine Notlage erklären."
Selbst mal angenommen, dass es zutrifft und die FDP tatsächlich Subventionen abbauen will. (Dass es ihr dabei vor allem darum geht, dass Reiche keine oder nur sehr wenig Steuern und Sozialabgaben zahlen, was ja eigentlich Subventionen für Reiche sind, sei mal eingeklammert.)
Keine Schulden und gezielte Subventionen bedeutet doch, dass für den Staat eine wichtige staatliche Steuerungsmöglichkeit der Wirtschaft wegfallen würde.
Scholz will Steuern (um steuern zu können) und braucht dafür Geld und er wäre auch bereit, neue Schulden aufzunehmen. (Das ist immer noch weniger unattraktiv, als Steuererhöhungen anzukündigen.) Schulden, die der Staat aufnimmt, sind nicht vergleichbar mit den Schulden von Privatperson. Verbreitete Denke ist: Schulden aufnehmen ist was Schlimmes und Unanständiges (außer denen für mein Häuschen). Schulden aufnehmen wird fast so schlecht goutiert vom Wahlvolk, wie Steuererhöhungen ankündigen. Dass es komplett anders ist, wenn der Staat Schulden aufnimmt, wird in der Regel nicht gesehen.
Das Kopfzerbrechen beginnt bei mir, wenn ich lese, wofür Scholz die Staatskredite einsetzen will:
"Scholz will ein Rettungspaket für die Automobilindustrie". Das halte ich im Sinne einer ökonomisch und ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung für absolut desaströs. Auch wenn alles Geld dafür ausgegeben würde, um damit einen konsequenten Umstieg der Antriebslösung (elektrisch statt Verbrenner) zu erzwingen, wäre es langfristig nicht nachhaltig. Denn dazu müsste ein Infrastrukturumbau zugunsten des ÖPNV stattfinden. Statt Straßenausbau müsste Umnutzung der vorhandenen Straßen mit hoher Priorität für den ÖPNV erfolgen (Zumindest das würde gar nicht mal so viel Geld kosten.) Die industriellen Anlagen und damit auch die Arbeitsplätze in der Automobilindustrie müssen umgenutzt werden für den Bau von ÖPNV-Transportmitteln. Und wenn dadurch Arbeitsplätze wegfallen? Bei einem ÖPNV-Ausbau entstehen neue!
Und was ist mit der Schuldenaufnahme für die Unterstützung der Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen eine Okkupation durch die russische Föderation? Da verbreiten die AfD und das Wagenknecht-Bündnis gerade die Urban-Botschaft, Putin habe den Krieg sowieso schon gewonnen und jeder Euro Militärhilfe für die Ukraine sei rausgeschmissenes Geld. Damit ziehen die Populisten von AfD und BSW die Unzufriedenen an sich und es gelingt ihnen Nicht-Wähler, Nicht-mehr-Wähler und Noch-Wähler von demokratischen Parteien für sich zu gewinnen.
Scholz hatte deutlich gesagt: "Man dürfe nicht die äußere gegen die innere Sicherheit ausspielen, nicht die Ukrainehilfe gegen Hilfen für die Wirtschaft, nicht Verteidigungsausgaben gegen Geld für Rente, Soziales, Pflege stellen." (steht auch in dem Spiegel-Artikel) Aber lauert da nicht die Gefahr, dass das so ankommt bei den Wähler*innen: "Nur wenn Ihr bereits seid liebe Wähler*innen der Verschuldung für die notwendigen Militärhilfen für die Ukraine und die Aufrüstung in Deutschland zuzustimmen, gibt es auch weiter Geld für Rente, Gesundheitsversorgung und Soziales."
Was fehlt: Eine Partei, die gewählt werden will und es verdient hat, gewählt zu werden, muss eine glaubwürdige Vision haben: Investitionen in Kindergärten und das weitere Kinderbetreuungs- und Bildungssystem, Investitionen in ein funktionierendes Sozialsystem, Investitionen in Fortbildungsmöglichkeiten für bereits langjährig Beschäftigte und von Arbeitslosigkeit Betroffene sind Investitionen in eine lebenswerte Zukunft und die machen sich langfristig bezahlt.
Wir bauen dann mal ein paar Elektromotoren in die Autos, in die wir früher Verbrennermotoren eingebaut haben, damit keine Arbeitsplätze in der Autoindustrie wegfallen, ist kein bahnbrechender Fortschritt, sondern bestenfalls Stillstand.