Hättest du auch noch einen umsetzbaren Vorschlag, wie man den Leuten ihre Angst nehmen kann? Mit Fakten lässt sich schlecht gegen Emotionen argumentieren.
Das ist aber doch so ziemlich das, was die meisten Psychologen so machen, oder? Ich habs ja schon öfter geschrieben: Ich kann es nicht nachvollziehen, dass in diesen Zeiten zunehmend vor "Gefühlen" kapituliert wird. Dabei kommen die ja auch nicht aus dem Nichts, sondern sind oft das Ergebnis der individuellen Sozialisation im Rahmen einer Gesellschaft, in der das Kfz eins der bedeutendsten Statussymbole und Konsumgüter darstellt.
Mich gucken hier alle an, als wäre ich komplett lebensmüde, wenn ich auf der Fahrbahn statt auf dem benutzungspflichtigen Gehweg fahre.
Mich kuckt man mich auch immer an, als käme ich vom Mars. Dabei haben wir hier wenig bis gar keine Radwege. Inzwischen mach ich das auch ganz bewusst so, dass ich quasi überall in Radklamotten auftauche.
Meine Theorie ist ja die: Die Leute sind heutzutage einfach nur stinkfaul und bequem. Nicht umsonst hat das Auto so einen immensen Erfolg, denn dessen Bedienung bedarf so gut wie keiner körperlichen Anstrengung. Aufgrund Bewegungsmangels pfeifen die meisten bei der jährlichen Radtour nach wenigen km eh schon auf dem letzten Loch. Man ist sich auch bewusst, dass das doof ist. Aber zum Glück hat man ja 1001 Gründe, warum das mit dem Radfahren doch "viel zu gefährlich" oder halt auch zu unbequem sei. Also macht man es nicht.
Also wie bringt man Leute dazu,
Erst einmal müsste man sie sachlich überzeugen. Das wird schon schwierig genug sein. Mit anderen Phobien vergleichen, die der Betroffene selber albern findet. Derjenige solle einfach mal eine kleine Statistik führen, wie oft er im Monat auf seinen "sicheren" Radwegen gefährdet und behindert wird. Unfallberichte in der Presse verfolgen. Darauf verweisen, dass in den letzten Jahren zig Radfahrer bei Rechtsabbiegeunfällen auf Radwegen getötet oder schwer verletzt wurden - das müsste ja eigentlich doch grade die Ängstlichen besonders interessieren? Und es ist ja nicht so, dass Autofahren ungefährlich wäre... Es ist aber halt leider auch eine typisch menschliche Eigenschaft, sich grade auch was falsche Ängste betrifft, keine Fehler oder Fehleinschätzungen eingestehen zu wollen.
Manchmal hilft auch ein Führerscheinentzug. Letzten Herbst hatte ich kurz mit einem geplaudert, dem man für ein Jahr den Lappen abgenommen hat. Da der ÖPNV hier unterirdisch ist und er trotzdem weiter zur Arbeit pendeln musste, legte er sich ein E-Bike zu.
Die entscheidende Frage ist: Wie kann man in einer autofixierten Gesellschaft das Radfahren auf der Fahrbahn mit positiven Emotionen verbinden? Wie kann man überhaupt in der Gesellschaft das alltägliche Radfahren mit positiven Emotionen verbinden?
Warum schon wieder "Emotionen"? Ich bin 15 Jahre Auto gefahren, weil ich es musste oder es für gewisse Anlässe am praktikabelsten war. Für mich waren damit in den wenigsten Fällen "positiven Emotionen" verbunden. In Erinnerung blieben mir hier da höchstens die Fahrten in den Urlaub - und da war das Auto auch eher nur Mittel zum Zweck.
Der Alltag ist für mich generell recht "emotionslos". Auch auf dem Rad. Ich radel einfach. Teils aus Spaß an der Freude, teils weil ich es muss (da kein Auto). Radwege gibts keine oder nur sehr wenige - das hindert mich aber nicht, überall hinzufahren, wo ich hin will. Vielleicht ist es auch diese Erwartungshaltung, dass heutzutage immer alles "Spaß" machen muss, warum sich nix ändert? Radfahren ist halt trotzdem verdammt unbequem, da hilft auch die beste Imagekampagne nix. Und da komme ich wieder auf die Faulheit und Bequemlichkeit zurück: Gegen ein klimatisiertes Auto mit bequemen Sitzen, Heizung und Klimaanlage kann ein Fahrrad niemals anstinken. Wenn die Leute grundsätzlich keinen Willen haben, ihren Körper Kälte, Nässe, Wind, Hitze und sonstigen Umwelteinflüssen auszusetzen, werden sie es nicht machen. Es bringt ja sogar nix, die Leute drauf hinzuweisen ("negative Emotionen"), was für eine Geldvernichtungsmaschine so ein Auto ist - und wie lange sie jedes Jahr nur dafür schuften müssen...
Woher wissen wir, dass wir nicht selbst diejenigen sind, die zum Kopfdoktor müssen, weil uns das unterm Strich noch mehr Spaß als Ärger macht?
Ich verweise hierzu auf Erich Fromm. Was in einer Gesellschaft als "normal" oder "krank" gilt und was als "unnormal" oder "gesund" ist weit willkürlicher, als man im ersten Moment vermutet. Letzten Endes definiert das Verhalten der Masse, was als "verrückt" oder "normal" gilt. In den "Fahrrad-Hochburgen" sieht man ja auch, dass die Verkehrsmittelwahl auch zu einem Großteil auf Sozialisation (und auch Herdentrieb) basiert. Dementsprechend lange wird es dauern, bis sich da was ändert. Am besten wäre es wohl, grade den motorisierten Verkehr in den Zentren weiter restriktiv einzuschränken und somit Anreize zu liefern, dass Auto gleich ganz stehen zu lassen.