Umfragen sind bisweilen nicht wirklich geeignet, die komplexen Fragestellungen bei der Verkehrsplanung dahingehend aufzulösen, dass ein Konsens durch die Abstimmung herbeigeführt wird.
Andererseits sind insbesondere finanziell stark unterstützte "Pseudo-Bürgerbegehren" in der Lage wichtige verkehrspolitische Weichenstellungen zu hintertreiben. Wer einmal die Biebricher Allee in Wiesbaden entlanggefahren ist, wird sich in dieser Einschätzung bestätigt fühlen.
Dort hängen viele Protestplakate gegen das Wiesbadener Vorhaben eine City-Bahn zu bauen mit zum Teil "unterirdischen" verkehrspolitischen Ambitionen an den Zäunen großer Villengrundstücke.

Dass viele Städte in den letzten Jahren die Straßenbahn wiederentdeckten und ausbauten oder gar wiedereinführten (bekanntestes Beispiel ist Straßburg) ist an den Villenbesitzern vermutlich vorbeigegangen.
Leider haben aber solche Leute auch den nötigen finanziellen Spielraum einfach mal frech die Behauptung in den Raum zu stellen, die "Citybahn sei Technik von gestern" und das vieltausendfach bei jeder Gelegenheit hinauszuposaunen. Und mit der FDP haben sie einen (finanz-)starken Partei-Verbündeten.
So strengte die FDP sofort eine Klage gegen die Fragestellung an, mit der die Wiesbadener am 1. November über den Bau der City-Bahn entscheiden sollen:
"City-Bahn-Frage: FDP zweifelt Entscheidung an
Nach dem Beschluss über die Fragestellung zur City-Bahn hat die Wiesbadener FDP eine kommunalaufsichtliche Prüfung beim Innenministerium beantragt."
Und die Allgemeine Zeitung (10.7.2020) dient der FDP als Sprachrohr:
https://www.allgemeine-zeitung.de/lokales/rhein-…ung-an_21931234
Trotz des Versuches, die Fragestellung für die Bürgerbefragung durch einen Filmbeitrag (eingebettet in die genannte Quelle) ins Lächerliche zu ziehen, blitzt bei den Interviews durch, dass es eben wirklich keine einfach zu entscheidende Frage ist, wenn alle "Nebenwirkungen" berücksichtigt werden. Genau deshalb ist die Fragestellung so komplex.
Deutlich positioniert haben sich die Wiesbadener RadverkehrsaktivistInnen:
"Radfahrer wollen für Citybahn demonstrieren"
https://merkurist.de/wiesbaden/arbe…monstrieren_Cc9

In dem verlinkten Artikel wird deutlich, dass die Autolobby verbissen ihre Privilegien verteidigt, indem sie die City-Bahn verhindern will:
"Trotz der vielen Schritte, die in der Wiesbadener Verkehrspolitik in den vergangenen Wochen unternommen wurden, sei noch viel zu tun, so Ralf Dreis vom AKU (Arbeitskreis Umwelt Wiesbaden). „Um einer neuen Verkehrspolitik zum Durchbruch zu verhelfen, muss die seit Jahrzehnten von der Autolobby in Wiesbaden verhinderte Straßenbahn, endlich durchgesetzt werden“, sagt Dreis. Dies könne nur gelingen, wenn alle politischen Kräfte, die den Bau der Bahn unterstützen, gemeinsam für das Projekt einstehen und die Wähler davon überzeugen."
Immerhin ist es der FDP nicht gelungen, ihre Ablehnung der Fragestellung durchzusetzen:
"BÜRGERENTSCHEID
Nach Prüfung: Fragestellung zur Citybahn-Entscheidung ist zulässig"
Merkurist vom 6.8.2020
https://merkurist.de/wiesbaden/buer…t-zulaessig_ED9
Wiesbadener macht euch auf zur Teilnahme an der Bürgerbefragung und stimmt für die Citybahn und unterstützt so den Bau der City-Bahn!
Und hier ist die Frage, über die am Sonntag, 1. November 2020, in Wiesbaden abgestimmt wird:
„Soll der Verkehr in Wiesbaden, zur Vermeidung von Staus und weiteren Verkehrsbeschränkungen für den Autoverkehr, durch eine leistungsfähige Straßenbahn (CityBahn) von Mainz kommend über die Wiesbadener Innenstadt bis Bad Schwalbach weiterentwickelt werden, um Verkehrszuwächse aufzufangen und Umweltbelastungen (Luftverschmutzung, Lärmbelastung) zu verringern?“