An der Bundesstraße 76 bei Röbel gibt es freie Fahrt nur für den „echten Verkehr“. Fahrbahnradeln wird präventiv mit Zeichen 254 unterbunden, aber gnädigerweise wird das, was vorher ein mit Zeichen 240 beschilderter Zweirichtungsradweg war, jetzt als freigegebener Gehweg fortgeführt.

Da hatte ich ja nun echt keine Lust drauf. Ich rechnete mir aus, dass dieser Weg im schlimmsten Fall weitere 2,6 Kilometer bis zur nächsten Kreuzung weitergeht und 2,6 Kilometer schieben, beziehungsweise mit Schrittgeschwindigkeit fahren kommt irgendwo bei einer halben Stunde raus. In einer halben Stunde wäre ich mit normaler Geschwindigkeit aber längst am 15 Kilometer entfernten Ziel.
Also fuhr ich einen Umweg, bei dem ich dann wieder einmal in den Genuss der Schleswig-Holsteinischen Qualitätsradwege kam, die beinahe Ausnahmslos mit Zeichen 240 und „Achtung, Radwegschäden“ beschildert sind.

Im Scheinwerferlicht kommen die alpinen Verhältnisse der Schleswig-Holsteinischen Radwege erst so richtig zur Geltung. Mit den kleinen Brompton-Rädern ist man hier schnell an der Grenze des Erträglichen, beziehungsweise des physikalisch Möglichen. Will man nicht riskieren, hier mit einem Gabelbruch ins Krankenhaus eingeliefert zu werden, sollte man diese blau beschilderten Wunderwege nach Möglichkeit meiden.



Und dann muss ich mir ja noch durchlesen, dass das freidemokratische Landesverkehrsministerium Schleswig-Holstein zum Fahrradland Nummer 1 machen möchte: "Ab aufs Rad im echten Norden" – Landesregierung legt Strategie 2030 vor
Man verzeihe mir die Wortwahl, aber in der Pressemitteilung steckt meines Erachtens zu viel „wir wollen“ und zu wenig Geld. Toll, dass 10.000 Fahrradbügel und 100 Mobilitätsstationen aufgebaut werden sollen. Und toll, dass in dieser Legislaturperiode für fünf Jahre mit zehn Millionen Euro ein paar Lücken im Radwegenetz geschlossen werden.
Aber vielleicht mag mir dann doch mal jemand verraten, wie ich, womöglich als Tourist mit einem elektrisch unterstützten Rad, auf solchen Buckelpisten nennenswerte Geschwindigkeiten fahren soll, beziehungsweise welche Distanzen ich denn zurücklegen soll. Es ist ja schier eine Qual, auf diesen Wegen durchs Land zu fahren und mein braves Fahren auf benutzungspflichtigen Buckelpisten sorgt ja dafür, dass gegenüber der Fahrbahnnutzung meine Durchschnittsgeschwindigkeit bei Radtouren in Schleswig-Holstein irgendwo bei 14 km/h landet.
Nun ist Verkehrsministern das Radfahren traditionell fremd, aber ich habe den Eindruck, dass es sich hier um eine reine Absichtserklärung ohne viel Substanz handelt. Mit ein paar Lückenschlüssen und durchschnittlich zwei Millionen Euro pro Jahr wird man nicht binnen zehn Jahren zum Fahrradland Nummer 1. Meines Erachtens mangelt es hier an fast allem, angefangen bei brauchbarer Infrastruktur, weil in der Regel das Fahrbahnradeln verboten, die blau beschilderte Infrastruktur aber unbrauchbar ist, bis hin zu der Fahrradmitnahme in der Bahn, wenn man davon ausgeht, dass eben nicht jeder Fahrradtourist oder jeder Pendler sein Rad hinten auf dem Auto mitnehmen möchte.