Ungleicher Fahrradboom in Deutschland

  • Das ist schon von Anfang 2022, aber ich hab's hier über eine schnelle Suche nicht entdeckt:

    Ungleicher Fahrradboom: Fahrrad wird immer mehr zum Statussymbol
    Radverkehr hat in Deutschland zwischen 1996 und 2018 um mehr als 40 Prozent zugenommen / Trend gilt in erster Linie für Menschen mit höherem Bildungsabschluss
    portal.uni-koeln.de
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    Stadtbewohner:innen in Deutschland mit Abitur fuhren 2018 mit 70 Minuten pro Woche durchschnittlich doppelt so viel Fahrrad wie noch 1996. Bei Bewohner:innen weniger urbaner Gegenden ohne Abitur hat sich in diesem Zeitraum aber kaum etwas verändert. Stadtbewohner:innen mit Abitur fahren heute dreimal so lange Fahrrad wie Bewohner:innen ländlicher Gegenden ohne Abitur.

    Es geht noch weiter: Auch wenn man gleiche Bedingungen berücksichtigt, wird bei höherem Bildungsabschluss mehr Rad gefahren.

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    Die Befunde haben weitreichende gesellschaftliche Bedeutung. Menschen mit niedrigeren Bildungsabschlüssen verfügen häufiger über geringe finanzielle Ressourcen und haben im Durchschnitt einen schlechteren Gesundheitszustand. Das Fahrrad als kostengünstiges und gesundes Fortbewegungsmittel könnte solche Ungleichheiten mildern – aber das Gegenteil ist der Fall. Viele Städte fördern den Radverkehr und verteilen Straßenraum vom Auto- zum Radverkehr hin um. Im Moment kommen diese Maßnahmen aber in erster Linie den Höhergebildeten zugute. Dr. Ansgar Hudde resümiert: „Wenn es der Politik gelingt, das Radfahren für alle attraktiv zu machen, bedeutet das: lebenswertere Orte, bessere Gesundheit, mehr Umweltschutz und weniger soziale Ungleichheit.“

  • Es geht noch weiter: Auch wenn man gleiche Bedingungen berücksichtigt, wird bei höherem Bildungsabschluss mehr Rad gefahren.

    Scheinkorrelation: Studenten ziehen eher in die verdichteten Universitätsstädte mit extrem hohem Parkdruck und haben über lange Zeit nur schmale Einkünfte. Sie wählen daher notgedrungen das Fahrrad. Lehrlinge bleiben eher auf dem Dorf ihrer Kindheit, können sich quasi vom ersten Gehalt ein Auto kaufen, das sie jederzeit nach Belieben parken können, und fahren daher gerne mit dem Hoppelgolf rum. Und das bleibt dann lebenslang oft so.

    Es würde mich sehr wundern, wenn es diese Schere nicht auch in Dänemark oder den Niederlanden gäbe.

  • Um mehr zu wissen, müsste man die Publikation lesen. Aus der PM:

    Zitat

    „Personen mit Hochschulabschluss nutzen in der Stadt das Fahrrad fast 50 Prozent häufiger als Personen ohne Hochschulabschluss, wobei Faktoren wie Alter, Geschlecht und Wohnort bei der Untersuchung konstant gehalten wurden. Die Ergebnisse deuten insgesamt klar darauf hin, dass es der Bildungsstand selbst ist, der zu mehr Radfahren führt“, so Ansgar Hudde.


    Es könnte hier noch andere versteckte Variablen geben, die allerdings zum Teil wieder vom Bildungsabschluss abhängen, also z.B. körperliche Beanspruchung bei der Arbeit, flexible Arbeitszeit.

    Was mich interessieren würde ist, ob diese Aussagen auch untersucht sind, weil sie in dem Kontext eher nach Hypothesen klingen:

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    „Beim Fahrrad ist es genau umgekehrt. Personen mit höheren Bildungsabschlüssen laufen meist nicht Gefahr, dass sie als arm oder beruflich erfolglos wahrgenommen werden – selbst dann, wenn sie mit einem günstigen Rad unterwegs sind. Sie können mit dem Fahrrad vielmehr an Status gewinnen, wenn sie sich als modern, gesundheits- und umweltbewusst zeigen“, erläutert Hudde. „Dagegen könnten Personen mit weniger hohen Bildungsabschlüssen ein teures Auto eher als Statussymbol nutzen, um zu zeigen, dass sie es zu Wohlstand gebracht haben.“