Da kann man nichts machen. Die Argumente - sowohl historisch als auch aktuell begründet - wurden ja alle mehrfach genannt. Mit Faschisten auf Kriegszug kann man nicht verhandeln, Punkt.
Solche Punktum-Basta Ausrufe sind nicht immer hilfreich. Selbst dann, wenn man eine knallharte Konfrontationspolitik verfolgt, weil man sich sicher ist, dass es keine Alternative zur militärischen Antwort gibt, ist es nicht unbedingt hilfreich.
Eines der gravierendsten Beispiele dafür, dass es nicht möglich sei, mit Faschisten zu verhandeln, ist das Münchner Abkommen von 1938.
In seinem Buch "München" stellt der Autor Robert Harris die Ereignisse so dar, dass der später von vielen als Appeasement-Politiker geschmähte britische Premier Chamberlain in Wirklichkeit von Hitlers Kriegsabsichten überzeugt war und das Friedens-Abkommen dennoch getroffen habe, und zwar um Zeit zu gewinnen für die Aufrüstung in Großbritannien.
"Hitler wollte den Krieg bereits 1938 und hat sein Leben lang geglaubt, dass, hätte er den Krieg 1938 bereits begonnen, dass er dann diesen Krieg auch gewonnen hätte. Und Chamberlain glaubte das auch. Insofern war das Münchner Abkommen ein notwendiges Übel und man muss das eben auch so sehen, dass es Großbritannien die Möglichkeit gegeben hat, sich neu zu bewaffnen. Und als der Krieg dann zwischen Deutschland und Großbritannien 1940 ausbrach, konnte Großbritannien dagegenhalten."
Robert Harris in einem dlf-Interview von 2017
Harris' Darstellung zur Folge hat also Chamberlain mit Hitler verhandelt, um ihn zu täuschen.
Aber es gab auch andere Verhandlungen (ohne Täuschungsabsicht) von demokratischen Staaten mit Diktatoren. Der spanische Diktator Franco beispielsweise hatte in Spanien die Demokratie in einem blutigen Bürgerkrieg beseitigt und trotzdem wurde von den Alliierten mit ihm verhandelt. Wie groß der Anteil erfolgreicher Verhandlungen war und wie groß der Anteil der realistischen Einschätzung Francos war, als Kriegspartei nicht bestehen zu können, sei mal dahingestellt. Fest steht, Spanien verhielt sich im 2. Weltkrieg weitgehend neutral. Verhandlungen mit Faschisten in einem Kriegszug auf einem Nebenkriegsschauplatz gab es also auch.
Wollte die Bevölkerung der Ukraine tatsächlich versuchen, sich ausschließlich mit gewaltfreien Mitteln Russlands Angriffskrieg zu widersetzen, dann würde das sehr wahrscheinlich ebenfalls große Opferzahlen hervorrufen und viel Leid und Elend über die Menschen bringen, schlimmer noch als das, was ja auch jetzt schon in Russland selbst viele Menschen erleben. Trotzdem ist es wichtig, die Option ziviler Widerstand nicht in Bausch und Bogen zu verdammen, sondern als Alternative zur jetzigen Kriegsführung zu behandeln.
Etwas anderes bleibt denjenigen Menschen, die derzeit in den von Russland besetzten Gebieten leben, auch gar nicht übrig, sofern sie nicht fliehen können oder nicht fliehen wollen. Oder sich nicht an einem Partisanenkampf beteiligen können oder wollen.