Es greift zu kurz, wenn eine Verkehrsverwaltung ganz schematisch davon ausgeht, wenn Tempo 30 gilt, dann braucht es keinen Fahrradweg. In den meisten Fällen trifft das zu, nämlich wenn es sich um wenig befahrene Wohngebietsstraßen handelt. Aber es müssen viel mehr Straßen Tempo-30-Straßen werden, auch Hauptverkehrsstraßen mit hohem Verkehrsaufkommen. Und da braucht es weiterhin Fahrradwege. Vermutlich sogar dann, wenn eines Tages fast nur noch Fahrräder unterwegs sein werden.
Und hier ist das Problem, dass du zwei Dinge in einen Topf wirfst: 30-Zonen und Vorfahrtsstraßen mit 30 sind zwei grundlegend unterschiedliche Dinge. Die englische Sprache hat dafür sogar zwei verschiedene Worte: "road" und "street".
Eine 30-Zone ist eine Straße für Menschen, auf der jeglicher (!) Fahrzeugverkehr auf die Fahrbahn gehört – bis hin zu radfahrenden Kindern und motorisierten Rollstühlen. Gehwege braucht es nur, um den Fußverkehr zu "lenken", denn Fußgänger haben die unangenehme Eigenschaft, auf der Stelle wenden und stoppen zu können. Autos haben sich in diesen Straßen unterzuordnen und die "30" sind hier keine angestrebte Ziel-Geschwindigkeit, sondern das absolute Maximum, wenn mal nichts im Weg ist. Selbige sollen hier nur das letzte Stück zu ihrem Ziel erreichen. Wenn das nicht funktioniert, hat man wahrscheinlich Schleichverkehr, der unterbunden gehört. Ein oft vergessener Aspekt der Sicherheit von 30-Zonen ist nämlich auch, dass man die Fußgänger, die da herumlaufen persönlich kennt (wenn auch vielleicht nur flüchtig) und es keine Wildfremden sind.
Eine Verbindungsstraße, Hauptstraße, Vorfahrtsstraße oder wie immer wir es nennen (wie gesagt, im deutschen gibt es dafür kein wirkliches Wort) hat eine völlig andere Funktion. Diese Straßen dienen dazu, von A nach B zu kommen und sind eine Verbindung, aber eben kein Ziel. Bei neueren Bauten geht das soweit, dass die Straße gar keine direkten Grundstückszufahrten mehr hat, sondern diese komplett in Seitenstraßen (die eben wieder 30-Zonen sind) verlegt sind. Diese Straßen gibt es, weil heutige Städte so groß sind, dass nicht mehr die Stadt als ganzes ein Ziel ist – oder weil gerade kleinere Orte oft direkten Durchgangsverkehr haben. Und weil diese Straßen eben etwas miteinander verbinden, ist es eben auch ein Ziel, dies schnell zu tun.
Und hier kommt die "Vorfahrtsstraße mit 30" ins Spiel. Denn viele Hauptstraßen sind gewachsen und eben nicht von Anfang an als solche angelegt worden – entsprechend sind sie baulich für 50 ungeeignet. Autos, die auf der Fahrbahn parken; fehlende Radwege oder nur einseitige Gehwege sind hier deutliche Indizien. 30 ist hierbei ein Kompromiss, um den Verkehr weniger stressig zu machen – langfristig gilt es, den Durchgangsverkehr aus diesen Straßen raus zu bekommen.