Der Wiederspruch fällt dir jetzt aber schon selbst auf, oder?
Die aktuellen Mehrheitsverhältnisse im thüringischen Landtag kann man so beschreiben:
Es gibt eine relative Mehrheit für eine Rot-Rot-Grüne Regierungskoalition, die auch einen innerhalb dieses Bündnisses konsensfähigen möglichen Ministerpräsidenten vorzuweisen hat.
Diese Regierungsfraktion müsste als Minderheitsregierung regieren.
Der Wunsch-Ministerpräsident dieser Koalition kann mit Unterstützung durch andere Fraktionen im ersten oder zweiten Wahlgang oder durch einfache Mehrheit (relative Mehrheit) im dritten Wahlgang gewählt werden.
Auf der anderen Seite gibt es eine "Absprache-Koalition" aus FDP, CDU und AfD, die über eine absolute Mehrheit der Abgeordneten verfügt. Ich habe das "Absprache-Koalition" genannt, weil die meisten Beobachter davon ausgehen, dass am 5. Februar 2020 Absprachen zwischen diesen Fraktionen stattgefunden hatten mit dem Ziel, die Wahl von Ramelow mit einer relativen Mehrheit im dritten Wahlgang zu verhindern.
Das Wahlgeschehen am 5. September hat jedoch nur einen Ministerpräsidenten für einen Tag hervorgebracht.
Ob das Teil der Absprache war, dass Kemmerich nur einen Tag später zurücktreten würde, ist unklar.
Vielleicht haben den "Ein-Tags-Ministerpräsidenten" nur CDU und FDP so geplant?
Und vielleicht wurde die AfD damit geködert, einer Wahl Kemmerichs zuzustimmen, indem FDP und CDU der AfD eingeredet haben, dass die AfD an einer möglichen Regierung Kemmerichs in irgendeiner Form beteiligt werden würde oder gar als ordentlicher Koalitionspartner von FDP und CDU in eine Regierungskoalition eingebunden würde?
Und wo wir schon beim Spekulieren sind:
Hätte die AfD aufgrund einer anderen Zusammensetzung des Parlaments über eine relative Mehrheit verfügt, dann hätte am 5. Februar im dritten Wahlgang die AfD einen Ministerpräsidenten wählen können. Tatsächlich hatte die AfD einen ehemaligen Bürgermeister aufgestellt, einen parteilosen Kandidaten.
Vermutlich hätten sich jedoch die anderen Parteien im thüringischen Landtag im Vorfeld auf einen gemeinsamen Ministerpräsidenten-Kandidaten geeinigt, den sie im ersten oder zweiten Wahlgang gewählt hätten, um zu verhindern, dass ein Kandidat der AfD im dritten Wahlgang ihren Kandidaten mit einfacher Mehrheit ins Amt wählt.
Hätten die Grünen, die SPD und die Linke nicht ein Parteienbündnis geschmiedet mit dem Ziel einen eigenen Kandidaten, nämlich Ramelow, zum Ministerpräsidenten zu wählen, dann hätte die AfD auch in der jetzigen Zusammensetzung des Parlamentes genug Stimmen, ihren Ministerpräsidenten-Kandidaten zum Ministerpräsidenten zu machen. Wenn die anderen Parteien keine eigenen Kandidaten aufstellen oder kein Bündnis gründen, um einen gemeinsamen Kandidaten ins Amt zu verhelfen, dann genügt einem Kandidaten bereits eine Ja-Stimme, um vom thüringischen Landtag als Ministerpräsident gewählt zu werden.
Wir wollten ja spekulieren: Auch das hätte am 5. Februar passieren können, wenn alle anderen Parteien außer der AfD keinen eigenen Ministerpräsidenten-Kandidaten aufgestellt hätten: Dann hätte ein AfD-Kandidat mit einer einzigen Stimme gewählt werden können.
Die propagandistische Art der Darstellung, "Ramelow" sei von den Thüringern Wählern abgewählt worden, offenbart das destruktive Demokratie-Verständnis derjenigen, die diese Art der Darstellung verbreiten. Dabei muss es doch den Beteiligten darum gehen, konstruktiv auf eine Regierungsbildung hin zu arbeiten. Die Möglichkeit zur Regierungsbildung war am 5. Februar gegeben.
Es waren FDP, CDU und AfD, die den FDP-Kandidaten wählten, der nur einen Tag später abdankte. Da sehe ich tatsächlich einen "Widerspruch". Warum wählt ein "informelles Parteienbündnis" einen Ministerpräsidenten, der nur einen Tag später wieder abdankt? Kannst du dir das erklären Adsche?