Die Wahrheit entsteht in der Rechtsprechung. Und da scheint die Rechtsprechung beim Überholen eines Radfahrers auf einem Radfahrstreifen exakt den gleichen Abstand zu fordern, wie bei einem Radfahrer auf der Fahrbahn.
Oder die Fahrradbubble zitiert die Urteile nur einseitig. Kann ich natürlich nicht ausschließen.
"Urteile" (Plural) gibt es AFAICS nicht. Der einzige mir bekannte Fall betrifft einen Prozess um einen Busfahrer, der das Bein eines 14-jährigen Mädchens überrollte, das einen, leider nicht näher spezifizierten, "Radstreifen" benutzte. Nach dem Pressebericht dazu muss der Unfall mitten auf einer Kreuzung passiert sein (wo es weder Schutz- noch Radfahrstreifen, sondern nur markierte Radfurten gibt), weil beide zunächst noch dicht hintereinander an einer roten Ampel gewartet hatten. Dafür spricht auch, dass der genannte Straßenzug abgesehen von den Kreuzungsstellen gar keine markierten Streifen besitzt.
Was mich an dem Urteil am meisten stört ist, dass der Umstand, wonach das Mädchen in einem "Pulk" von anderen Radfahrern gewartet habe, bei der Bewertung des Vorgangs offenbar keinerlei Rolle spielte. Denkbar ist immerhin, dass die Radler bei Grün auch im Pulk nebeneinander anfuhren bzw. dass die Verunglückte selbst im Begriff war, einen langsameren Radler zu überholen. Dieses Verhalten hätte mit Sicherheit Auswirkungen auf den (Nicht-)Abstand des Mädchens zur linken Begrenzungslinie bzw. die Wahrscheinlichkeit eines Sturzes ohne Anstoß durch den Bus haben können.
Wo wir gerade dabei sind, unsere Verkehrsregeln offenbar an den Folgen von Einzelfällen spektakulärer Freak-Accidents auszurichten, möchte ich daher zu bedenken geben, dass dieser Junge und dieses Mädchen noch leben könnten, wenn die vorbeifahrende Autofahrer die nach dem UDV-Rechtsgutachten angeblich unabhängig von jeder Verkehrsführung (!) kategorisch *immer* notwendigen "mindestens anderthalb Meter" gewahrt hätten. Da ein Radfahrstreifen im Gegensatz zum Schutzstreifen ein selbständiger Straßenteil ist, gibt es jedenfalls damit per Definition ebensowenig ein §5-StVO-"Überholen" wie beim Vorbeifahren von KFZ an Radfahrern mit einem Hochbordradweg oder einer abgepollerten PBL. Oder umgekehrt: wer per Analogie aus dem Verordnungstext für Radfahrer auch für das Vorbeifahren auf Radfahrstreifen feste Mindestabstände ableitetet, muss gut begründen, warum er eigentlich Hochbordwege bzw. PBL von dieser Forderung ausschließt. Kann nicht mal jemand so suggestive Poolnudel-Bildchen mit direkt entlang der Bordsteinkante laufenden Bürgersteigradwegen knipsen?