Beiträge von Th(oma)s

    Kannst du für die Verdoppelung der Radfahrleistung eine Quelle angeben? Ich versuche hier auch immer wieder, den Leuten zu erklären, dass Radfahren nicht immer gefährlicher wird und würde mich gerne darauf berufen.

    Die Radfahrleistung wird in Deutschland durch mehrere unabhängige Instanzen erhoben:

    1) Mobilität in Deutschland (MiD, früher KONTIV, erstmals 1976, ausgeführt durch INFAS, Mobilitäts-Tagebuch einer größeren repräsentativ ausgewählten Stichprobe für je einen Tag im Jahr, etwa alle 5 Jahre wiederholt). Die frühen Erhebungsergebnisse flossen in den 1. Fahrradbericht der Bundesregierung ein.

    2) Mobilitätspanel der Bundesregierung (MP, kontinuierliche Erhebung, Mobilitäts-Tagebuch einer kleineren repräsentativ ausgewählten Stichprobe während einer Woche im Herbst, Teilnehmer insgesamt 3x dabei, je Erhebung 1/3 neue Teilnehmer, 2022 letztmalig erschienen)

    3) Verkehr in Zahlen (ViZ, publiziert durch DIW, Erhebung durch INFAS, baut auf den Resultaten von MiD auf und extrapoliert das (eher pessimistisch) in den Zwischenjahren nach nicht näher beschriebenen Algorithmen)

    4) Mobilität in Städten/System repräsentativer Verkehrsbefragungen (SrV, erstmals 1972 in der DDR, ausgeführt durch TU Dresden, separate Erhebungen in konkreten Städten und Gemeinden).

    MiD gibt als Ergebnis "akkumulierte Fahrleistung aller Bürger pro Tag" an, MP km pro Person am Tag, ViZ akkumulierte km der Gesamteinwohner in Jahr, SrV vermarktet die Resultate durch Verkauf der Ergebnisse an einzelne Städte, so dass es weder von Stadt zu Stadt noch von Erhebung zu Erhebung einheitlich verfolgbare Parameter gibt; oft wird bei SrV öffentlich nur der Wege-Modalsplit präsentiert.

    Warum erzähle ich das? Weil man dadurch erkennt, dass man Aussagen zur Fahrleistung je nach Quelle erstens immer selbständig in untereinander vergleichbare Werte umrechnen muss, und dass zweitens aufgrund der Abweichungen der Methodik und der langen Zeiträume zwischen den Wiederholungen der Erhebungen immer alles mit einem Körnchen Salz zu nehmen ist. Wenn man nicht allzu genau auf die Nachkommastellen schielt, kommt dennoch eine überraschend stetige Kurve heraus:

    Die zum Vergleich angezeigten Fahrleistungen aus NL und DK erscheinen jährlich und werden durch die nationalen Statistikbehörden erhoben. Infolgedessen gibt es da keine konkurrierenden Werte, wenngleich z.B. die Niederlande ihr Verfahren seit der Übernahme des Designs der deutschen KONTIV-Methode in den 70er Jahren bereits 2x verändert haben. Zuletzt gab es hier 2018 eine größere Anpassung, in deren Zuge die Erhebung von Papier-Tagebüchern auf Online-Formulare umgestellt wurde. Dies führte zu einer schlagartigen Ausweitung aller Fahrleistungen (also auch und gerade im ÖPV und MIV). Bei DK muss man berücksichtigen, dass die veröffentlichte Fahrleistung auch Mofas und Mopeds bis 30km/h umfasst, was so ca. 5% Anteil ausmachen soll. Die Werte der unten gezeigten Kurven muss man noch mit der Einwohnerzahl im betreffenden Jahr multiplizieren, wenn man "Unfälle/Tote je Mrd km" berechnet.

    Alle genannten Erhebungen messen nur die Einwohnermobilität insgesamt. Die Differenzierung in inner- und außerorts ist so unmöglich. Die längste und beste Zeitreihe für den innerörtlichen Radverkehr liegt mir für Berlin vor (obwohl auch das von mir und anderen aus mehreren Quellen und gemischten Methoden extrapoliert ist und einige Lücken hat):

    Für Radfahrer. Wie sieht deine Lösung für Fußgänger aus? Die werden hier in Köln rein gefühlsmäßig von rechts abbiegenden LKWs genauso oft niedergemetzelt.

    Ich habe mal in den Opendata-Files vom Unfallatlas die Todesfälle für Köln für die letzten 5 Jahre durchgesehen. Da finden sich insgesamt 5 Todesfälle mit Fußgänger-LKW-Beteiligung. Zwei davon „Überschreiten, 2x „sonstiger Unfall“ und 1x „im Längsverkehr“. Typ 2 („Abbiegen“…) ist aber gar nicht vorhanden.

    Zitat

    Ganz grundsätzlich sehe ich das so:
    LKWs müssen Fußgängern und Radfahrern Vorrang gewähren, also quasi anhalten. Die Schrittgeschwindigkeit ist also eigentlich gar nicht notwendig. Sie dient nur in dem Fall, dass jemand einen Fehler macht, nicht direkt jemand tot ist.

    Sie dient (auch wenn jetzt alles „Victim Blaming!“ schreit) der Schaffung zweier zusätzlicher Redundanzebenen, weil sie erstens die Chance erhöht, dass der ggf. vom Abbieger übersehene Verkehrsteilnehmer mehr Zeit zum Reagieren erhält, und weil zweitens der LKW-Führer gleich zwei Fehler auf einmal machen muss, bevor es kritisch wird.

    Zitat

    Fehlerquellen gibt es zwei: Der LKW-Fahrer und der Fußgänger/Radfahrer. Demnach müsste der LKW-Fahrer mit seinem eigenen Fehler rechnen, aber nicht mit dem Fehler eines Fußgängers?

    Ein Verkehrsteilnehmer, der bei einem Manöver aktiv mit eigenen Fehlern rechnet, macht keine.

    "Du hattest 15 km/h auf dem Tacho. Schritttempo ist angesagt, also 5-6 km/h, mit 9 km/h könntest Du vielleicht noch durchkommen. Aber 15 - nein."

    Schritttempo ist laut StVO an 4 Bedingungen geknüpft. Erstens Schwer-LKW (erfüllt), zweitens innerorts (erfüllt), drittens beim Rechtsabbiegen (erfüllt), viertens „wenn mit parallelem Rad- bzw Fußverkehr gerechnet werden muss“ (IMO bei (roter Furt-Ampel & neben dem LKW physisch gar kein Platz für ein Fahrrad) nicht erfüllt, denn wenn man immer und überall mit allem Unsinn rechnen müsste, dann wären die sehr konkreten Einschränkungen im VO-Text obsolet und der Gesetzgeber hätte sie weggelassen und stattdessen einfach pauschal „Abbiegen nur mit Schritttempo“ für alle vorgeschrieben).

    Zitat von von Peter Viehrig

    Keine Ahnung, wie man da einen Radfahrer "übersehen" können soll. Einzige plausible Möglichkeit ist, daß der Radfahrer sich bei roter Ampel und stehendem LKW rechts am LKW vorbeischob und dabei vom LKW-Fahrer nicht bemerkt wurde. Alles andere geht nur mit Vorsatz.

    Der Radfahrer muss auf dem Gehweg geradelt sein (der Radverkehr wird weit vorher vom Hochbord auf die Fahrbahn herab geleitet). Innerhalb eines Fahrstreifens mit Bordsteinkante kann sich keiner an so einem breiten LKW vorbeidrücken. Der Unfall kann auch nicht beim Einordnen am Beginn des Rechtsabbiegerstreifens passiert sein, denn dann wäre der LKW wohl kaum noch so weit mit dem Fahrrad unter dem Chassis klebend in die Nebenstraße abgebogen.

    Irgendwelche Ampelschaltungen sind an der Stelle für die Schuldfrage vollkommen irrelevant.

    Der LKW-Führer wird wahrscheinlich die Hauptschuld kriegen (Berufskraftfahrer, erhöhte Sorgfaltspflicht), aber der Radfahrer wird eine Teilschuld bekommen (Gehwegradeln, Rotlichtverstoß, da die Kreuzung alternativ geregelte Lichtsignale für Fußfurt und Fahrspuren hat). Angesichts des roten Ampelsignals für die Fußfurt wird man auch nicht unterstellen können, dass der LKW wegen § 9 Abs. 6 StVO nur mit Schrittgeschwindigkeit abbiegen durfte.

    Streetview der Kreuzung mit unterschiedlich geschalteten Ampeln: https://maps.app.goo.gl/QLfvhn6KA2wdU1Tb8. Dass die komplementären Ampelsignale nicht durch eine frühzeitige Rot-Schaltung der Fußfurt bedingt sind, merkt man, wenn man auch die aus größerer Entfernung aufgenommenen Bilder anschaut. Auch da ist für den Gehweg schon längst rot.

    Kennt ihr schon Oulu, das Mekka des Winterbikens? Dann habt ihr sicher auch schon die Erzählung mitbekommen, wonach die Stadt vor über 20 Jahren angefangen hätte, ein ganz tolles Radwegenetz zu bauen, und dass daraufhin und deswegen erst die Bürger angefangen hätten, ihre Mobilität mit Fahrrädern zu bestreiten. Und das eben nicht nur im Sommer, sondern auch und gerade im Winter, weil die Stadtverwaltung so weitsichtig ist, einen umfassenden 24/7-Winterdienst auf diesen Radwegen zu gewährleisten.

    Zwölf Prozent Radverkehr im nordischen Winter - Mobilität mit Zukunft

    Nicht nur, dass Oulu kaum als Vorbild taugt, weil es wegen des stabilen Kältehochs im Winter ganz andere Radfahrvoraussetzungen bietet als mitteleuropäische Städte, wo im Winterquartal oft nasskaltes Schmuddelwetter um den gefährlichen Gefrierpunkt das Radeln erschwert. Auch die Unterstellung, es handele sich beim aktuellen Modal Split um eine kausale Beziehung ("build it and they will come", bzw. "build it and they will abandon their cars.") ist komplett erstunken und erlogen:

    (Quelle)

    POL-DO: 90-jähriger Pedelecfahrer stürzt und verstirbt wenig später im Krankenhaus
    Dortmund (ots) - Lfd. Nr.: 1026 Donnerstagvormittag (20. November 2025) stürzte ein 90-jähriger Dortmunder mit seinem Pedelec auf der Dönnstraße. Dabei…
    www.presseportal.de

    Abgefeimte Falle. Nicht nur wegen der verbockten Aufleitung aufs Hochbord. Man beachte auch, dass die Benutzung dieses Prachtstücks unter der Brücke offenbar aus Gründen der Verkehrssicherheit unbedingt erzwungen werden muss.

    Tolle Wurst, brauch wir auch hier. Ist auch ein Zweck angegeben, vielleicht eine neue Art den Tontaubenschießens? Im Gegenzug führt Dänemark den deutschen Abstand ein.

    DK ist in der EU momentan gleich nach Schweden der Musterknabe bei den Verkehrstoten.

    Das gilt auch für Radfahrer (obwohl da allerdings der Vorteil gegenüber D von Jahr zu Jahr wechselt und insgesamt nicht mehr groß ist). Weder gibt es also Anzeichen, dass DK Nachhilfestunden bei Vorschriften zur Fahrradbeleuchtung nötig hätte, noch scheint es größeren Nachholbedarf beim Abstand zu geben.

    Mich nervt dieser Blinkkram massiv an.

    Du solltest nicht im Winterhalbjahr nach Dänemark fahren. Dort sind Blinkies vollkommen gleichberechtigte Leuchtmittel:

    "Scheinwerfer, die weißes Licht aussenden, und Rückleuchten auf Fahrrädern, Anhängern oder Beiwagen können blinkende Lichter aussenden. Die Blinzelrate muss mindestens 120 Blitze pro Minute betragen."

    Bin aber der Meinung, jemand, der aus welchen Gründen auch immer, Blinklichter braucht um andere Verkehrsteilnehmer als solche zu identifizieren, sollte einfach keine gefährlichen Fahrzeuge fahren dürfen und den ÖPNV, seine Füße oder einen Bubble-Ball nutzen

    Gebetsmühle: Risiko ist keine binäre Größe. "Brauchen" in dem Sinne, dass er ohne sie völlig blind wäre, tut keiner die Lichter. Wir reden gerade eher darüber, wie und ob man ein "System versagt in einem von einer Millionen Fälle"-Problem zu einem "System versagt in einem von zehn Millionen Fällen"-Problem reduzieren kann.

    Und die Fahrbahn ist so schmal, das jedenfalls ich nicht Vollgas annehme, sozusagen Gemütlich übergegurkt.

    Apropos Auffahrunfälle:

    Hi-vis is not a silver bullet for cycling safety – but this hack might be | BikeRadar
    Research shows that failure of cognition, not lack of visibility, needs to be addressed
    www.bikeradar.com

    These des Beitrags: Auffahrunfälle resultieren aus mangelnder Wahrnehmung, und diese wiederum lässt sich am ehesten dadurch verbessern, dass man die Netzhaut-Sehzentrum-Bewusstsein-Achse durch *variable* Reize herausfordert (also Reflektoren an den kurbelnden Beinen/Füßen, Rücklichter mit wechselnder Helligkeits-Intensität). Weniger effektiv seien Maßnahmen, die lediglich konstante Reize setzen (konstante Rücklichter, Rahmenreflektoren, HiViz/Warnwesten am Oberkörper).

    Comments?

    Was nicht da steht: Abbiegen und Schrittgeschwindigkeit :)

    Die Unfallstelle, insbesondere die Straße, auf der beide Beteiligte vor der Kollision unterwegs waren, liegt 10m vor dem Ortsschild (siehe -korrektem- Streetview-Link im Vorbeitrag).

    Die „Wucht“ ist aber eh wahrscheinlich bloß ein redaktioneller Trick, um den Voyeuren unter den Lesern ihr Gruselerlebnis zu vermitteln. Hinweis auf die große Asymmetrie der Fahrzeugmassen.

    Zur Unfallzeit war es bereits vollständig dunkel. Am Unfallrad fällt auf, dass es keinen Dynamo hat, und dass vorne ein Korb vor dem Lenker angebracht war, so dass alle Positionen, wo normalerweise der Frontscheinwerfer montiert wird, blockiert gewesen sein müssen. Grundsätzlich natürlich nicht ganz unmöglich, dass am Korb irgendwie noch eine Batterie-/Akkuleuchte montiert war. Hinten leuchtet trotz unbeschädigtem Hinterbau jedenfalls nichts. Das rote Teil am Gepäckträger dürfte wohl nur ein Reflektor sein.

    Unfälle mit Lkws: Zwei Radfahrer sterben in Ostbayern
    Immer wieder kommen Radfahrer zu Tode, weil sie unter einen Lastwagen geraten. Am Donnerstag sind in Niederbayern und der Oberpfalz bei gleich zwei Unfällen…
    www.br.de

    Dieser Unfall gibt mir Rätsel auf:

    Schwerer Verkehrsunfall in Halle: Radfahrer in südlicher Innenstadt von Auto erfasst
    In der Wörmlitzer Straße in Halle ereignete sich am frühen Dienstagmorgen ein schwerer Verkehrsunfall. Ein Radfahrer wurde von einem Auto erfasst und mit…
    www.mz.de

    Der Radfahrer wurde von dem aus einer Nebenstraße kommenden Auto auf der Hauptstraße fahrend "mit voller Wucht" erfasst und meterweit durch die Luft geschleudert. Das Auto steht auf den Bildern vom Unfallort mit der Schnauze nur ca. 1/2 Meter auf der Fahrbahn der Hauptstraße. Das Pedelec liegt vier Meter davor mit dem Vorderrad nach links (aus der Perspektive des Autofahrers) gerichtet.

    Gibt es andere Interpretationen der Spurenlage, als dass der Radfahrer dem Auto von rechts gekommen sein muss, und zwar auf dem linken Bürgersteig der Hauptstraße?

    Sehr gut, Ermittelt wird der Sonnenstand, er war der einzige nicht offensichtliche Tatbestand.

    Die Sonne stand exakt in der Sichtlinie direkt am Horizont. Das ist tatsächlich ein offensichtlicher Tatbestand.

    Sonnenverlauf Sonnenposition- und Sonnenphasen Rechner
    Anwendung zum Ermitteln des Sonnenverlaufs zu einer gewünschten Zeit und Ort.
    www.sonnenverlauf.de

    Die Ermittlung und offizielle Feststellung im Unfallprotokoll ist aber keine Suche der Polizei nach Entlastung des Auffahrers. Sie dient weniger der Beantwortung der Frage „Wer war‘s?“, sondern der Aufklärung des „warum gerade dann gerade da?“. Eine Verletzung des Sichtfahrgebots muss man eben genausogut gerichtsfest nachweisen wie eine illegale Handynutzung.