Fahrradstraße in Bonn vom VG Köln gekippt

  • Was ist denn da passiert?

    Verwaltungsgericht Köln: VG Köln: Fahrradstraße in Bonn-Ückesdorf ist rechtswidrig (nrw.de)

    Zitat

    Die zugrundeliegende verkehrsrechtliche Anordnung lässt sich jedenfalls nicht auf die von der Antragsgegnerin angeführte Rechtsgrundlage stützen. Soweit dem Grunde nach die Anordnung einer Fahrradstraße zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung getroffen werden könnte, um gemeindliche Verkehrskonzepte zu fördern, hat die Stadt Bonn ihre Entscheidung hierauf nicht gestützt. Vielmehr beruht die Ausweisung der Fahrradstraße nach ihrem Vortrag im Eilverfahren alleine auf Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs. Dies setzt aber voraus, dass die Straßenverkehrsbehörde die für das Vorliegen eines besonderen Gefährdungspotenzials sprechenden Gründe darlegt und gegebenenfalls anhand von Tatsachenmaterial dokumentiert.

    Aus StVO §45 (9):

    Zitat

    (9) Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen sind nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Dabei dürfen Gefahrzeichen nur dort angeordnet werden, wo es für die Sicherheit des Verkehrs erforderlich ist, weil auch ein aufmerksamer Verkehrsteilnehmer die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann und auch nicht mit ihr rechnen muss. Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt.

    Satz 3 gilt nicht für die Anordnung von

    ...

    2. Fahrradstraßen (Zeichen 244.1)

    Aus der VwV-StVO zum VZ 244:

    Zitat

    Die Anordnung einer Fahrradstraße kommt nur auf Straßen mit einer hohen oder zu erwartenden hohen Fahrradverkehrsdichte, einer hohen Netzbedeutung für den Radverkehr oder auf Straßen von lediglich untergeordneter Bedeutung für den Kraftfahrzeugverkehr in Betracht. Eine hohe Fahrradverkehrsdichte, eine hohe Netzbedeutung für den Radverkehr setzen nicht voraus, dass der Radverkehr die vorherrschende Verkehrsart ist. Eine zu erwartende hohe Fahrradverkehrsdichte kann sich dadurch begründen, dass diese mit der Anordnung einer Fahrradstraße bewirkt wird.

    Auf welcher Rechtsgrundlage konnte der Anwohner überhaupt klagen? Wodurch war er in seinen Rechten eingeschränkt?

  • Zitat von VG-Urteil

    Denn jedenfalls als Verkehrsteilnehmer kann er gegenüber einer Verkehrsbeschränkung als Verletzung eigener Rechte geltend machen, die rechtssatzmäßigen Voraussetzungen der auch ihn treffenden Regelung lägen nicht vor oder aber seine eigenen Belange seien bei der behördlichen Ermessensausübung rechtsfehlerhaft mit den für die Anordnung sprechenden Belangen abgewogen worden.

    Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1993 – 11 C 35.92; VG Köln, Urteil vom 25. September 2012 – 18 K 4164/11

    Zitat

    Die Antragsgegnerin konnte entgegen ihres Vortrags im Eilverfahren die straßenverkehrsrechtliche Anordnung nicht auf STVO § 45 Absatz 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9stützen. Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten.

    Zu derartigen Verkehrsbeschränkungen gehört auch die Anordnung einer Fahrradstraße (VZ 244.1 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) und eines „Beginns eines eingeschränkten Haltverbotes für eine Zone“ (VZ 290.1 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO i.V.m. dem Zusatzzeichen 1053-30 „Parken in gekennzeichneten Flächen erlaubt“).

    könnte hier der Hund begraben liegen?

    Stadt hat Fahrradstraße damit begründet, dass das Parken da doof und gefährlich ist. in der Folge dann auch HV-Zone angeordnet. Damit hat sie sich also gerade doch auf den Punkt "sicherheit und Ordnung" berufen, anstatt einfach hinzuschreiben: "netzbedeutung! Fahrradstraße!" und dann nach 2 Jahren eben geschickt die HV-Zone nachzuschieben, weil zu viel passiert ist / beinahe passiert ist

  • Aber ruhender Verkehr ist doch gar nicht durch §45 (9) Satz 3 gegen Beschränkungen geschützt, sondern nur fließender Verkehr. Und für Fahrradstraßen gilt Satz 3 nicht.

    *edit: OK, in der Begründung des VG geht es um Satz 1. Aber widerspricht die Anwendung von §45 (9) nicht ohnehin den Anforderungen der VwV-StVO?

  • nach §45 Abs. 1 können sie die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten

    HV-Zone = Beschränkung der Nutzung. Darfst ja nicht mehr halten/parken.


    und der §45 Abs. 9 ist eben: Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen sind nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist.

    HV-Zone = Verkehrszeichen. Ist es zwingend erforderlich? Mag sein, aber genau das hat die Stadt ja nicht dargelegt.

  • Aber es wurde nicht das Halteverbot gekippt, sondern die Fahrradstraße. Wenn es darum ginge, ob in der Fahrradstraße das Halteverbot zwingend erforderlich ist, könnte ich es (fast) nachvollziehen.

    Auf der anderen Seite steht in der PM:

    Zitat

    Soweit dem Grunde nach die Anordnung einer Fahrradstraße zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung getroffen werden könnte, um gemeindliche Verkehrskonzepte zu fördern, hat die Stadt Bonn ihre Entscheidung hierauf nicht gestützt.

    Warum hat die Stadt Bonn dann nicht einfach eine neue Anordnung geschrieben, in der man sich darauf gestützt hat, bzw. die Voraussetzungen aus der VwV-StVO benannt?

  • Meine Vermutung: die Begründung/Ermessensausübung der Beklagten war - wie so oft - halt nicht ausreichend dokumentiert. Denn diese hat ja die komplette "Darlegungslast". Und das Gericht hat doch gesagt, worauf nun zu achten ist. Niemand hindert die Beklagte daran, eine neue VA zu erlassen.