Der Täter trug eine Manchesterhose, eine saloppe Steppjacke und einen bayrischen Trachtenhut. Er fuhr mit einem Geländewagen der Marke Mercedes zum Grenzübergang Kiefersfelden auf der Inntal-Autobahn, mischte sich unter eine Ansammlung drohend entschlossener Männer und tat, als wäre er mit von der Partie: »Sie haben«, versicherte er, »meine volle Unterstützung.«
Es war der Auftritt des bayrischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, 68, der an einem Samstag Ende Februar die spektakuläre Lastwagen-Blockade auf der Alpen-Autobahn besichtigte und die streikenden Fernfahrer kumpelhaft ermunterte. Sein Sympathiebesuch galt vor Ort als »ein Knüller« (Horst Dinnebier, Sprecher des bayrischen Transportunternehmerverbandes). Die Blockierer klatschten Beifall für den Beistand.
Die Visite des obersten Bayern erfüllte allerdings auch, so jedenfalls sieht es der Rechtsanwalt Wolfram Leyrer aus Tübingen, einen strafrechtlichen Tatbestand: Beihilfe zur Nötigung, die durch die tagelange Truckersperre ausgeübt wurde und derentwegen die zuständige Staatsanwaltschaft in Traunstein ermittelt, wenn auch bislang nur in einzelnen Fahrer-Fällen.
Anwalt Leyrer erstattete Strafanzeige gegen Strauß nach den Paragraphen 27 (Beihilfe) und 240 (Nötigung) des Strafgesetzbuches. Denn auch, so der Jurist, wenn es das Hauptanliegen des Grenzbesuchers gewesen sein sollte, sich ein Bild von den »untragbaren Zuständen« zu machen, habe er »den erst durch seine Anwesenheit zu erzielenden, die Blockade unterstützenden Effekt mindestens billigend in Kauf« genommen.
Den in der Verteidigung von Friedens-Blockierern erfahrenen Anwalt empörte, daß »ersichtlich gleichliegende Fälle von Nötigung ersichtlich ungleich behandelt« werden. Während die Raketen-Gegner von der Justiz mitunter »wie im Supermarkt abgefertigt« würden, seien die Brummi-Kapitäne »beinahe gar nicht erst in den Verdacht eines Rechtsbruchs geraten«. Und: »Wer denkt da«, fragt sich der Anwalt, »schon an einen mutmaßlichen Tatgehilfen Strauß?«
Eine »doppelte Moral« beklagte im gleichen Zusammenhang der nordrheinwestfälische Innenminister Herbert Schnoor (SPD) letzte Woche: »Junge Leute, die Kasernen blockieren, sind in den Augen der Bundesregierung von Moskau gesteuerte Chaoten. Aber Fahrer von Lastkraftwagen, die aus finanziellem Interesse die Alpenpässe sperren, werden von einem leibhaftigen konservativen Ministerpräsidenten besucht.«