Auch in den Niederlanden sind längst nicht alle froh, wenn ihre Stadt das Attribut „Fahrradstadt“ erhält. Fußgänger klagen: „Uns hat die Stadt vergessen.“
https://www.zeit.de/mobilitaet/202…nde-fussgaenger

Man darf nicht vergessen, der Artikel ist aus der Zeit, das ist ganz gewiss nicht die Zeitung, die eine Verkehrswende gutheißt, die diesen Namen verdient hätte.
Der Artikel ist dieselbe alte Polemik gegen angebliche "Ramboradler", wie sie vom damaligen CSU-Verkehrsminister Ramsauer geprägt wurde. "Am 9. April berichteten zahlreiche Medien, Verkehrsminister Ramsauer drohe mit Kontrollen für "Kampfradler"." Nur, dass die Zeit, das ein bisschen unauffälliger einpackt.
Es liegt auf der Hand, dass die Begegnungen zwischen Fußgänger*innen und Fahrradfahrer*innen zunehmen, wenn tatsächlich Menschen beginnen, vom Auto aufs Fahrrad umzusteigen. Extrembeispiel: In einer autofreien Kommune gibt es keine Begegnungen mehr zwischen Menschen, die mit dem Auto fahren und solchen, die zu Fuß gehen.
Wer einmal auf Spiekeroog Urlaub gemacht hat, dem ist vielleicht aufgefallen, dass dort nicht nur Autos ausgesperrt sind, sondern auch Fahrräder zu unerwünschten Verkehrsmitteln erklärt sind, deren Nutzung möglichst ausschließlich den Inselbewohnern vorbehalten sein soll. Auf den Nachbarinseln Langeoog (Foto) und Wangerooge dagegen wird eine gewisse Fahrrad-Kultur gepflegt. Touristen können zum Beispiel Fahrräder bei Radverleihen ausleihen. Allerdings ist das in Verbindung mit hohen Fähr-Preisen für den Fahrradtransport ebenfalls ein Steuerinstrument, das beliebte Verkehrsmittel Fahrrad zu begrenzen.
Mangels Masse an Autos beklagen sich dort die Fußgänger*innen statt über Autofahrer*innen halt über Fahrradfahrer*innen. Und es wird z. B. auf Langeoog seit mehreren Jahren versucht, mit einer Fußgängerzone im Ortskern den Fußverkehr zu stärken.
Trotzdem also viel Polemik gegen den Fahrradverkehr in solchen Artikeln, wie dem von der Zeit steckt, macht es meines Erachtens Sinn, ernsthaft auch für eine vom Fahrradverkehr dominierte Infrastruktur über Schutzmaßnahmen für den Fußverkehr nachzudenken. Auch auf vielen autofreien Inseln gibt es zum Beispiel Bürgersteige, die dem Fußverkehr vorbehalten sind, insbesondere an Hauptverkehrsstraßen.
Und wenn man Verkehrswende ein bisschen weiter denkt, als einfach nur ein paar Verbrennerautos zu solchen mit E-Motoren umzuwandeln, dann muss auch überlegt werden, wie zum Beispiel in einer Welt ohne motorisierten Individualverkehr mit solchen Verkehrsmitteln wie Krankenfahrstühle*, E-Roller, Pedelecs usw. umgegangen wird. Soll es dann zum Beispiel Speed-Pedelecs (bis 45 km/h) überhaupt noch geben dürfen? Oder sollen die ausschließlich einzelne Fahrbahnen nachnutzen, die bisher vom Autoverkehr belegt sind?
Ich halte es für wichtig schon jetzt Pläne dafür zu entwickeln, wie eine Fahrradinfrastruktur aussehen soll, die unterscheidet zwischen schnellem Fahrradverkehr (grob: über 15 km/h) und langsamen und deshalb zugleich Fußgänger-verträglichem Fahrradverkehr. Wer jedoch über Klagen von Fußgängern gegen den Fahrradverkehr nur mit dem Ziel berichtet, Stimmung gegen den Fahrradverkehr zu machen, der verhält sich letztlich wie einst Ramsauer, wenn auch mit etwas verfeinertem Instrumentarium.
Dass überhaupt etwas dran ist, an dem von der Zeit behaupteten Unglück für die Utrechter Fußgänger, dass ihnen der Fahrradverkehr angeblich beschert, muss darüber hinaus grundsätzlich bezweifelt werden. Immerhin schreibt zum Beispiel die FAZ vom 2.8.23:
"Während die Mobilitätswende in Deutschland zum Kulturkampf verkommt, hat Utrecht schon umgesattelt. Eindrücke aus einer Stadt, in der Autos nur zu Gast und „Kampfradler“ unbekannt sind."
*Auf Fußwegen dürfen Krankenfahrstühle bis max. 6 km/h schnell fahren. "Krankenfahrstühle", die schneller als 15 km/h fahren, gelten nicht als Krankenfahrstühle.
https://www.ergo.de/de/rechtsporta…20Voraussetzung.