Sehr treffender Vergleich. Es wäre eigentlich Aufgabe der Medien, das entsprechend herauszustellen, abzugleichen, einzuordnen. Zu recherchieren, wie sich das Geschehen entwickelt hat, was getan oder unterlassen wurde, welche Folgen das haben könnte, usw. Sowas findet man leider kaum noch. Stattdessen gegenseitiges Überbieten mit Schlagzeilen a la "Söder macht Ernst, dürfen wir ab morgen überhaupt noch alleine aufs Klo?! Stärkste Ausgangsbeschränkung seit 1848!", statt Substanz nur Abschreiben einiger Wortfetzen von der Konkurrenz und der Pressemitteilung - manchmal nichtmal das.
Kleines Beispiel: in der gestern veröffentlichten Pressemitteilung zur neuen Verordnung stehen beispielhaft aufgelistet, was - unter anderem - triftige Gründe sind, aus der Wohnung zu gehen:
- die Ausübung beruflicher oder dienstlicher Tätigkeiten,
- die Inanspruchnahme medizinischer und veterinärmedizinischer Versorgungsleistungen, der Besuch bei Angehörigen therapeutischer Berufe sowie Blutspenden,
- Versorgungsgänge, der Einkauf in den nach der 9. BayIfSMV geöffneten Geschäften und der Besuch der nach der 9. BayIfSMV geöffneten Dienstleistungsbetriebe (inkl. Weihnachtsbesorgungen),
- der Besuch eines anderen Hausstands, solange dabei eine Gesamtzahl von insgesamt fünf Personen nicht überschritten wird (die zu diesen Hausständen gehörenden Kinder unter 14 Jahren bleiben für die Gesamtzahl außer Betracht),
- der Besuch bei Lebenspartnern, Alten, Kranken oder Menschen mit Einschränkungen,
- die Wahrnehmung des Sorge- und Umgangsrechts im jeweiligen privaten Bereich,
- die Begleitung von unterstützungsbedürftigen Personen und Minderjährigen,
- die Begleitung Sterbender sowie Beerdigungen in engem Kreis,
- Sport und Bewegung an der frischen Luft, alleine, mit dem eigenen Hausstand und mit einem anderen Hausstand, solange dabei eine Gesamtzahl von insgesamt 5 Personen nicht überschritten wird.
- Handlungen zur Versorgung von Tieren,
- der Besuch von Kinderbetreuungseinrichtungen, Schule, Hochschule und sonstiger Ausbildungsstätte,
- Ämtergänge,
- die Teilnahme an Gottesdiensten und Zusammenkünften von Glaubensgemeinschaften und
- die Teilnahme an zulässigen Versammlungen nach dem BayVersG.
Jetzt muss man sich in Erinnerung rufen, dass in Bayern bereits alle Kneipen, Bars, Restaurants (außer Abholung), Theater, Kinos, Museen, Sportstätten, Fitnessstudios, Hotels, Skigebiete und fast alle Weihnachtsmärkte verboten, geschlossen und/oder abgesagt sind. Außerdem hat es nachts regelmäßig Minusgrade und wird das wohl auch die nächste Zeit (im Volksmund genannt "Winter") haben.
Man kann also feststellen, dass nahezu alles, was einen vor die Tür bringen könnte, auch schon ohne die neuen Regeln nicht vorhanden ist und sich somit in dieser Hinsicht gar nichts ändern wird. Im Gegenteil dürfte es sogar noch verschärfend wirken, denn die wenigen vernünftigen Leute, die sich aus Infektionsschutzgründen draußen statt drinnen getroffen haben, werden sich in Zukunft drinnen treffen, wenn selbst ein Glühwein oder Bier ein Bußgeld nach sich zieht. Und damit der neugierige Nachbar nicht die Polizei rufen kann, natürlich bei geschlossenen Rollläden und komplett stehender Luft - wohlgemerkt, nachdem alle Teilnehmer tagsüber in Schule, Büro, Werkshalle, Kantine, Supermarkt und Möbelhaus waren - denn da muss man ja weiterhin hin und was anderes kann man ja eh nicht mehr machen.
So weit, so sinnlos. Das allein wäre aber nicht so schlimm (es ist, wie schon angesprochen, immer noch Söder und die CSU, da erwartet man nichts anderes), schlimm wird es erst, wenn man die Medienberichte dazu anschaut. Ich greife einfach mal wahllos den wohl wichtigsten Punkt raus, Besuche bei Lebenspartnern und Freunden (der berühmte "andere Hausstand") - denn tagsüber gibt es dank geöffneter Geschäfte und Sport sowieso so irre viele bereits gelistete Gründe, dass selbst das ausdenken eines eigenen (vgl. VGH München, Beschluss v. 28.04.2020 – 20 NE 20.849) gar nicht mehr nötig ist. Trotzdem habe ich dieses Thema gestern bei keinem einzigen Bericht der größeren Medien gefunden - es wurde überall so dargestellt, als dürfe man nur noch zum Arzt, zum Einkaufen und zur Arbeit und sonst nichts. Die Pressemitteilung war bereits Sonntagnachmittag da, es wäre ein leichtes gewesen, sie zu lesen und einzuordnen. Ob das aus Faulheit, Unachtsamkeit oder mit Absicht unterblieben ist, will ich nicht beurteilen. Zumindest BR24 hat den ursprünglichen Artikel mittlerweile korrigiert, aber auch hier sind nicht alle Informationen nachgetragen worden.
Im Prinzip macht Söder es wie im März/April - große Pressekonferenz einberufen, laut poltern, dabei sehr genau auf die Wortwahl achten und wenn sich der Nebel gelichtet hat, ist die Presse schon dem nächsten Skandal hinterher. Für den beiläufigen Leser, auch außerhalb Bayerns, bleibt "Söder, das ist ein harter Hund!" im Gedächtnis, auch wenn es faktisch nie so war. Ich wette, dass noch heute genug Menschen in Deutschland denken, dass Söder den Bayern verboten hat, im März alleine auf Parkbänken zu sitzen, auch wenn es nie so war und er das auch gar nicht könnte. Er nutzt nur sehr geschickt aus, dass die Presse sich lieber mit Sondermeldungen überschlägt anstatt gründlich und aufklärend zu informieren, und dass die meisten Leute weder genau lesen bzw. zuhören, noch ausreichendes Hintergrundwissen z. B. zur Gewaltenteilung, dem Aufbau unserer Verwaltung oder ihren eigenen Rechten haben.