Donnerstag, 12.05 Uhr.
15 Minuten warte ich an der Torwache, da der Kollege, mit dem ich *gegen* 12 Uhr (denn 14 Uhr ist Dienstschluß) verabredet bin, in der Mittagspause befindlich ist und zunächst von dessen Vorgesetztem gesucht werden muß. Ohne amtliche Begleitung oder Vorladung darf man das Gelände nicht betreten. Eine Sitzgelegenheit für Wartende, womöglich gar überdacht, gibt es nicht, aber immerhin einen eifrig von Ameisen frequentierten Bordsteinrest aus der Kaiserszeit unter einem Baum am Pförtnerhäuschen.
Nachdem der Herr aufgetan und zwecks meines Empfangs zur Torwache geschickt ist, nimmt er meinen Ausweis und den alten Kaufvertrag meines Fahrrades zur Vervielfältigung entgegen, ich werde in einem Flur im Erdgeschoß eines ebenso alten Kasernengebäudes auf einem Gartenstuhl plaziert. Nochmal 15 Minuten später kehrt er wieder mit meinen Unterlagen und dem Rest meines Fahrrades. Scheinwerfer ist vorhanden, aber zerstört, Dynamohalterung wurde *zerissen*, der Dynamo liegt im verbeulten Fahrradkorb, wie angekündigt fehlt der Sattel sowie außerdem die Sattelstütze, aber die Sattelhaube liegt beim Dynamo, das Kabel zur Tachohalterung ist auch zerrissen, der Rückspiegel fehlt, und die Spiegelhalterung ist zerbrochen, aber der übrige Rest nach erstem Augenschein vorhanden und intakt.
Im Aufenthaltsraum, den wir nun gemeinsam betreten und der sonst offensichtlich der Einnahme der Mahlzeiten sowie der Zubereitung eines gelegentlichen Kaffees dient, werde ich an einen dieser Speisetische gebeten, um die Formalitäten abzuwickeln.
Am 28.06.2015 (3 Tage bevor ich einen gebrauchten Ersatz kaufte) war das Fahrrad bei einem Drogendealer afrikanischer Herkunft im Görlitzer Park sichergestellt worden, die Kollegen hätten aber die Rahmennummer nicht gefunden, die steht nämlich direkt über dem Tretlager auf dem Sitzrohr, auf der dem Antrieb abgewandten Seite, somit also an ungewohnter Stelle, weshalb sie nicht gleich überprüft worden sei.
Man belehrt mich, daß in dem Falle, daß das Fahrrad versichert gewesen und ich zwischenzeitlich entschädigt worden sei, das Fahrrad nun Eigentum der Versicherung wäre und ich es ihr übergeben müßte.
Ich unterzeichne die Belehrung und die Empfangsbestätigung und bedanke mich freundlich. Anschließend bringt mich der Kollege wieder zur Torwache.
Ich schiebe zwei Fahrräder nach Hause, unterbrochen von einer kleinen Rast an einem Imbiß auf dem Tempelhofer Feld. Das Hefeweizen hilft mir, meinen Zorn allmählich verrauchen zu lassen. Die Sonne scheint, es ist ein herrlicher Frühlingstag, und das Rücklicht sowie der Vorbau sind weiterverwendbar, möglicherweise sogar der 36er Zahnkranz. Immerhin. Der bis zu meiner Heimkehr im Rucksack befindliche Kaffee wird gerade in meiner Küche verbraucht.
African Blue - unter den Industriekaffees eine klare Empfehlung für jene, die noch bezahlbaren, aber trotzdem guten Kaffee zu schätzen wissen und entsprechend sorgsam zubereiten können.
Ich differenziere.