Es wird auch nie langweilig.
Um 19.43 Uhr soll der Zug abfahren, um 19.44 Uhr kommt die Durchsage: Die Abfahrt verzögere sich noch um eine Viertelstunde.
Nach zwanzig Minuten die nächste Durchsage: Im vorderen Führerstand wäre der Zugfunk defekt. Aber die Deutsche Bundesbahn ist ja nicht blöd, wir wenden jetzt in Altona und fahren falsch herum weiter.
Hmm. Etwa die Hälfte der Fahrgäste hält nicht so viel von diesem Manöver und steigen erstmal aus und bleiben am Bahnsteig zurück, während sich die Bimmel in Bewegung setzt. Ob die das falsch verstanden haben, von wegen wir führen nur nach Altona und gar nicht aus Hamburg raus?
Hmm. Im Dammtor behauptet die Anzeige immer noch, der vordere Zugteil führe nach Kiel, der hintere nach Flensburg, da bin ich ja mal gespannt, ob man das in Neumünster wirklich so geregelt bekommt.
Hmm. Ankunft in Altona um 20.12 Uhr. Natürlich keine Auskunft am Zugzielanzeiger, auch keine Anzeige draußen am Zug. Wäre aber interessant zu wissen, welcher Teil des Zuges jetzt nach Kiel und welcher Teil nach Flensburg fährt.
Zwei Minuten später die Durchsage, wir mögen bitte in den vorderen Zugteil umsteigen. Der vordere Zugteil führe nach Kiel, der hintere nach Flensburg. Das war natürlich eine total sinnvolle Aussage, denn den normalsterblichen Fahrgästen ist natürlich nicht klar, dass das Wendemanöver in Altona bedeutet, dass vorne jetzt hinten und hinten jetzt vorne ist. Also noch ein Versuch bei der nächsten Durchsage: Wenn man weiter als nach Neumünster fahren möchte, möge man bitte den Zugteil wechseln.Absolut geil.
Ich war nun plötzlich ganz hinten, denn ich musste erstmal Brompti ausklappen, um überhaupt vom Fleck zu kommen. Dementsprechend war ich der letzte und kam gerade so noch in den vollkommen überfüllten Zugteil nach Kiel. Da hat die Neuordnung nicht so ganz geklappt, es würde also eine Stehparty werden.
Aber immerhin: Was soll nun noch schiefgehen?
Zum Beispiel, dass ich meinen Helm vergessen habe. Der lag noch immer im nunmehr letzten Wagen, ich stand im nunmehr vorderen Wagen.
Boah.
Ich ließ Brompti gleich ausgeklappt und überprüfte schon mal den Fahrplan, ob ich es in Elmshorn acht Wagen weiter nach hinten schaffen könnte. Naja, eeeeeeasy, und zwischendurch kam noch mal der Zugbegleiter und bemängelte, dass ich für das ausgeklappte Faltrad eine Fahrradkarte bräuchte. Brompti ging fast an die Decke, ich auch, aber glücklicherweise sah man aus Kulanz dann doch davon ab, als ich meine missliche Lage darlegte.
Na gut. Elmshorn raus. Rennen. Gegen den Strom, denn der einzige Ausgang des Bahnsteiges liegt hinter mir. Fahrgästen, Koffern, anderen Menschen mit Fahrrädern ausweichen. Am Zugbegleiter des hinteren Zugteils vorbei, der hoffentlich registriert hat, dass ich noch was vorhabe, und nicht ohne mich abfertigt. Bitte, bitte, bitte, bitte, noch drei Wagen. Notfalls rufe ich meine Eltern in Rendsburg an, die den Helm in einer halben Stunde aus dem letzten Wagen fischen mögen, noch zwei Wagen, gleich geschafft, Brompti ächzt in den weißen Rillen für Seheingeschränkte, sind so kleine Räder, die hängen dort fest, letzter Wagen, der Knopf ist noch grün, drücken, Stufe klappt aus, Tür geht auf, rein. Abfahrt. So, Helm gesichert, dann einen Plan schmieden, in Neumünster muss ich wieder nach vorne.
Und wenn’s in Neumünster nicht klappt? Dann nehme ich halt den Folgezug, der dank unserer großzügigen Verspätung quasi direkt hinter uns sein müsste.
„Schon wieder hier?“, fragt eine Dame mit Kinderwagen, der ich in Altona schon entgegen kam, „ja“, antworte ich und lege erneut meine missliche Lage dar, man lacht und scherzt und dann bleibt uns abrupt das Lachen im Halse stecken, dann fange ich laut an zu lachen, keiner stimmt ein, „Pardon“, entschuldige ich mich, ist wohl nicht so lustig.
Was war passiert?
Der Zugbegleiter des hinteren Zugteils kam vorbei. „Jajajaja, ich klapp’s gleich ein“, sagte ich und zeigte auf Brompti. Dann sagt er:
Der hintere Zugteil führe nach Kiel, der vordere nach Flensburg, wir müssten bitte noch einmal tauschen.
Warum?
Weil der hintere Zugteil ja ein kaputtes Funkgerät hätte, das in Kiel repariert werden soll. Darum müsste er nach Kiel fahren. Die Durchsage war entsprechend fröhlich, der Zugbegleiter lobte die sportliche Einlage in Altona und weil das so gut geklappt hätte, probierten wir das gleich noch einmal.
Ich nehme entspannt Platz und schaue mir das bunte Treiben auf dem Bahnsteig an. Manchmal habe ich halt Glück:
Okay, 21.08 Uhr, der vordere Zugteil dampft ab nach Flensburg. Was könnte jetzt noch schiefgehen?
Zum Beispiel dass wir keinen Triebwagenführer bekommen, weil irgendjemand in Hamburg der Leitstelle Bescheid gegeben hätte, dass der Zug defekt wäre und im Bahnhof verbleibt?
Nee, sorry, das hat dieses Mal gut geklappt, gegen 21.10 Uhr setzt sich die Bimmel in Bewegung. Was könnte jetzt noch schiefgehen?
„Klack.“
Für Leute, die nicht so viel RE 7 oder RE 70 fahren: „Klack“ ist das Geräusch, was der Triebwagen bei Überlastung (???) macht. Wir Fahrgäste stellen uns das als eine Art Sicherung vor, jedes Mal bei „Klack“ fällt abrupt die Beschleunigung ab und der Zug hält an.
Der Zug hält an, gibt wieder Gas, „Klack“.
Noch mal: „Klack.“
Nun wäre es Zeit für eine Durchsage, dass diese Zugfahrt irgendwie endet und wir noch mal fünfzig Meter zurück in den Bahnhof rumpeln.
Irgendwie geht’s dann aber fünf Minuten später doch weiter. 21.40 Uhr Ankunft in Kiel.
Der Folgezug, der uns als RE 70 eigentlich auf den Fersen gewesen sein sollte, hatte übrigens wegen technischer Probleme eine Verspätung von 40 Minuten. So gerät der Takt wenigstens nicht durcheinander.
Toll ist übrigens auch das ständige „Störung! Störung! Störung!“, was bei jeder Durchsage aus dem Führerstand zu hören ist. Das passt wenigstens zum Gesamtzustand der Bimmel.