Beiträge von Th(oma)s

    Und "ohne auf den Verkehr zu achten" impliziert, dass man selber (als Radfahrer bzw. als Fußgängerin) nicht zum Verkehr dazugehören würde.

    „Verkehr“ ist im Volksmund das, was auf der Fahrbahn stattfindet, und zwar auch ausdrücklich aus der Perspektive von Ottonormal-Fußgänger heraus betrachtet. Wenn diese Floskel für Radfahrer verwendet wird, dann nicht weil man Radverkehr per se nicht als Fahrverkehr betrachtet, sondern weil der Radverkehr wie Fußverkehr Flächen benutzt hat, die außerhalb der Fahrbahn liegen.

    Ob die Autofahrerin ihn übersehen hat, weiß die Zeitung gar nicht. Vielleicht dachte die Fahrerin ja: "Heute hab ich keinen Bock zu glotzen, ich lass es einfach drauf ankommen?" Das erscheint zumindest plausibler als die Annahme, jemand hält vorsichtshalber vor der Furt an, guckt nach links und nach rechts und erkennt - durch eine plötzliche Sehschwäche verursacht - den Radfahrer nicht.

    „Übersehen“ ist ein Symptom, keine Ursache.

    Im übrigen ist dieses Rummäkeln der Fahrradblase an einzelnen Formulierungen in Presseberichten eine Konsequenz aus dem deutschen Verkehrsunfallstatistikgesetz, das die deutsche Polizei dazu verpflichtet, bei der Unfallaufnahme einen Schuldigen zu bennenen und dazu ein konkretes Fehlverhalten für die Statistik festzuhalten. Das gibt es so im Ausland nicht, so dass Hergang und Schuld bei Verkehrsunfällen bestenfalls erst im Einzelfall vor Gericht zur Sprache kommen und dort abschließend geurteilt werden. Die deutsche Polizei hingegen muss vorsichtig mit konkreten schweren Anschuldigungen sein, da die ad hoc-Einschätzung durch Gutachter und nachträgliche Zeugenaussagen später korrigiert werden könnte. Insofern ist „Übersah“ schon eine eindeutige Zuweisung der Verantwortung an den Verursacher bzw eine eindeutige Entlastung des Unfallgegners.

    Der Polizeibericht liest sich weniger spektakulär:

    Zitat

    Gestern Abend wurden Einsatzkräfte wegen einer lebensgefährlich verletzten Person nach Buckow alarmiert. Ersten Erkenntnissen nach soll ein 35-jähriger Autofahrer gegen 19.15 Uhr die Marienfelder Chaussee in Richtung Lichtenrader Damm befahren haben. Kurz vor der Kreuzung wendete er seinen Wagen und fuhr in Richtung Künheimer Weg weiter. Als er einen Widerstand unter seinem Auto wahrnahm, hielt er an und stellte eine 56-jährige Frau unter dem Fahrzeug fest. Sie verstarb noch am Unfallort. Die Umstände des Vorfalls, insbesondere wie die Verunglückte unter den Wagen gelangt war, sind derzeit Gegenstand der Ermittlungen. Derzeit ist nicht auszuschließen, dass es sich bei dem Geschehen auch um einen Suizid handeln könnte. Die weiteren Ermittlungen führt ein Fachkommissariat für Verkehrsdelikte der Polizeidirektion 4 (Süd).

    Nee, Auto überholt Radfaher, als der Radfahrerin überholt.

    Beim "Radweg" handelt es sich laut Mapillary um einen untermaßigen Radfahrstreifen.

    1) Wegen der durchgezogenen Linie und des engen Luftraums war Überholen vollständig innerhalb des Streifens physikalisch unmöglich.

    2) Der überholende Radfahrer dürfte somit verbotenerweise die durchgezogene Linie überfahren haben.

    3) Dabei hat er dennoch verbotenerweise einen so geringen Seitenabstand zum überholten Fahrrad gelassen, dass er es beim Ausweichen berühren konnte

    4) Der Autofahrer musste nicht damit rechnen, dass ihm der Radfahrer verbotenerweise den Weg abschneiden würde.

    5) Der Autofahrer brauchte auch den beim Überholen durch §5 StVO vorgeschriebenen Abstand von 1,5 m nicht einzuhalten, wenn sich beide Radfahrer beim Auflaufen von hinten zunächst auf dem anderen Straßenteil "Radfahrstreifen" befanden.

    6) Falls er allerdings weit genug entfernt war, während der Radfahrer ausscherte, um dieses Manöver zu bemerken, hätte er gleichwohl den vorgeschriebenen §5-Abstand beim Überholen zum jetzt ja teilweise auf der Fahrbahn befindlichen Radfahrer einhalten müssen.

    7) wahrscheinlich aber erfolgte Passage und Ausscheren des radelnden Überholers simultan, und da es zu keiner Berührung kam, ist es ebenso wahrscheinlich, dass der Autofahrer von der wegen der nötigen Reaktionszeit und dem Zeitbedarf für die Lenkbewegung notwendigerweise erst an die Passage anschließenden Kollision der beiden Radfahrer hinter ihm nichts mitbekommen hat. Um 7:15 ist es Mitte November bei bedecktem Himmel in Osnabrück noch dunkel.

    Aber auch ein Phänomen der gesellschaftlichen Akzeptanz? Wir unterliegen z.B. mit T50 ja keiner unabwendbaren Notwendigkeit. Die VisionZero steht zwar jetzt in der VwV, aber anscheinend gibt es doch sehr viele Menschen, die auf die VisionZero pfeifen, wenn dafür irgendwas am MIV geändert werden müsste.

    Natürlich könnten wir sofort die Energie aus dem MIV rausnehmen, wenn weniger Tote und Verletzte uns das wert wären.

    Wie immer an dieser Stelle der Diskussion der Hinweis darauf, dass vor der Verschärfung der Regeln erstmal die konsequente Durchsetzung der bestehenden Regeln stehen muss. Wir haben ein Vollzugsdefizit, kein Regelungsdefizit.

    Man sollte auch das Potential von T30 als Regelgeschwindigkeit innerorts nicht überschätzen. Im Moment gibt es eine lautstarke T30-Bewegung, die mit dem IMO irreführenden Argument hausieren geht, dass alle anderen (Brüssel, Paris, Spanien, Helsinki, Oslo...) T30 einführen würden, aber bloß Deutschland mal wieder nix auf die Kette kriegt. Das Gegenteil ist der Fall: D ist bei T30 Vorreiter gewesen, und die Strecken, die jetzt im Ausland auf 30 limitiert werden, sind hierzulande schon seit Jahrzehnten Bestandteil von T30-Zonen.

    Was Tote und Schwerverletzte anbetrifft, passiert der Bulk außerorts. Wenn es innerorts heftig kracht, dann häufig in Straßen, die eh schon Bestandteil von T30-Zonen sind bzw. bei Manövern, bei denen entweder ohnehin aus physikalisch-technischen Gründen weit langsamer als 30 gefahren wird (Abbiegen) oder aber die Unfallverursacher sich eben auch schon nicht an die 50er-Limits gehalten haben.

    Ich frag mich immer: Hat jemand den Tod verdient

    Verkehrstod ist ein statistisches Phänomen. Millionen Menschen machen tagtäglich exakt die selben Fehler wie die armen Schlucker, die das Pech hatten, ihr Augenblicksversagen zum falschen Zeitpunkt zu erleiden. Niemand hat das „verdient“ - ganz so, wie die Zugehörigkeit zur großen Majorität, die ein Leben lang von sowas verschont bleibt, auch kein Nachweis besonderer Verdienste ist.

    Auf der Strecke zwischen Zeulenroda-Talsperre und Auma hab ich zwei Kreuze am Straßenrand wahrgenommen. wobei ich jetzt auch nicht herausfinden konnte, ob da ein Zusammenhang besteht.

    Im Unfallatlas sieht der Abschnitt eher unauffällig aus.

    Auf der radunfaelle-Map ist auch kein Eintrag für die Straße.

    Wenn immer es irgendwo knallt, wird es zuverlässig jemanden geben, der sich hinstellt und sagt: "Siehst du, habe ich nicht immer schon an dieser Straße einen Radweg gefordert!?".

    Das ist aber bloß statistisches Texas Sharpshooting, weil es auch für Straßen, wo nie was passiert, immer jemanden gibt, der genau die gleiche düstere Prophezeihung macht. Bisher gab es jedenfalls noch in keiner deutschen Straße im von mir beobachteten Zeitraum (immerhin knapp 10 Jahre) zwei oder mehr tödliche Auffahrunfälle im Mischverkehr.

    Ich glaube, bei ca. 2 Mio. polizeilich gemeldeten Streichholzunfällen pro Jahr mit Streichhölzern, bei denen Angezündete, oder auch nur deren angezündetes Eigentum, zu Schaden kommen, wären Streichhölzer längst verboten.

    Schiefes Bild. Streichholzunfälle müssen ja nicht bei der Polizei gemeldet werden.

    Im Übrigen reden wir auch gerade gar nicht über Streichholzunfälle, sondern ob der Vorwurf zutrifft, dass es in Wahrheit gar keine solche Unfälle gebe, weil es da draußen eigentlich nur so von mutwilligen Brandstiftern wimmeln würde, und über die Frage, ob die Zündler mit ihrem Treiben aufhören, wenn die Presse lauter „Haltet den Brandstifter!“ schreien würde.

    Meiner Meinung nach trägt die oftmals einseitige Berichterstattung, die von der Verantwortung der Unfallverursacher ablenkt und diese in Schutz nimmt, dazu bei, dass das "Augenblicksversagen" häufiger auftritt.

    Augenblicksversagen filtert nicht nach Subjekt, andernfalls wäre es kein Augenblicksversagen. Infolgedessen entspringt das Herumreiten auf der vermeintlich einseitig entlastenden Berichterstattung nach Auto:Rad- bzw Auto:Fuß-Unfällen auch nicht dem Wunsch nach einer allgemeinen Erziehung der Verkehrsteilnehmer zu mehr Rücksicht und Aufmerksamkeit. Vielmehr unterstellt das Genörgel ganz plump den kraftfahrenden Beteiligten nichts weniger als brutale Absicht, und der Polizei nichts weniger als parteiische Kungelei mit offensichtlich (!) Schuldigen. Und schlimmer noch: die Medienschelte stellt alle Autofahrer gleichermaßen an den Pranger: "Seht alle her, so sind sie!". Derartige Anwürfe bewirken bei allen, denen noch nie was passiert ist (und das ist in der Tat die überwältigene Mehrheit der Verkehrsteilnehmer) nichts - außer einem bockenden "Selber!"-Konter.

    Das gewichtigste Argument gegen die These, die falsche Wortwahl in PMs würde das Unfallrisiko erhöhen, ist jedoch der Umstand, dass Deutschland weltweit das einzige Land ist, das überhaupt eine ad-hoc-Schuldzuweisung im Zuge der polizeilichen Unfallaufnahme kennt, wodurch überhaupt erst die theoretische Möglichkeit resultiert, mit Falschaussagen eine Fehllenkung des Autofahrerverhaltens zu bewirken.

    Wenn diese deutsche Eigenart aber wirklich dazu führen würde, dass unsere Autofahrer leichtfertiger mit schwachen Verkehrsteilnehmern umgehen würden als das im Ausland der Fall ist (wo meist nicht mehr in der Zeitung steht als "Es ist noch unklar, was genau passiert ist. Die Polizei bittet alle Zeugen, sich bei ihr zu melden."), müssten wir erheblich mehr schwere Unfälle bei Rad und Fuß haben als das Ausland. AFAICS ist das aber keineswegs der Fall.

    Dem Tagesspiegel gebührt an dieser Stelle mal wieder ein Lob.

    Und Polizeimeldungen nach dem Prinzip "Der US-Präsident verletzte sich tödlich, als er in Dallas mit drei Gewehrkugeln kollidierte" gehören ihren Verfasser*innen links und rechts ...

    Ich bezweifle, dass das Canceln der bisher üblichen Diktion auch nur einen Deut am Unfallrisiko ändern würde. Verkehrsunfälle beruhen auf Augenblicksversagen, aber nicht auf für Erziehungsversuche zugänglicher Absicht oder Unkenntnis.

    Es geht noch weiter: Auch wenn man gleiche Bedingungen berücksichtigt, wird bei höherem Bildungsabschluss mehr Rad gefahren.

    Scheinkorrelation: Studenten ziehen eher in die verdichteten Universitätsstädte mit extrem hohem Parkdruck und haben über lange Zeit nur schmale Einkünfte. Sie wählen daher notgedrungen das Fahrrad. Lehrlinge bleiben eher auf dem Dorf ihrer Kindheit, können sich quasi vom ersten Gehalt ein Auto kaufen, das sie jederzeit nach Belieben parken können, und fahren daher gerne mit dem Hoppelgolf rum. Und das bleibt dann lebenslang oft so.

    Es würde mich sehr wundern, wenn es diese Schere nicht auch in Dänemark oder den Niederlanden gäbe.

    In dem Artikel wird [...] für Fahrradfahrende ein Sicherheitsabstand von 1 m empfohlen. Aber ist damit Außenkante Fahrradgriff, bzw. Außenkante Schulter bzw. sonstiger Körper gemeint? Und selbst wenn, ist dann 1 m wirklich genug? Leider habe ich keine Tabelle gefunden, mit Informationen darüber, wie weit Autotüren aufschwingen.

    Es muss ja nicht immer der Worst-Worst-Case angenommen werden. Selbst Reifenmitte-Türe (anstatt rechtes Lenkerende-linke Rückspiegelkante...) könnte das gröbste Ungemach verhindern, zumal die Aussteiger ja auch dann, wenn sie die Tür unachtsam öffnen, diese nicht jedesmal zwingend bis zum Anschlag aufreißen.

    Überhaupt mehr als 1m beim Öffnen zu beanspruchen, wird mechanisch bei den allermeisten Fahrzeugen schwierig. Da bräuchte es schon einen Zweitürer der Oberklasse. Alles darunter, insbesondere alles 4-türige, bleibt weit unter 1 m. Bei unserer 4-Türigen B-Klasse zB ragte bei einer eigenen Messung AFAIRC das Lot der äußeren Kante bei maximal geöffneter Tür ca. 75cm weiter nach links als das Lot der linken Rückspiegelkante bei geschlossener Tür.

    Eine systematische Messung hat die Autobild angestellt, wobei sie allerdings -der zielgruppengemäßen Windschutzscheibenperspektive geschuldet- nur messen, wie breit die zur Verfügung stehende Lücke zum Aussteigen ist, wenn die Tür vorsichtig bis zum maximal möglichen Winkel in einer Normparklücke geöffnet wird. Da spielen dann nicht nur Länge und Form der Tür sowie die Breite der Füllung eine Rolle, sondern auch, wie viel Platz der Parklücke bereits die Fahrzeugbreite an sich geschluckt hat.

    Es wäre auf jeden Fall widersinnig, dass man nur weil der Strich auf der Fahrbahn 13 cm breiter ist (oder 25 cm breiter als gar keine Linie), einmal 1,50 m Abstand halten muss und einmal gar keinen.

    Überholabstand ist kein Selbstzweck. Er soll als Pufferzone dienen, und Sinn eines Puffers ist, dass er auch gelegentlich (fast ganz) in Anspruch genommen wird.

    „Ausreichenden“ Abstand muss man schon wegen §1 immer lassen. Das kann situationsabhängig auch 1,5m oder mehr sein.

    Eine durchgezogene Linie ist allerdings wie eine Mauer zu betrachten, durch die beide, Überholter wie Überholer, nicht hindurch können/dürfen. Insbesondere darf auch der Radfahrer ihren Luftraum nicht überstreichen. Bei unterbrochenen Linien können/dürfen beide Parteien dagegen bei Bedarf die Seite wechseln, wenn sie den Vorrang des Verkehrs jenseits der Linie beachten, weswegen grundsätzlich etwas mehr Platz sinnvoll ist, um bei Vorrangnahme noch reagieren zu können. Allerdings muss der Abstand wegen des Nachrangs beim Seitenwechsel eigentlich nicht so üppig ausfallen wie ganz ohne Markierung. Spontane Schwankungen des Radfahrers über die Linie sind ja verboten. Außerdem dient der Überholabstand nicht zuletzt dem Ausgleich von Fehlern beim Ausscheren bzw Wiedereinordnen. Wer als Überholer jedoch wegen der beiden Streifen-Markierungen weder Aus- noch Einscheren muss, kann sich auch beim Timing der beiden Manöver nicht verschätzen.

    Bisschen Artikelschelte: die UDV-Studie zeigt keineswegs, dass 18% der innerörtlichen Fahrradunfälle durch Dooring bedingt sind. Die Studie weist vielmehr aus, dass vom Teil der innerörtlichen Unfälle, die direkt oder indirekt mit Parken in Verbindung stehen, 18% Dooring sind. Der Irrtum im Artikel wird wahrscheinlich daher rühren, dass ebenso ein Anteil von 18% aller innerörtlichen Fußgänger- und Fahrradunfälle "im Zusammenhang" mit Parken stehen. Falls diese Quote auch für nur Fahrradunfälle gilt, würde "Dooring" damit nur einen Anteil von 3% (0,18x0,18=0,0324) der innerörtlichen Unfälle ausmachen. Das wiederum passt dann auch perfekt zu den im Spiegel-Artikel genannten 5% der Typ5-"mit dem ruhenden Verkehr"-Unfälle aus der amtlichen Statistik.

    Die im Vergleich zur amtlichen Statistik erhöhten Anteile von "Parken" beruhen nicht auf von der Unfallaufnahme übersehenem Dooring, sondern allein auf der zusätzlichen Einbeziehung von Stehzeugen als Co-Ursache in der UDV-Studie.

    Zum Risiko tödlicher Unfälle durch Dooring -speziell in Verbindung mit Radstreifen neben Längsparkern- habe ich hier was ausgewertet.