Wie willst du denn aus §5 einen Abstand fordern?
§ 5 Abs. 4 S. 2 StVO fordert ausreichenden Abstand des Überholenden. Man kann aus bestimmten Gründen das Überholen von Radfahrern auf Radfahrstreifen als nicht unmittelbar dieser Regelung unterliegend begreifen, indes aber immer noch eine analoge Geltung in Betracht ziehen.
Aber daraus zu fordern, dass der identisch sein muss mit dem Abstand aus §5 leuchtet mir nicht ein.
So man die Notwendigkeit eines Abstandes nicht aus § 5 StVO herleiten will, muss der Überholende jedenfalls nach § 1 StVO eine Gefährdung ausschließen. M.E. beruht die Rechtsprechung zu ausreichendem Abstand gemäß § 5 StVO aber nur auf Erkenntnissen zur Sicherheit, also welcher Mindestabstand eine Gefährdung ausschließt. Somit wäre der notwendige Abstand bei § 1 StVO genauso groß. Anders wäre dies, wenn in die Bewertung des ausreichenden Abstands nach § 5 StVO andere "Wohlfühlfaktoren" mit eingeflossen wären, dann wäre für den reinen Gefährdungsausschluss nach § 1 StVO ein geringerer Maßstab ausreichend.
Warum hat denn deiner Meinung nach der Gesetzgeber überhaupt unterschieden, zwischen Schutzstreifen und Radfahrstreifen, was das Überholen und somit den Seitenabstand in §5 angeht?
Ich habe jetzt nicht nochmal in die Unterlagen zur Einführung von Radstreifen hineingesehen, aber m.E. war dem Verordnungsgeber diese Unterscheidung absolut nicht bewusst, es ging ihm bei der Unterscheidung IMHO lediglich um Platz, Benutzungspflichten und die Möglichkeit der Mitbenutzung durch Kfz. Hinsichtlich des gegenseitigen Überholens von Rad- und Autofahrern würde ich zwischen Schutzstreifen und Radfahrstreifen i.E. nicht unterscheiden, dies wäre allein wegen der theoretischen dogmatischen Unterscheidung m.E. praxisfern, gerade weil kaum ein VT zwischen den verschiedenen Radstreifen differenziert.
Warum erwähnt der Gesetzgeber in §5 den Seitenabstand, wenn er aus §1 schon hervorgeht?
IMHO gehen sehr viele spezielle Regeln der StVO auch schon aus § 1 StVO hervor, bestimmte besonders wichtige Sachverhalte wurden aber gesondert erläutert. Als Auffangvorschrift und Auslegungsregel für alle Fälle kommt die Norm jedoch insbesondere bei sonst ungeregelten Fällen auch zur direkten Anwendung.
Wie würdest du als Polizist einen Autofahrer verwarnen, der einen zu geringen Abstand zu einem Radfahrer auf einem Sonderweg gehalten hat?
Ich fände je nach Abstand durchaus die Tatbestandsnummern 101100, 101106, 101112, 101118 angebracht.