Vor ein paar Monaten eröffnete ein Onlineversandhändler aus Übersee ein neues Logistikzentrum in Borgstedtfelde, direkt an der Bundesautobahn 7 unweit meiner früheren Heimat in Büdelsdorf.
Seitdem tauchen plötzlich signifikant mehr weiße Lieferwagen auf, in Borgstedt, Rendsburg und Büdelsdorf stehen sie nachts in den Wohngebieten am Stadtrand herum, wo sie morgens von Männern in Warnwesten bestiegen werden und anschließend unter anderem in Kiel auftauchen.
Ich bin mir nicht so ganz im Klaren, ob es einen Grund gibt, dass dieser gewisse Onlineversandhändler auf anonyme weiße Lieferwagen setzt und nicht auf die aus der Werbung bekannten Fahrzeuge mit deren Premium-Farbgebung, aber man wird sich da wohl etwas überlegt haben. Vielleicht ist die Fahrzeugbeschaffung nicht der schnellen Expansionsstrategie der Firma hinterhergekommen, vielleicht will man aber auch vermeiden, sich den Zorn der Anwohner zuzuziehen, wenn diese Fahrzeuge plötzlich überall im Weg stehen.
Spätestens wenn die unterbezahlten Arbeitskräfte aus den Fahrzeugen purzeln und die charakteristischen Pakete des Versandhändlers zur Tür tragen, halte ich es für ziemlich wahrscheinlich, dass es sich um Fahrzeuge aus Borgstedtfelde handelt. Ich glaube jedenfalls nicht, dass just mit der Eröffnung des dortigen Logistikzentrums plötzlich alle möglichen Lieferdienste wie DHL, UPS, GLS, DPD und so weiter auf anonym-weiße Fahrzeuge umgestiegen sind.
Als zusätzlichen Bonus kann mal als Kunde am Liefertag den Standort des Wagens per GPS-Anzeige auf einer Karte verfolgen. Als Software-Entwickler bin ich mir bewusst, dass diese Darstellung nicht besonders genau sein muss und die teilweise schleppende Aktualisierung von mitunter über einer Minute nur zur Abschätzung der ungefähren Ankunftszeit taugt, nicht aber zur Einschätzung des Fahrverhaltens unten auf der Straße.
Trotzdem dachte ich mir, als ich einmal eine Lieferung über diese Anzeige verfolgte: Der muss ja wohl gegen die Einbahnstraße gefahren sein — anders ließ sich die Darstellung auf der Karte nur mit extrem ungenauen Daten erklären.
Es passiert allerdings inzwischen relativ häufig, dass sich ebenjene weiße Lieferwagen gegen die Einbahnstraße bewegen. Muss wohl Zufall sein. Ob es sich hierbei um ein Fahrzeug aus Borgstedtfelde handelt weiß ich natürlich nicht — ich kann nur ungefähre Mutmaßungen anstellen.


Und vor allem stehen diese berühmten weißen Lieferwagen auch plötzlich und quasi andauernd auf Radwegen herum — und machen die Wege komplett dicht, die parken nicht einmal alibimäßig „aufgeschultert“, um wenigstens so zu tun, den „echten Verkehr“ nicht behindern zu wollen. Ob es sich hier um ein Fahrzeug aus Borgstedtfelde handelt, weiß ich natürlich wieder nicht — es steht ja nicht drauf. Da sich drinnen aber zwei Männer in Warnweste aufhielten, die irgendwelche Pakete jonglierten, liegt der Verdacht wenigstens nahe.

Ich kann an dieser Stelle natürlich wieder die üblichen Sprüche rezitieren: „Man kommt doch noch vorbei“, „Man kann ja auch mal warten“, „Er hat auch dein Paket dabei“, „Stell dich nicht so an“, „Es ist ja nur ganz kurz!“

Die Polizei fuhr vorbei, interessierte sich aber natürlich nicht für diesen Falschparker, da es sich ja um den berühmten ruhenden Verkehr handelt und der „echte Verkehr“ nicht behindert wird.
Ich fahre also links über die Fahrbahn vorbei, was mit dem vielen Gepäck natürlich nur mittelgut funktioniert, und just in dem Moment will der Fahrer losdüsen. Das wäre glatt wieder so eine Überseh-Nummer geworden, aber womöglich hätte er mich in seinem Weitwinkelspiegel gesehen, hätte er sich den nicht irgendwo kaputtfahren lassen. Nun ja.

Wem auch immer diese tollen Fahrzeuge gehören, darf gerne einmal ein Fahrsicherheitstraining anordnen.
Und seine Leute ordentlich bezahlen. Es darf meines Erachtens nicht sein, dass diese Menschen für einen Hungerlohn unsere Konsumgüter durch die Gegend fahren, damit wir in Pandemie-Zeiten das Haus nicht verlassen müssen.