Dem ADFC zu unterstellen, weil er bequeme und sichere Fahrradwege fordert, mache er das Fahrradfahren unsicher, halte ich für unzutreffend. Und die angeführten Belege geben das nicht her.
Auffällig in der aktuellen Unfallentwicklung im Fahrradverkehr ist eine Zunahme der Pedelec-Unfälle, insbesondere der tödlichen Pedelec-Unfälle.
Da ist es schon schwierig, das genau darzustellen. Betrachtet man beispielsweise die Unfallentwicklung bei den "Bio-bikes" ist diese derzeit rückläufig. Dabei müsste man aber wieder sehr genau unterscheiden, ob lediglich die absoluten Zahlen rückläufig sind oder auch die relativen Zahlen gemessen entweder an Zahl der gefahrenen Personenkilometer oder gemessen an der Zeit, die Menschen auf dem Fahrrad verbracht haben.
Plausibel ist folgende Überlegung: Wer bisher eine halbe Stunde pro Tag mit dem Fahrrad ("Bio-bike") gefahren ist und neuerdings mit dem Pedelec unterwegs ist, der legt eine circa eineinhalbmal so lange Wegstrecke zurück. Statt bisher 7-8 km jetzt etwa 11-12 km. Das steigert in doppelter Hinsicht die Gefahr von Unfällen: Mit dem Pedelec fährt man schneller und in derselben Zeit größere Strecken.
Plausibel ist ferner, dass die Nutzung des Fahrrades deutlich zurückgegangen ist und stattdessen von vielen das Pedelec benutzt wird. Plausibel ist auch, dass dadurch eine insgesamt höhere Kilometerleistung erzielt wird. Ob aber tatsächlich mehr Leute Fahrrad fahren oder ob die Leute mehr Zeit auf dem Fahrrad verbringen, könnte man nur ermitteln, wenn man genau die Zeit-Dauer der Fahrradnutzung betrachtet.
Als Vertreter eines Fahrrad-Interessenverbandes, der daran interessiert ist, möglichst viele Menschen für das Fahrradfahren zu begeistern, halte ich solche Hinweise für absolut kontraproduktiv:
Fahrzeugbeherrschung ist erstens bei einem einspurigen Zweirad essentiell für Unfallfreiheit.
Das würde doch bedeuten, dass ein Vertreter eins Fahrradverbandes anderen sagt: Sieh erst mal zu, dass du richtig Fahrradfahren lernst, dann brauchst du auch keine Angst vor Unfällen zu haben. Wenn du dazu gehören willst, dann streng dich ordentlich an und trainiere das Fahrradfahren. Das begeistert viele Menschen nicht und schreckt nicht wenige nachhaltig ab, weil sie keine Lust haben auf so eine elitäre Veranstaltung. Was den ADFC meines Erachtens stetig ausgezeichnet hat und auch weiterhin auszeichnet ist, dass er nicht so auftritt wie zum Beispiel ein Sportverein, dem es darum geht Spielernachwuchs heranzuziehen. Vielmehr vertritt der ADFC die Position, dass das Fahrradfahren für alle Menschen eine gute und sichere Fortbewegungsart darstellen muss und dass dafür die Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen. Und Fahrradgewöhnungstraining und Fahrradsicherheitstraining ist dabei nur ein Standbein. Wichtig ist insbesondere, die Verkehrsinfrastruktur so zu gestalten, dass sich Menschen dazu eingeladen fühlen, das Fahrrad zu nutzen.
Egal, ob SiN und/oder objektiv bessere Verkehrssicherheit, die langfristige Unfallentwicklung in D zeigt, dass Unfälle Fahrrad-KFZ im Lauf der Jahre fahrleistungsbereinigt stark abnehmen. 2024 setzt den Trend nahtlos fort. Als Fahrradverband könnte man solche Details kennen, und ich würde sie als Funktionär sowohl zur Eigenwerbung benutzen, als auch fürs Kampaigning um das Einfangen der „Interested but Concerned“.
Meinst du mit "fahrleistungsbereinigt", die Fahrleistung gemessen in Kilometer oder gemessen in Stunden, die auf dem Fahrrad zugebracht werden?
Das macht einen Unterschied. Es muss darum gehen, die Menschen auf's Rad zu bringen, unabhängig von Kilometerleistungen. Wenn wenige Menschen große Fahrrad-Kilometerleistungen erbringen, ohne dabei Unfälle zu bauen, ist das erfreulich. Wichtiger aber ist, dass möglichst viele Menschen möglichst unfallfrei Fahrrad fahren.
Und es genügt auch nicht der Hinweis, dass "Fahrleistungs-bereinigt" weniger Fahrrad-Unfälle passieren. Wie würdest du als Funktionär denn das als Werbung nutzen wollen: Etwa so:
"Das Statistische Bundesamt Destatis meldet heute neue Daten zu Fahrradunfällen. Demnach ist die Zahl der getöteten Radfahrenden zwischen 2014 und 2024 gegen den Trend gestiegen." 
"Aber macht euch nichts draus, dafür sind wir Fahrradfahrenden in den letzten zehn Jahren ja auch deutlich mehr Kilometer gefahren. Und von denen, die dabei auf der Strecke geblieben sind, sind eh viele selber Schuld dran. Und dass die Bundesregierung sich der Vision Zero verpflichtet fühlt, darf man nicht allzu eng sehen. Das ist sowieso illusorisch." 