Ich hielt es immer für ein absolut infantiles Gebaren, angesichts unliebsamer Berichterstattung immer gleich das jeweilige Zeitungsabo zu kündigen und diese Entscheidung auch noch öffentlichkeitswirksam zu kommunizieren. Man kann, nein, man muss gegenteilige Meinungen aushalten, das gehört zum Wesen einer Demokratie.
Dass aber hinsichtlicher der Berichterstattung über die Urheberrechtsreform eigentlich ausschließlich SPIEGEL ONLINE in der Lage war, zusammen mit Sascha Lobo die Problematik einigermaßen wiederzugeben, enttäuscht mich sehr. Alle anderen Medienhäuser, also FAZ, BILD, WeLT, ZEIT, Tagesspiegel, Süddeutsche und so weiter publizieren nicht nur einseitige Artikel, die weit über das hinausgehen, was man bei einer oberflächlichen, nicht hinreichend sorgfältigen Recherche erwarten sollte, wie es beispielsweise immer wieder beim Thema Radverkehr der Fall ist. Hier paart sich das technische Unverständnis von der Funktionsweise des Internets mit einer mir ungewissen Agenda, dem Leser mit Falschinformationen die Urheberrechtsreform schmackhaft zu machen.
Da steht dann auch so ein Blödsinn drin, dass der Autor eines Zeitungsartikels dank der Urheberrechtsreform mehr Geld bekommt, weil die bislang in Form von Urheberrechtsverstößen veröffentlichten Zeitungsartikel dann direkt monetarisiert würden. Vielleicht bin ich da nicht auf dem neusten Stand, aber allenfalls bekommt die Verwertungsgesellschaft, vielleicht auch der Verlag mehr Geld — aber nicht der einzelne Autor, höchstens mittelbar bei der nächsten Gehaltserhöhung.
Und abseits dessen wird von vorne bis hinten grotesker Schwachsinn geschrieben. Für einige Journalisten ist Technik immer noch eine ominöse Blackbox, die aber irgendwie funktioniert und die natürlich ganz sicher unterscheiden kann, ob dieser Text, den ich gerade schreibe, womöglich ein Plagiat ist oder ein Zitat eines anderen Textes oder ob die Fotos, die ich in die Galerie lade, wirklich meine eigenen sind oder von einem anderen Urheber stammen. In der bunten Journalisten-Welt funktioniert das.
Auch mit diesem technischen Unwissen könnte ich noch leben. Journalisten sind keine studierten Informatiker, sonst schrieben sie Software und keine Zeitungsartikel, und man kann natürlich bei dem ganzen hin und her der Urheberrechtsreform schon mal den Überblick verlieren. Das geht mir schließlich genauso.
Trotzdem habe ich das Gefühl, verarscht zu werden. Gerade weil die ganzen Artikel heutzutage, womöglich wegen der Anbiederung an den Gott des Clickbaits, nicht mehr passiv geschrieben daherkommen, sondern direkt den Leser angreifen: „IHR demonstriert für US-Konzerne!“, „IHR wollt das Urheberrecht zerstören!“ und „IHR seid eigentlich nur Bots!“
Ich habe bislang, ich muss es mal zusammenrechnen, bestimmt über hundert Euro für die Online-Angebote verschiedener Medienhäuser ausgegeben. Ich habe jetzt beinahe alles gekündigt.
Und obwohl ich weiß, dass die vierte Gewalt für die Demokratie überlebenswichtig ist, sehe ich mich momentan außerstande, diese Akteure weiter zu finanzieren.