Ich glaube, solche Läden gibts in jeder Stadt und fast jeder hat das Verhalten schon mal erlebt. Gibt es auch in anderen Branchen, z. B. KFZ-Werkstätten oder Elektrofachgeschäften. Die Ursachen sind wahrscheinlich vielfältig, der eine hat vielleicht handfeste wirtschaftliche Gründe, weil eine kleine Reparatur viel weniger bringt als ein Verkauf an einen anderen Kunden und die Ladenmiete gezahlt werden muss, der andere ist vielleicht eher finanziell unabhängig, aber dafür ein Sturkopf, der aus vergangenen schlechten Erfahrungen sein Verhalten gegenüber neuen unbekannten Leuten leiten lässt.
Aus Kundensicht meide ich solche Läden natürlich auch komplett. Ich würde sogar so weit gehen, es als Test anzusehen - wenn man sich ein teures Rad zulegen will, zuerst mal mit einer alten Möhre, an der man die Schaltung verstellt, eine alte Kette aufgezogen und die Bremszüge gelockert hat, die Läden abklappern und sich dabei freundlich, aber dumm stellen. Dann sieht man gleich, wie die Leute drauf sind und ob sie professionell agieren. Das muss nicht heißen, dass gleich alles stehen und liegen gelassen wird, aber man sieht, ob jeder neue Kunde unvoreingenommen behandelt wird, wie die Terminfindung, Begutachtung, Aufwandsschätzung, Preisfestlegung und die Reparatur dann ablaufen.
Oder anders gesagt, man merkt dabei, ob der Laden was taugt. Wie cubernaut schon richtig geschrieben hat, wenn man heute dank Youtube eine Schaltung als absoluter Neuling in 30 Minuten gut einstellen kann, dann erwarte ich, dass ein geprüfter Zweiradmechanikergeselle oder gar -meister, der das tausende Male gemacht hat, es in 10 Minuten sehr gut hinbekommt (und es dann natürlich auch entsprechend berechnet). Gerade bei solchen einfachen Sachen, wo man mit Erfahrung und Gefühl sehr viel schneller ist als ein Laie und wo der Materialeinsatz gering ist bzw. man auch billiges universelles Material in großen Mengen vorhalten kann, lohnt sich für beide Seiten ja eigentlich:
Als Privatmann zahle ich (beim selben Onlinehändler, nur um des Vergleichs willen) für ein Set aus zwei Bremszügen (je 1,99), zwei Schaltzügen (je 1,99), Endkappen (1,99+2,99+1,50), zwei Schläuchen (je 4,99), zwei Sets Bremsbeläge (je 4,99) und einer Kette (9,99) plus Versand schon über 48 Euro. In den 10ern, 50ern und 100er Werkstattpackungen wären es dagegen: Schaltzüge (je 1,29), Bremszüge (je 1,35), Endkappen (0,14+0,26+0,14), Schläuche (je 2,58), Bremsbeläge (je 4,00), Kette von der Rolle (7,83), also zusammen nur knapp 27 Euro (wobei man in noch größeren Mengen sicher noch bessere Konditionen bekommt). Ich habe also etwa 22 Euro mehr, die ich dem Händler geben kann, ohne dass es für mich einen Unterschied machen würde.
Dazu kommt dann noch die Arbeitszeit und das Können - wenn ich das als Neuling alles selbst wechsle, gehen inkl. Nachlesen, Videos schauen etc. gerne mal eine oder zwei Stunden vorbei, wenn man ehrlich ist (und nur, wenn alles gut klappt). Ein geübter Monteur erledigt das aus dem Kopf und direkt in sagen wir 20 Minuten. Selbst wenn mir meine eigene Zeit nur Mindestlohn wert wäre, hätte ich 40 Euro "zu verpulvern", bevor es sich für mich mehr lohnen würde, es selbst zu machen. auf die 20 Minuten umgerechnet könnte die Werkstatt knapp 120 Euro die Stunde verlangen und es wäre trotzdem besser für mich, es dort erledigen zu lassen. Eigentlich sogar bei noch höheren Preisen, denn ich habe dann kein Ärger mit Schmierfett, brauche keinen Platz, kann mich nicht verletzen oder etwas kaputt machen etc., also lohnt es sich noch viel mehr.
Trotzdem verlangen viele Läden sehr geringe Preise und wundern sich dann, dass sie Kunden anziehen, die auf jeden Cent schauen (nicht weil sie müssen, sondern weil sie gierig sind) oder die unzufrieden sind und einfach allgemein anstrengend. Vielleicht hat sich das über die Jahre ja unbemerkt so eingespielt und ist Gewohnheit geworden. Das geht auch oft Hand in Hand mit dem Schleifenlassen anderer Dinge, Stichwort "Digitalisierung" (ein furchtbares Wort, aber hier halbwegs passend) - es gibt noch viele Läden, die haben bestenfalls ne notdürftige Website und ein Festnetztelefon (ohne System dahinter). Wieso kann ich nicht einen Kalender auf der Website mit freien Slots anzeigen, mir dort einen wählen, meine Anfrage (Reparatur, Neukauf, etc.) angeben und dann automatisiert Benachrichtigungen bekommen, wann ich das Rad hinbringen soll oder wo es abgeholt/angeschaut wird, wie lange das dauert, was es ca. kostet usw.? Oder dass auch allgemeine Fragen direkt beantwortet werden, neue Produkte und Angebote angezeigt werden, all diese Dinge, die schon vor 20 Jahren nicht unglaublich neu waren, aber Leute vom Telefon weghalten und den Mechaniker dadurch an der Arbeit lassen. Für den Kunden ist es ja ebenfalls ein Komfortgewinn, wenn er nicht 7 Läden abtelefonieren muss, sich dreimal weiterverbinden lassen muss und dann auf die Frage wie "was kostet Bremsen wechseln und nachstellen?" ein erschöpftes/grantiges "Keine Ahnung, kommen Sie mal vorbei, dann schau ichs mir an!" kassiert statt Preis und Dauer.
Man muss sich als Geschäftsmann nicht fragen, ob man selbst seine Waren kaufen würde oder ob man teurer oder billiger als die Konkurrenz ist, sondern man muss gute Arbeit abliefern und dafür auch gutes Geld verlangen. Die meisten Leute haben nämlich kein Problem damit, entsprechend Geld auszugeben, wenn sie auch eine passende Gegenleistung erhalten und sich nicht beschissen fühlen. Und da gehören auch kleine Dinge dazu wie Kunden freundlich begrüßen, angenehme Wartebereiche mit Getränken, gute Erreichbarkeit telefonisch und online (auch für Termine), ehrliche Ansagen und realistische Schätzungen sowie Unvoreingenommenheit gegenüber Neukunden.