Zweirichtungs-Fahrradwege haben ihre Tücken:
"3.5 Zweirichtungsradwege
Voraussetzungen
Die Nutzung der Radwege auf der linken Straßenseite ist innerorts eine häufige Unfallursache. Baulich angelegte Radwege dürfen daher nur nach sorgfältiger Prüfung und nach Sicherung der Konfliktpunkte (insbesondere Einmündungen und Grundstückszufahrten) in Gegenrichtung freigegeben werden.
Auf Straßen mit Mittelstreifen, Stadtbahntrassen, dichter seitlicher Nutzung und schlechter Überquerungsmöglichkeit besteht ein erhöhter Bedarf, Radwege in beiden Richtungen zu benutzen. ln diesen Fällen soll zunächst überprüft werden, ob durch verbesserte Überquerungsmöglichkeiten, z. B. durch Maßnahmen an den Knotenpunkten, die Benutzung der falschen Straßenseite vermieden werden kann.
Ist dies nicht Erfolg versprechend, kann die Freigabe in beide Fahrtrichtungen geprüft werden. Die Breite von
Zweirichtungsradwegen soll die Begegnung von Radfahrern mit ausreichendem Abstand erlauben. Es sollen nur wenige Kreuzungen, Einmündungen und verkehrsreiche Grundstückszufahrten zu passieren sein und dort auch zwischen dem in Gegenrichtung fahrenden Radverkehr und dem Kraftfahrzeugverkehr ausreichende Sicht bestehen."
Empfehlungen für Radverkehrsanlagen, Ausgabe 2010, Seite 26
In Hannover findet nach meiner Beobachtung die in der ERA geforderte Überprüfung der Freigabe in beide Fahrtrichtungen statt. Allerdings werden offensichtlich gänzlich andere Standards angelegt, wenn es darum geht, die Freigabe eines Zweirichtungs-Fahrradweges im Bereich einer Baustellenumleitung anzuordnen.
Dass im zeitlich begrenzten Umfang bei Umleitungen im Baustellenbereich Fahrradwege auch in die Gegenrichtung freigegeben werden, ist meines Erachtens vertretbar. In manchen Fällen wäre es hilfreich, dann eine Beschilderung mit Fußgänger, Fahrradfahrer frei anzuordnen.

Stattdessen stehen dort oft Schilder, die den Fahrradweg benutzungspflichtig machen. Vermutlich ist in den Verkehrsbehörden das Denken immer noch sehr verbreitet: "Hauptsache den Fahrradverkehr weg von der Fahrbahn". Dabei ist es doch gerade im Baustellenbereich möglich, deutlich niedrigere Tempolimits anzuordnen, die einen gefahrlosen Mischverkehr auf der Fahrbahn begünstigen würde. Zum Beispiel Tempo 10!
Und für diejenigen Fahrradfahrer, die trotzdem die Umleitungsstrecke auf dem freigegebenen Fußweg bevorzugen, gilt ohnehin Schrittgeschwindigkeit.
So weit die Theorie.
Wie es leider viel zu oft in der Praxis aussieht, kann man zurzeit im Umfeld der Baustelle Glocksee bewundern:

Normalerweise ist die eine Hälfte vom Hochbord ein Fahrradweg, der nur in Fahrtrichtung freigegeben ist, also nur in die Richtung benutzt werden darf, in der Weg hier fotografiert ist. Möglicherweise hat sich jemand in der Verkehrsbehörde gedacht, um den Fahrradweg in beide Richtungen freizugeben, ist er eigentlich zu schmal. Wurde deshalb gemeinsamer Fuß- und Radweg auf voller Breite angeordnet?
Aber warum wurde dann eine gelbe Baustellen-Markierungslinie markiert, die normalerweise nicht da ist?
Und so sieht die Ausschilderung in Gegenrichtung aus, also die Fahrtrichtung, in der der Fahrradweg normalerweise nicht benutzt werden darf:

Auch hier verwirrt die gelbe Baustellen-Markierungslinie. Und hier fehlt ein Zusatzschild, das darauf aufmerksam macht, dass mit Gegenverkehr gerechnet werden muss. ![Zusatzzeichen 1000-33 [Zusatzzeichen 1000-33]](https://radverkehrsforum.de/images/smilies/zusatzzeichen-1000-33.png)
Es drängt sich der Eindruck auf: Hauptsache, es stehen genug blaue Schilder herum, die sicherstellen, dass Fahrradfahrer, die die Fahrbahn benutzen, in die Illegalität gedrängt werden. Für den Radverkehr ist es nicht unbedingt von Vorteil, die Fahrbahn zu benutzen, denn durch die wechselseitig mal in die eine, mal in die andere Richtung freigegebene verbliebene Fahrbahn entstehen u. U. lange Wartezeiten an der Ampel. Deshalb sollte auf jeden Fall an der Umleitungs-Möglichkeit für den Radverkehr im Hochbord-Bereich festgehalten werden.
Außerdem sind nicht alle Fahrradfahrer*innen so furchtlos, dass sie gerne im Mischverkehr fahren.
Für den Mischverkehr kann in dem Bereich auch schlecht ein sehr niedriges Tempolimit angeordnet werden, weil die verbliebene Fahrbahn ja ampelgesteuert wechselweise in beide Richtungen benutzt wird. Trotzdem macht Tempo 20 oder 30 max. Sinn und verschlechtert nicht den Durchlass.
Und die gesamte Breite im Hochbord-Bereiches kann ja auch so ausgeschildert werden:


Wenn im zeitlich begrenzten Umfang für eine Baustellenumleitung ein Fahrradweg zu einem Fußweg mit Radverkehrsfreigabe in beide Richtungen gemacht wird, dann trägt das auch dazu bei, dass sich Fahrradfahrende nicht daran gewöhnen, den Abschnitt weiter in Gegenrichtung zu benutzen, auch wenn die Baustelle irgendwann weg ist. Wichtig ist aber auch, dass auch dem Autoverkehr notwendige Beschränkungen auferlegt werden. Es darf nicht der Eindruck entstehen, die Nachteile der Umleitungs-Lösung treffen einseitig nur den Fahrrad- und Fußverkehr.