Nun ist also der nördliche Teil der Kielline über das Osterwochenende für den Kraftverkehr gesperrt worden. Das ist, gar keine Frage, eine tolle Sache und umso wichtiger in Zeiten wie diesen, in denen Menschen zu Hause bleiben sollen und Spielplätze und Sportstätten gesperrt sind, weil auf den engen Gehwegen in unseren Städten überhaupt kein Platz ist, um sich aus dem Weg zu gehen, um wenigstens die geforderten anderthalb Meter Sicherheitsabstand zueinander einzuhalten.
Was aber dieser tollen Idee fehlte, war eine entsprechende Beschilderung für Fußgänger und Radfahrer, dass ihnen für ein verlängertes Wochenende diese Straße gehörte. Das bekam man in meiner Filterblase nur über die Lokalzeitungen und die Social-Media-Angebote der Stadt Kiel mit:
Ein Paradies für Sportler und Fußgänger
Bewege ich mich aber als, naja, ich sage mal, uninformierter Verkehrsteilnehmer entlang der Kiellinie, dann bekomme ich davon gar nichts mit: Es gibt zwar mehrere Straßensperrungen, aber als uninformierter Verkehrsteilnehmer nehme ich die vielleicht gar nicht so richtig wahr, beziehungsweise schließe daraus nicht, dass ich mich jetzt tatsächlich auch im Interesse meiner anderthalb Meter Sicherheitsabstand auf der Fahrbahn bewegen soll.
Und so sah es dann entlang der autofreien Kiellinie auch aus: Die meisten Fußgänger und Radfahrer drängelten sich auf der schmalen Nebenfläche, die vier Meter für den Gehweg und 2,5 Meter für den Zweirichtungsradweg vorsieht, lediglich ein kleiner Teil der Besucher, hauptsächlich Radfahrer, nutzen die gesperrte Fahrbahn:



Die Sperrungen entlang des autofreien Bereichs sind, naja, so eine Sache. Ich will mich gar nicht an den fünf roten Lämpchen aufhalten, die eigentlich über die gesamte Breite der Vollsperrung verteilt sein sollen, die aber auch gar keine Vollsperrung ist, weil Radfahrer ja passieren dürfen, was dieses Mal dankenswerterweise sogar mit Zusatzzeichen 1022-10 unterhalb des Zeichen 250 angezeigt wird. Links und rechts kommt man mit dem Rad auch noch vorbei, wenngleich die Sache ein bisschen eng ist. Aber insgesamt ist eine Freigabe für den Radverkehr gegeben, insofern ist die Sache nur halb so doof wie von mir befürchtet.

Zwischendurch kommt man zu Fuß oder mit dem Rad noch an diesem Kunstwerk vorbei, das eindrucksvoll aufzeigt, wie das in Kiel und anderen Städten mutmaßlich mit den anderthalb Metern Sicherheitsabstand überall in Arbeitsstellen gehandhabt wird: Gar nicht. Und wie immer gilt auch hier: Wer zu Fuß oder mit dem Rad den blauen Container oder das rote Klo übersieht, der wird sowieso nicht sicher im Straßenverkehr unterwegs sein, doch fehlen hier trotzdem reflektierende Elemente am Baustellenzaun.


Ein paar hundert Meter weiter im Süden wird die Fahrbahn hingegen schon stärker von nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmern in Anspruch genommen. Man sieht hier auch den Gehweg auf der wasserabgewandten Seite, der hier als Parkplatz Verwendung finden. Um sich auf der Bank zu setzen, muss man normalerweise durch die Fahrradständer kraxeln. Interessanterweise ist das Gehwegparken bei Zeichen 315 nur für Kraftfahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von maximal 2,8 Tonnen erlaubt ist, so dass das Zusatzzeichen „Pkw“ nur noch dafür sorgt, dass dort keine leichten Wohnmobile oder Wohnwagen oder sowas parken. Naja.

Nun zum komplizierten Teil der Sache. Die südliche Grenze des autofreien Bereiches sieht „von innen“ so aus. Links zunächst Zeichen 239, das dort immer steht und kennzeichnen soll, dass die linke Fläche nur ein Gehweg ist. Dazu gesellt sich jetzt Zeichen 254 — als Radfahrer darf man sich jetzt wieder wundern, was die Straßenverkehrsbehörde mit dem Schild wohl erreichen möchte. Grundsätzlich ist die Sache relativ klar, man möchte wohl den Radverkehr weiterhin auf der Fahrbahn wissen, während der eigentliche Gehweg in diesem Bereich zusätzlich für Fußgänger vorgesehen sein soll, damit man sich hier weiterhin mit anderthalb Metern Abstand aus dem Weg gehen kann.

Leider hat man ganz schön viele Zeichen 254 auftreiben können und in diesem Bereich überall aufgestellt:

Das Problem ist aber: Die Fahrbahn, auf der Radfahrer ja offenkundig weiterhin kurbeln sollen, ist gesperrt — und zwar gar nicht zu knapp. Ja, Radfahrer sind von Zeichen 250 ausgenommen, immerhin, dafür wird’s hier aber schon echt eng, irgendwie mit dem Rad vorbeizukommen — und das wird umso absurder, weil ja der Radweg nebenan mit diversen Zeichen 254 verziert ist. Man muss also hier irgendwie durch und kann sich dabei schön noch an der Verkehrshalbinsel aufs Maul hauen. Ich finde schon, dass hier mit etwas gutem Willen eine bessere Schleuse möglich gewesen wäre, die den Kraftverkehr abhält, aber auch älteren Radfahrern oder Fahrrädern mit Anhänger die Durchfahrt ermöglicht. Es hätte womöglich schon gereicht, das rechte Absperrgitter einen Meter nach hinten zu versetzen.
Ochso: Die roten Lämpchen, nä? Und da ja auch Verkehr aus der anderen Seite zu erwarten ist, wären dort auch reflektierende Elemente angesagt. Aber das ist vielleicht schon ein bisschen viel verlangt.


Weiter geht’s an allen erdenklichen Stellen mit dem Verbot von Fahrrädern, was nicht immer besonders gut gelungen ist…


… und auch nicht besonders sinnvoll scheint: In dem autofreien Bereich durfte der Radweg benutzt werden, obwohl die Fahrbahn frei von störenden Kraftfahrzeugen war, aber im südlichen Bereich, in dem Kraftfahrzeuge, darunter Busse und Poserkarren unterwegs sind, ist der Radweg tabu. Das dürfte ja insbesondere Familien mit Kindern die An- oder Abreise erschweren, wenn man sich plötzlich mit dem teilweise nicht unerheblichen Parksuchverkehr herumschlagen muss.


Tja. Zugegeben: Viel ist momentan nicht los.



Die südliche Grenze markiert dann diese wunderbare Verkehrsführung in Form eines einzelnen Zeichen 254. Wer hält das für eine gute Idee?

Ist doch klar, dass das so nicht funktioniert:


Es gibt keine Absperrgitter, keine Arbeitsstelle, es gibt überhaupt nichts — und damit auch erfahrungsgemäß keinen Grund, warum man als Radfahrer dieses Zeichen ernst nehmen sollte. Die Erfahrung zeigt ja schließlich, dass im Verkehrsraum so einiges an Verkehrszeichen herumsteht, das vergessen oder entgegen der Anordnung aufgestellt wurde und insofern im Sinne von „man sieht ja, was gemeint ist“ zu ignorieren ist.
Mir ist klar, dass man für diese vier Tage keine aufwändige Verkehrsführung installieren möchte, aber, Pardon, dann darf man sich über so genannte Kampfradler nicht beschweren. Den ganzen Kram kapiert halt kein normaler Mensch.
Meines Erachtens fehlen hier ein zwei wesentliche Dinge:
- Ein Schild, dass die autofreie Kiellinie erklärt. Ist aber aufwändig, lohnt sich mutmaßlich nicht für vier Tage, hätte aber den positiven Effekt, dass es ein größerer Teil der Verkehrsteilnehmer versteht.
- Eine Aufleitung auf die Fahrbahn mit gelben Markierungen in Höhe des Zeichens 254 zusamen mit einer Sperrung des Radweges — einfach nur so, damit man merkt, dass die Sache ernst gemeint ist. Dazu gehört natürlich in diesem Fall auch eine Fahrbahnverengung vor der Aufleitung, so dass der Wechsel auf die Fahrbahn möglichst einfach und gefahrlos ist.
Insofern: Die autofreie Kiellinie ist eine tolle Sache — sofern man denn davon weiß. Und wenn wir mit solchen Maßnahmen auf einen Abstand von anderthalb Metern hinarbeiten wollen, dann müssen wir eben auch dafür sorgen, dass die Leute solche Sperrungen verstehen und auch vernünftig anwenden können. Und das wird mit Vollsperrungen und wie mit der Gießkanne verteilten Zeichen 254 eher nicht erreicht.