Über das Verhalten des Radfahrers kann man sicherlich diskutieren. Ich hätte dem kamerabewehrten Hitzkopf am Lenkrad längst Platz gemacht, weil ich keine Lust auf ein weiteres kaputtes Fahrrad habe. Und wie man im weiteren Verlauf des Videos sieht, ist der LKW-Fahrer schließlich bereit zum Äußersten zu gehen. Hätte der einhändig gestikulierende Radfahrer am Ende das Gleichgewicht verloren, wäre der Typ mit seinem Lastkraftwagen locker über ihn rübergerollt.
Wie wir aber schon mehrfach festgestellt haben, ist mein teilweise übertrieben vorsichtiges Verhalten nicht unbedingt maßgeblich.
Bezüglich der in § 5 Abs. 4 S. 2 StVO geforderten Sicherheitsabstände sehe ich hier keinen Spielraum, um auf der verbleibenden Restfahrbahn einen ordnungsgemäßen Überholvorgang durchzuführen. Das passt vorne und hinten links und rechts nicht. Vielleicht ist es dann einfach mal so, dass man im LKW-Führerhäuschen ganz hart chillen muss und notfalls die 900 Meter des Wiesendammes mit zwanzig Kilometern pro Stunde hinter einem Radfahrer herfahren muss.
Auf Twitter wurde mehrfach dargelegt, dass der liebe Radfahrer ja den Radweg hätte benutzen müssen. Ich ging davon aus, dass der nach der Teilsanierung des Wiesendamms entfallen wäre, offenbar habe ich mich darin getäuscht. Das ändert aber im Endeffekt nichts an der Ausgangslage, nach § 2 Abs. 4 StVO besteht keine Pflicht, diese Buckelpiste im direkten Dooringbereich zu befahren. Da hilft auch § 1 StVO nicht, den einige Diskussionsteilnehmer fallbackmäßig bemühen wollen, denn was § 2 Abs. 4 StVO bereits umfassend regelt, kann § 1 StVO nicht widerrufen. Dass einige Diskussionsteilnehmer angesichts dieser Erwiderung mehr oder weniger beleidigt den Spielplatz verlassen ist schade.
§ 5 Abs. 6 StVO regelt, dass langsame Fahrzeuge unter Umständen rechts ranfahren oder notfalls anhalten müssen, um mehreren nachfolgenden Fahrzeugen das Überholen zu ermöglichen. Ich halte das hier nicht für einschlägig.
Hentschel schweigt sich leider dazu aus, ob § 5 Abs. 6 StVO in diesem Umfang auch für den Radverkehr in einer 900 Meter langen Straßen gilt, Hentschel kennt aber ansonsten nur Rechtsprechungen zu Fragestellungen, bei denen mindestens zwei Fahrzeuge über mehrere Kilometer nicht überholen konnten.
Auch nach einiger Recherche im Netz klingt der ganze Absatz für mich nicht so, als hätte der Verordnungsgeber im Sinn gehabt, dass Radfahrer alle fünfzig Meter in eine mehr oder weniger passende Parklücke fahren oder gar dort anhalten müssen, um den nachfolgenden Verkehr vorbeizulassen. Das läuft dann in Straßen wie dem Wiesendamm darauf hinaus, dass man mitunter zu Fuß auf dem Gehweg schiebend schneller vorankommt. Hier ging es offenbar eher um außerörtliche Straßen, in denen ein Traktor oder ähnliche langsame Fahrzeuge eine Kolonne anführt.
Wie man sich allerdings als verständiger Mensch auf die Aussage verlegen kann, der LKW-Fahrer habe alles richtig gemacht, weiß ich nun auch nicht. Das widerspricht jeglicher objektiver Betrachtung des Sachverhaltes und lässt für mich eher den Schluss zu, dass so jemand gewisse Vorbehalte gegenüber Radfahrern pflegt. Einige Diskussionsstränge sind hingegen nur noch anstrengend, wenn die Teilnehmer dort plötzlich eine angebliche Mindestgeschwindigkeit, die es abseits von
noch nicht einmal auf Autobahnen gibt, weil da lediglich eine bauartbedingte Geschwindigkeit von mindestens 60 Kilometern pro Stunde vorgeschrieben wird (wobei letzteres durch § 3 Abs. 2 StVO etwas relativiert wird, was aber immer noch keine Mindestgeschwindigkeit ergibt).