Lieber Autler,
vorgestern haben sich schicksalshaft unsere Wege gekreuzt: Ich war vorschriftsmäßig auf einem benutzungspflichtigen Radweg unterwegs und noch etwa sechs Meter von einer roten Ampel entfernt, als eine Autlerin mit ihrer Blechdose über den Geh- und Radweg fuhr, weil sie ebenfalls vor der Ampel auf grünes Licht warten wollte.
Dumm nur, dass bereits eine andere Blechdose vor der Haltelinie stand, so dass die Autlerin mitten auf dem Geh- und Radweg stehen bleiben musste und diesen, nämlich meinen, Verkehrsweg blockierte. Dumm fand ich auch, dass das Ganze etwa zwei Meter vor meiner Nase passierte und mich die Autlerin bei ihrem Tun sehr wohl gesehen und bemerkt hat.
Diese Ignoranz von Autlern gegenüber den Rechten andere Verkehrsteilnehmer macht mich immer wieder wütend und so habe ich auch dieses Mal über das unverschämte Verhalten dieser Autlerin mir gegenüber geschimpft. Dabei passierte es, dass mein Fahrrad wenige Zentimeter nach vorn rollte und die Stoßstange der blockierenden Blechdose leicht berührte.
Das hat Dich dann auf den Plan gerufen, denn Du hast keine Sekunde gezögert aus Deiner Blechdose zu steigen, auf mich zuzukommen und mir zu erklären, dass ich gerade eine Sachbeschädigung begangen habe, die Du zur Anzeige bringen könntest. Nach Deinem Verständnis von Recht und Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland wäre es auch bereits eine Körperverletzung, wenn man eine andere Person leicht mit dem Finger anstupst. Zum Blockadeverhalten der Autlerin meintest Du, dass ich als Radfahrer nur ein untergeordneter Verkehrsteilnehmer sei und somit einen von einer Blechdose blockierten Radweg zu akzeptieren habe.
Ich habe nun gute zwei Tage lang die StVO und andere Gesetzestexte gewälzt und mehrfach das Google-Orakel befragt, aber ich habe nirgends eine Stelle gefunden, die Deine Aussage zu unter- und übergeordneten Verkehrsteilnehmern belegt. Bekanntlich sieht man sich ja immer zwei Mal im Leben. Vielleicht lässt Du mich beim nächsten Aufeinandertreffen einfach mal an Deinem allumfassenden und fundierten Fachwissen zum Verkehrsrecht teilhaben?
Denn Du hast noch mit einer weiteren Aussage geglänzt. So hast Du gesagt, das Ausbremsen von Radfahrern wäre in Ordnung, weil ja auch die Blechdosen im Stau stehen würden. Vielleicht hast Du es ja aufgrund Deines engagierten Eintretens für von Radfahrern belästigte Autler nicht bemerkt, aber Du hast nicht in einem Stau gestanden, sondern vor einer roten Ampel gewartet - genau so, wie ich es auch getan hätte, wenn mein Verkehrsweg durch eine angeblich übergeordnete Autlerin in ihrer Blechdose blockiert worden wäre. Oder darf ich Deine Aussage als versteckten Neid verstehen, nämlich dass ich als Radfahrer einen Stau umfahren kann, während Du in Deiner stinkenden Bleckkiste hocken und auf die Weiterfahrt warten musst?
Dann hast Du mir noch das Umsteigen auf eine Blechdose empfohlen, damit ich die Sorgen und Nöte eines Autlers verstehen würde. Tja, wie wäre es denn, wenn Du einfach mal auf ein Fahrrad umsteigst, damit Du den täglichen Ärger eines Radfahrers im Straßerverkehr verstehst? In diesem Fall hätte ich nämlich auch die Hoffnung, dass Du die angebliche Agressivität der Frankfurter
Radfahrer verstehen und nachvollziehen könntest, die Du im Verlauf unseres Gesprächs so bitterlich beklagt hast. Ich war fast schon versucht, Dir ein Taschentuch zum Trocknen Deiner Krokodilstränen zu reichen. Aber da ist mir dann die Ampel zuvorgekommen, die endlich auf grün sprang, so dass mein Verkehrsweg endlich geräumt wurde und ich, noch völlig geblendet von Deinem Sachverstand, wieder meines Weges ziehen konnte.
In der Hoffnung, dass ich im Falle eines zweiten Aufeinandertreffens wieder von Deinem unglaublichen Fachwissen profitieren kann, verbleibe ich mit den besten Wünschen,
Deine Frankfurterin