"Im ersten Absatz geht es darum, dass die Zahl der im Verkehr tödliche Verunfallten insgesamt sinkt, aber die Zahl der getöteten Fahrradfahrer*innen ansteigt."
Da ist nichts dran gelogen, das ist so.
Die Zahl steigt nicht, sie ist das zweite Jahr in Folge gesunken. Bitte auch nicht immer wieder (relative) Anteile und (absolute) Anzahlen durcheinander schmeißen. Dass dir das passiert, ist aber ein verzeihlicher Fehler, weil genau diese Verwehcslung durchaus Kalkül der Meldung war.
Die zweite Manipulation ist die unredliche Gleichsetzung von hohen Anzahlen mit einer hohen Gefährdung. Risiko ist aber ein Bruch, nämlich der Quotient aus Ereigniszahl geteilt durch Exposition. Den Trend des Nenners darf man bei Aussagen zum Trend der Gefährdung nicht einfach ignorieren (bzw. wie in der PM kurzerhand separat bewerten).
Schließlich suggerieren die erhobenen Forderungen entgegen jeder Alltagserfahrung, dass Radunfälle niemals in der Verantwortung der Radfahrer lägen, sondern die Schuld stattdessen stets anderen Instanzen anzulasten sei:
- engüberholende Autofahrer (wogegen allein man ja unbedingt diese sicheren Radwege braucht)
- Behörden, die statt sicheren Radwegen unsichere Radwege bauen bzw. durch mangelnde Instandhaltung die vormals sicheren Wege zu unsicheren Wegen verkommen lassen
- die Regierung, weil deren Geiz erstens den notwendigen Bau von sicheren Radwegen verzögert und zweitens die Administration dazu zwingt, von Anfang an unsichere Wege zu bauen oder vormals sichere Wege verkommen zu lassen.
Alleinunfälle, Unfälle von Radfahrern untereinander bzw mit dem Fußverkehr oder Unfälle mit KFZ, die durch grobe Fahrlässigkeit seitens der Radfahrer verursacht werden, kommen in dieser Gemengelage nur insofern vor, wie man sie als Beleg für 2. und 3. instrumentalisieren kann.
Dass diese Lesart der Unfallstatistik und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen und Forderungen totaler Schwachsinn sind, zeigt der Blick in die Niederlande, die grundsätzlich identische, z.T. sogar noch wesentlich heftiger ausschlagende, Trends aufweisen, obwohl dort doch die vom ADFC erhobenen Forderungen nach allgemeiner Ansicht als erfüllt gelten müssen: stark zunehmende relative Anteile an radelnden Verkehrstoten, explodierende absolute Anzahl an Verletzten, steigende Anteile an radelnden Senioren unter den Verunglückten, steigende Anteile an Pedelecfahrern unter den Verunglückten, steigende Anteile an Alleinunfällen unter den Toten und Verunglückten.
Jetzt kann man natürlich ganz schlau fragen „was ist so schlimm daran, wenn man als Lobbyverband die Leute bisschen behumst, wenn man am Ende schönere Radwege dabei kriegt?“. Das Problem daran ist, dass die Gefühlte Sicherheit (GS) ein zartes Pflänzchen ist. Gerade ein Verein, der nicht müde wird, die Rolle der Radwege für die GS und damit für den zugunsten der propagierten Verkehrswende erwünschten Zuwachs des Radverkehrs herauszustreichen, legt im Eifer des Gefechts um Steuermittel für den Radwegebau die GS in Schutt und Asche und treibt damit die Zielgruppe der „Interested but Concerned“ wieder nachhaltig zurück ins Auto. Knieschuss.