Beiträge von simon

    Die Beschilderung als Radweg mit Freigabe für Busse hat den Zweck, Falschparken härter zu bestrafen:

    Nicht nur. Ein anderes Problem ist, dass es für die Busspur eine qualifizierte Gefahrenlage braucht (zB weil der Bus sonst regelmäßig erhebliche Verspätungen hat). Bei einem für Busse freigegebenem Radfahrstreifen ist das nicht notwendig.

    Und daraus ziehst Du den Umkehrschluss, dass ohne Zeichen 237 anderer Verkehr erlaubt ist?

    Ja. Der Vorbehalt des Gesetzes ist prägendes Element unseres Rechtsstaats.

    Für nicht benutzungspflichtige Radwege ergibt sich das Verbot auch nicht aus der Beschilderung oder deren Fehlen, sondern aus § 2 I StVO (für Fahrzeuge, iVm § 28 II 1 StVO für Reiter) bzw. § 25 I 1 StVO für Fußgänger. Wenn der Radweg als solcher nicht wirklich erkennbar ist (zB weil die Behörde auf die Idee gekommen ist, kaum unterscheidbare Pflaster zu verwenden), kann einem Fußgänger, der sich darauf verirrt aber auch kein Vorwurf im Sinne einer fahrlässigen Begehung der Owi gemacht werden.

    Und wie unterscheidet man Radweg und Gehweg?

    Bei einem Hochbord nötigenfalls durch Piktogramme. In dem Fall ergibt sich das Verbot für Kraftfahrer/Fußgänger aber eben nicht aus dem Piktogramm, sondern aus der Eigenschaft als baulich angelegter Radweg bzw. Gehweg. Im Übrigen ist ein mit Bordstein abgegrenzter Weg eindeutig erkennbar nicht Fahrbahn, woran es genau in dem ursprünglichen Beitrag mangelte.

    Zitat

    Welche Formierung genau meinst Du hier? [...] Ein baulich angelegter Radweg kann auf verschiedenste Arten kenntlich gemacht werden. Es kann das klassische Rot ein. Manchmal ist es aber auch nur Asphalt statt Gehwegplatten. Oder sogar nur eine Linie auf dem Hochbord bei sonst identischem Belag.


    Nr. 2 ("Anderer Verkehr darf ihn nicht benutzen.") bei VZ 237.

    Aber selbst in den von dir aufgezählten Fällen hast du durch die bauliche Gestaltung (Hochbord) immer noch eine zumindest klare Trennung von der Fahrbahn. Ein "Gehweg" der nur durch einen aufgemalten Strich als solcher erkennbar ist, ist ohne Beschilderung kein Gehweg, sondern einfach ein Seitenstreifen.

    Macht sich da irgendjemand hinter dem Lenkrad Gedanken über juristische Feinheiten wie im obigen Satz?

    Muss er nicht, die meisten Autofahrer haben eh keine Ahnung, was nach § 1 StVO sonst so drinnen steht. Art. 103 II GG gilt aber auch für das Owi-Verfahren. "Man sieht ja, was gemeint ist" reicht eben nicht aus, wenn es keine entsprechende Verbotsregelung dazu gibt.

    Wie bereits oben zitiert: Wer ein Fahrzeug führt, darf links von der durchgehenden Fahrbahnbegrenzungslinie nicht halten, wenn rechts ein Seitenstreifen oder Sonderweg vorhanden ist.

    Machen die Autofahrer auch nicht. Die stehen auf dem Seitenstreifen, wie es § 12 Abs. 4 StVO vorschreibt und nicht links daneben.

    Woher ergibt sich aus der StVO, was ein unbeschilderter Gehweg ist? Was ein Radweg?

    Aus der baulichen Gestaltung; die sind für den Fahrzeugführer klar baulich von der Fahrbahn abgetrennt. Das unterscheidet den Radweg gerade vom Radfahrstreifen. Es ist ja nicht so, dass der Seitenstreifen mit Radpiktogramm nicht beschildert wäre: Der Trennstrich als VZ 295 ist klar definiert. Es gibt im Bezug auf Verkehrszeichen einen Ausschließlichkeitsgrundsatz, weshalb die Behörde sich nicht einfach neue Verkehrszeichen ausdenken darf (das OVG BB hat zB aus dem Grund auch mal eine Tempo-10-Zone aufgehoben). Die Möglichkeiten für Sonderwege zählt Abschnitt 5 der Anlage 2 der StVO abschließend auf, vgl. die Überschrift des Abschnitts die "Sonderwege" lautet.


    Ohne jegliche Erklärung.

    § 2 StVO, § 12 StVO und Anlage 2 zur StVO sind da eigentlich ziemlich klar. Für einen baulich nicht abgegrenzten Sonderweg braucht es VZ 237, weil dieses in Anlage 2 ein Verbot enthält. Für einen Schutzstreifen ergibt sich das Verbot aus Zeichen 340 der Anlage 3 zur StVO ("Auf durch Leitlinien markierten Schutzstreifen für den Radverkehr darf nicht gehalten werden."). VZ 295 alleine sieht kein Verbot vor, und das Piktogramm kann auf Grund des straßenverkehrsrechtlichen Ausschließlichkeitsgrundsatzes einfachrechtlich schon keine Verbotswirkung entfalten.

    Deshalb kann man durchaus davon ausgehen, dass ein Seitenstreifen mit Fahrradpiktogramm ein Radfahrstreifen ist und das Blauschild die B-Pflicht hinzufügt.

    Aha. Und woher ergibt sich dann aus der StVO für einen solchen nicht beschilderten Streifen das Benutzungs- bzw. Parkverbot für Kfz? Ohne gesetzliche Grundlage keine Strafe, so einfach ist das - und zwar auch im Owi-Recht. Das bloße Vorhandensein eines Fahrradpiktogramms zeigt allenfalls, dass man dort als Radfahrer fahren darf, und das war es auch schon.

    Das "Problem" liegt doch maßgeblich darin, dass es ohne Schild einfach nur ein Seitenstreifen mit Piktogramm ist. Auf dem Seitenstreifen ist gem. § 12 Abs. 4 StVO zu parken, sofern kein Verbot hierzu angeordnet wurde - die Autofahrer verhalten sich richtig.
    Bei einem Radfahrstreifen untersagt VZ 237 die Verwendung durch anderen Verkehr als den Radverkehr. Eine Anwendung der Bußgeldvorschrift auf irgendwelche anderen Radführungen, die der Gesetzgeber nicht konzipiert hat (wie hier) scheidet schon wegen Verstoß gegen das Analogieverbot aus.

    Genau. Zusätzlich muss man bedenken, dass - sollte der gefahrreduzierte Teil nur einen Block oder so auf einer langen Straße ausmachen - das Gericht das ganze unter Umständen so sieht, dass auf der Gesamtstrecke trotzdem eine qualifizierte Gefahrenlage besteht, damit man eine stetige Führung hat. Wenns irgendwo in der Mitte in zwei teilbar ist, wird sich das Problem aber eher weniger geben.

    Tja, wenn es während des Fahrens keinen Hinweis darauf gibt, dass das Fahren verboten ist, dann ist es wohl erlaubt.

    Keine Strafe ohne Verstoß, ganz einfach. Wichtig ist nur, sich trotzdem an Polizeiweisungen zu halten, weil die etwaig vorhandener (oder fehlender) Beschilderung vorgeht.

    DMHHWillst du eigentlich gegen die Weisung vorgehen oder nur gegen ein etwaiges Bußgeld, falls das auf dem Vorwurf der Missachtung eines Fahrradverbots fußt?

    „VG Hamburg 5 K 4862/19* Urteil vom 11.07.2023

    Erfolgreiche Klage gegen die Radwegbenutzungspflicht auf der Schlossstraße in Wandsbek und erfolglose Klage auf Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung“

    Spannend hier vor allem der Aspekt, dass das Gericht nicht durchgehen lassen wollte, dass man Schrägparken der Sicherheit von Radfahrern vorziehen wollte:

    Zitat

    Die konkrete Ermessensausübung über die Radwegbenutzungspflicht ist zumindest wegen einer auf der Strecke stadteinwärts zwischen Witthöfftstraße und Robert-SchumanBrücke ohne Not eröffneten Gefahrenquelle fehlerhaft. Nach dem Stand zum Schluss der mündlichen Verhandlung wird der benutzungspflichtige Radweg hier - trotz möglicher Alternativen - nicht sicher geführt oder zumindest das mit ihm verbundene Risiko nicht in die behördlichen Ermessenserwägungen hinsichtlich der Anordnung einer Pflicht zu seiner Benutzung des Radwegs eingestellt. [...] In tatsächlicher Hinsicht steht die Baulichkeit einer mit einfachen Mitteln umzusetzenden Beendigung der Konfliktsituation durch Aufhebung der Parknutzung nicht entgegen.


    Der andere, klare Aspekt, den das VG München bisher nur andeutete (und bis dato noch nicht relevant war):

    Zitat

    Der gerichtlichen Überprüfung unterliegt gemäß § 114 Satz 1 VwGO die behördliche Ermessensbetätigung in ihrer konkreten Gestalt. Die Beklagte hat ihr Ermessen ausweislich des Widerspruchsbescheids hinsichtlich des gesamten Hauptstrangs der Schloßstraße einheitlich ausgeübt.

    Kurz: Wenn eine verkehrsrechtliche Anordnung durchgehend eine Straße regelt, von der in einem Teil die Benutzungspflicht möglich ist (zB hohes Verkehrsaufkommen bei guten Radwegen) und im anderen Teil nicht (zB wenig Verkehr bei schlechtem Radweg) heißt das, dass man trotzdem die ganze Straße ins Visier nehmen muss, weil die Klage sonst uU wegen fehlender Teilbarkeit des vA unbegründet ist. Eine wirkliche Lösung habe ich auch noch nicht parat, weil sich gerade bei Verkehrszeichen nicht nach außen zeigt, ob das jetzt eine oder fünf Anordnungen aus unterschiedlichen Bauabschnitten sind. Noch schwieriger wird es, wenn damit komplett unterschiedliche Sachverhalte geregelt werden.

    „Wobei es bei uns einfach eine lange Liste ist, und davor copy-paste-artig der Gesetzestext steht.“ ➡️ Also ja, für ungefähr 2 Gebiete in HH gibt es ‚Sammelanordnungen’ für mehrere ganz große Straßen, aber für die weit überwiegende Mehrzahl gibt es einzelne Anordnungen, die immer derselben Vorlage entsprechen und wo dann nur noch angekreuzt werden musste, welche „Sicherheitsgründe“ sich denn nun wieder angeblich fanden, um den Radverkehr von der Fahrbahn vertreiben zu können auf durch und durch illegale „Radwege“, die überwiegend unbenutzbar sind.

    Ich habe damals leider nicht daran gedacht, zumindest eines meiner Verfahren einfach mal auf eine FFK umzustellen, nachdem die Behörde doch irgendwie Ermessen ausgeübt hat; sofern ein Vorverfahren stattfindet könnte man natürlich auch damit argumentieren, dass die Kostenentscheidung bei nicht erfolgter Aufhebung rechtswidrig ist, weil die Behörde erst nach Widerspruch Ermessen ausgeübt hat. Dabei ließe sich (inzident) die Rechtmäßigkeit der RWBP vor dem Widerspruch prüfen. Steht bei mit uU mal in Baden-Württemberg auf der Liste :)

    Wie sieht das eigentlich aus, wenn ich einen Bußgeldbescheid erhalte. Wann setzt eigentlich die "Verfolgung Unschuldiger" ein? ^^

    Die Weisung ist sofort vollziehbar; wie bei Verkehrszeichen auch dann, wenn sie rechtswidrig ist.
    Nach § 37 II S. 2 (L)VwVfG kann man einen mündlichen Verwaltungsakt schriftlich bestätigen lassen, wobei dies unverzüglich beantragt werden muss.

    Wenn man eine Rechtsschutzversicherung (oder das nötige Kleingeld, bei Ansetzung des Auffangstreitwerts kommt man auf 483,00 € Gerichtskosten) hat, könnte man sicher auch eine Fortsetzungsfeststellungsklage andenken, wenn seitens der Behörde Wiederholungsgefahr besteht.

    Die Vierstelligkeit der Gebühren ist offenkundig illegal und Teil eines noch immer laufenden Verfahrens. Die Behörden glauben offenkundig, dass Menschen keine Transparenzanfragen stellen, wenn man, offensichtlich rechtswidrig, irrwitzige Gebührensätze ansetzt ^^

    Wie kommen die denn auf was vierstelliges? Nach GebO ist die Gebühr doch auf 618,00 € gedeckelt. Oder sind das die Kopien und Scans?

    Zitat

    Meist aus 04/1998 bzw. 05/1998. Aus den Anordnungen geht auch ganz klar hervor: geltendes Recht, im Hinblick auf Radverkehr, hat die Polizei Hamburg bereits damals gar nicht interessiert und es ging einzig darum, dass man irgendwie Gründe findet, um den Radverkehr von der Fahrbahn verbannen zu können…

    Uh, klingt wie in München. Wobei es bei uns einfach eine lange Liste ist, und davor copy-paste-artig der Gesetzestext steht.

    Sterbenden fotografiert — Autofahrerin vor dem Amtsgericht
    Knapp eineinhalb Jahre nach dem Unfalltod eines Motorradfahrers in Düsseldorf hat am Montag der Prozess gegen die mutmaßliche Verursacherin begonnen. Die…
    www1.wdr.de
    Zitat

    Nach Überzeugung des Staatsanwalts hat die 41-Jährige den Unfall verschuldet, weil sie an dem Morgen um kurz vor sechs Uhr ihren SUV verbotenerweise auf der bekannten Verkehrsachse "Auf´m Hennekamp" im Düsseldorfer Stadtteil Bilk verbotswidrig gewendet hatte. (...) Noch am Unfallort hatte die Angeklagte den Sterbenden mit ihrem Mobiltelefon fotografiert und das Foto umgehend an ihren Chef geschickt. „Damit er mir glaubt, dass es später wird, weil es einen Unfall gab“, erklärte die 41-Jährige.

    Mir ist nun auch wieder die Begründung eingefallen: Die Piktogramme sind weder Verkehrszeichen noch Verkehrseinrichtung und müssen daher nicht von der Verkehrsbehörde angeordnet werden.

    In Bayern wird das genau anders herum gesehen. Aus § 39 Abs. 5 StVO ("Auch Markierungen und Radverkehrsführungsmarkierungen sind Verkehrszeichen. [...] Schriftzeichen und die Wiedergabe von Verkehrszeichen auf der Fahrbahn dienen dem Hinweis auf ein angebrachtes Verkehrszeichen.") wurde geschlussfolgert, dass auch Piktogramme auf Geh- bzw. Radwegen Verkehrszeichen seien, weil sonst die Regelung für die Fahrbahnen nicht wirklich sinn ergibt.