17.45 Uhr
Noch fast gar keiner da. „Förderung des Radverkehrs“ prangt vorne auf der Leinwand unter einer Darstellung der Martinistraße.
Im Sitzungssaal ist es brütend heiß, vielleicht ist es insofern gar nicht so verkehrt, dass der Balkon oben nicht geöffnet ist. Zusammen mit der heißen Luft, die bei der heutigen Sitzung zu erwarten ist, könnte man sich oben direkt ein Ei backen. Ja, okay, Sorry für den Kalauer.
Es bleibt wohl abzuwarten, wie viele kraftfahrende Anwohner heute den Weg in den Regionalauschuss finden werden. Bei der letzten Sitzung harrte man vier Stunden lang aus, bis das Thema schließlich auf den heutigen Termin vertagt wurde, insofern müsste der Saal eigentlich längst überfüllt, ja, am Kochen sein, aber momentan sitzen lediglich fünf Zuschauer auf den Bänken.
Immerhin stehen die interessanten Themen heute direkt vorne auf der Tagesordnung, vier Stunden bei diesen Temperatur-Themen-Mix wären wohl nur schwer erträglich.
Als Lesestoff gibt es noch eine dicke Anlage inklusive Tagesordnung, schwere Kost, mehr Seiten als meine Abschlussarbeit. Vielleicht könnte man so etwas ja als Sammelband mit Buchrückenmotiv herausbringen.
18.00 Uhr
Los geht’s.
Erstmal wird die Tagesordnung neu sortiert.
Peter Kroll sorgt für Herrn Bohlen als stellvertetenden Fraktionsvorsitzenden nach, der aus beruflichen Gründen ausscheidet.
18.04 Uhr: TOP 2: Aktuelle Viertelstunde
Keine Eingaben.
18.05 Uhr: TOP 4.1
Vorstellung der ersten Verschickung der Planung.
Man habe mit der ersten Verschickung einen Spagat hinlegen müssen, da bereits Optimierungen für die Busbeschleunigung vorgenommen worden wären, die man nicht mehr verändern wollte. Angesichts des angrenzenden Klinikums wäre mit vielen Versehrten und Senioren zu rechnen, gerade Barrierefreiheit wäre also sehr wichtig. Bei der Planung wäre also Radverkehr wie Fußverkehr zu berücksichtigen.
Die Planung ist in dem dicken PDF-Download enthalten.
6,50 Meter Fahrbahnbreite, 2,75 Meter Radfahrstreifen inklusive Sicherheitsstreifen, Parkplätze und so weiter ergäben eine Straßenbreite von 24 Metern, man habe aber im Querschnitt nur 17 Meter zur Verfügung, die insbesondere von Bäumen eingegrenzt würden. Man habe also einen Kompromiss machen müssen.
Der Querschnitt gäbe es nicht her, dass sich zwei Kraftfahrzeuge und Radfahrer gleichzeitig begegnen, man müsse zum Überholen jeweils auf die Gegenfahrbahn ausweichen. Bleibt ja die Frage, ob hier womöglich eine Mittellinie aufgetragen wird, dann wird das Überholen bestimmt ungemütlich.
Der Fußgängerüberweg wurde verschoben, da der dort haltende Bus regelmäßig von schnell fahrenden Kraftfahrern überholt würde, und Fußgänger zu spät wahrgenommen würden. Nun müsste allerdings ein Baum gefällt werden, der ansonsten die Fußgänger verdecke.
Im Bereich Rondell entfallen zugunsten von Schutzstreifen 52 Parkplätze.
Noch mehr Parkplätze entfallen hier und da und dort.
18.35 Uhr: Fragen zur Planung
Frage 1: Sehr nette Planung, vielleicht kann man damit die Anzahl der Gehwegradler reduzieren. Auch wenn angesichts der Überholabstände zum Überholen die Gegenfahrbahn nutzen müsste, werden Kraftfahrer den Sicherheitsabstand zu Radfahrern auf dem 1,5 Meter breiten Schutzstreifen unterschreiten. Könnte man nicht die Restfahrbahn verschmälern und stattdessen breitere Schutzstreifen anlegen?
Antwort: 6,50 Meter Fahrbahnbreite wären von der Polizei vorgegeben, damit zwei entgegenkommende Busse nicht auf die Markierung der Schutzstreifen ausweichen müssen und diese beschädigen.
Frage 2: Wie werden Parkplätze und Gehwege getrennt, um die Restbreite der Gehwege sicherzustellen? Wieso ist einer der Fahrstreifen irgendwo nur 2,5 Meter breit? Am UKE ist ein Gehweg von 1,78 Metern Breite vorgesehen, warum nicht zwei Meter?
Antwort: Der enge Fahrstreifen ist einer geradlinigen Führung der Infrastruktur geschuldet. Die schmalen Nebenflächen ließen es nicht zu, eine Bordsteinkante einzuziehen, um Parkstände und Gehwege zu trennen. Die Wurzelausbildung der Bäume verbiete das. Dem Wurzelwerk im Boden wären auch die schmalen Gehwege geschuldet, dort könne man nicht eingreifen. Wie die 1,78 Meter allerdings zustande kommen, wisse man nicht, da sollten eigentlcih auch 2,5 Meter eingezeichnet sein.
Frage 3: Wie soll das Überholen von Radfahrern unter Berücksichtigung der Straßenverkehrs-Ordnung ablaufen? Man müsse dann ja mit dem Auto auf die Gegenfahrbahn ausweichen.
Antwort: Ja.
Frage 4: Frage zu der Ampelanlage an der Frickestraße. Warum steht die nur auf der einen Seite?
Antwort: Man müsste dafür eine so genannte Vollsignalisierung dieses Knotenpunktes vorsehen. Das wäre aber ein ganz erheblicher Umbau mit entsprechendem Aufwand. Die Polizei als Straßenverkehrsbehörde habe das abgelehnt, da könne man als Planer nichts machen. Die Straßenverkehrsbehörde in Hamburg ordne so etwas grundsätzlich nicht an, da es ja im Sinne der Straßenverkehrs-Ordnung nicht erlaubt wäre, eine Kreuzung zuzufahren.
Frage 5: Könne man nicht den Kfz-Durchgangsverkehr ausschließen? Es gäbe ja genügend Parallelstraßen. Das wäre doch im Sinne der CDU, die immer wieder fordert, dass sich Radfahrer von Hauptverkehrsstraßen fernhalten sollen. Außerdem: Kinder müssen auf dem engen Gehweg mit dem Rad fahren, dort sollten dann Fahrräder mit Menschen mit Kinderwagen, Rollstühlen oder Krücken konkurrieren? Das wäre doch wieder nur ein sehr autozentriertes Vorhaben mit dieser Planung. Warum müsse man eigentlich immer der Verbreiterung der Kraftfahrzeuge folgen und die Parkplätze weiter verbreitern, warum könne man nicht einfach die Parkplätze auf eine Breite limitieren? Sollen die Leute doch sehen, ob sie so ein dickes Auto fahren müssen.
Antworten: Man wäre im Straßenquerschnitt nunmal sehr beschränkt. Mehr könne man für den Fußverkehr nicht herausholen. Es wäre eben eine generelle Diskussion, wo man in Hamburg verkehrsmäßig hinwolle — momentan genieße eben der Kraftverkehr Priorität.
Frage 6: Es gäbe schon ein Schild „bei rot hier halten“, das hänge aber sehr hoch.
Antworten: Vorschlag wird weitergegeben.
Frage 7: Er gehöre zu der verachteten Gruppe der Autofahrer. Es gäbe in Hamburg immer mehr Autofahrer, viele Ziele, gerade außerhalb der Stadt, wären nur mit dem Auto zu erreichen. Wo sollen die Leute denn nun parken? Der Parkdruck würde immer mehr erhöht durch Bauarbeiten, Neubaugebiete und so weiter. Man müsse eben abwägen, ob man eine wachsende Stadt möchte oder das, was die lieben Radfahrer wollen.
Frage 8: Frage zu einem Neubaugebiet an der Martinistraße.
Frage 9: Warum nicht Tempo 30, wenigstens vor schutzbedürftigen Einrichtungen?
Antwort: Tempo 30 wäre von der Polizei abgelehnt worden.
Frage 10: Was soll die Umwidumg des kleinen Sackgässchens der Frickestraße als Fahrradstraße? Diese Aufpflasterung koste 80.000 Euro.
Antwort: Die Aufpflasterung koste sicherlich keine 80.000 Euro.
Frage 11: Beim Kinder-UKE gäbe es nur eine Mini-Parkfläche. Hätte man da nicht rechtzeitig über ein Parkhaus sprechen können?
Antwort: Nächste Woche gäbe es ein Gespräch mit dem UKE, da würden solche Fragen sicherlich diskutiert.
Frage 12: Für Berufstätige ist es unmöglich, nach 18 Uhr wieder einen Parkplatz zu finden. Was wird getan, um den Autofahrern zu helfen? Man arbeite außerhalb Hamburgs, möchte aber gern in Hamburg wohnen, weil Hamburg eine schöne Stadt wäre, man wäre darum auf das Auto angewiesen.
Antwort: Man ordne Anwohnerparkzonen nur dort an, wo es so viele Parkflächen wie Anwohner gibt. Durchs Anwohnerparken werde der Parkraum nicht vergrößert, es würde dort immer noch ein erheblicher Mangel an Parkflächen herrschen.
Frage 13: Noch mal zum Anwohnerparken.
Antwort: Es gäbe ein Parkhaus, ein Parkpltz koste 120 Euro im Monat. Wenn man das nicht bezahlen wolle, müsse man eben einen Parkplatz suchen.
Frage 14: Hier würden Bürgerrechte beschnitten. Pkw-Fahrer wären die letzten Bürger dieses Landes. Wenn man abends Freunde besuche, fände man keinen Parkplatz mehr. Man müsse zwangsläufig auf dem Gehweg oder in Grünflächen parken, dann werde man aber abgeschleppt. Viele Menschen könnten am Wochenende keinen Ausflug mehr machen, weil sie ihr Auto nicht nutzen könnten, dann wäre der Parkplatz sofort weg. Das wäre Freiheitsberaubung. 120 Euro für einen Stellplatz kann man sich nicht leisten!
Antwort der Linkspartei zum Mobilitätswandel und Systemumsturz. Wenn man mit dem Auto fahre, müsse man eben heutzutage damit rechnen, es nicht kostenlos überall abstellen zu können. Es habe ein Umdenken stattgefunden.
Frage 15: Für eine Familie mit drei Autos wären das über dreitausend Euro pro Jahr! Wer soll sich das leisten können?
Frage 16: Der Tagesordnungspunkt hieße „Förderung des Radverkehrs“, es ginge aber nur um Parkplätze.
19.36 Uhr: Top 4.1.4: Kein Verlust von 100 Parkplätzen!
Die CDU möchte, dass die Planung eingestellt werden, wenn die Parkplätze nicht erhalten bleiben können. Die Parkplätze stünden bereits heute nur zum Teil den Anwohnern zur Verfügung, da dort auch Gäste des UKE parken. Auch für Anwohner der umliegenden Wohngebiete wäre die Martinistraße der letzte Notnagel, wenn alles zugeparkt wird. Autos lösten sich nunmal nicht in Luft auf.
Und so weiter und so fort. Applaus!
Die Grünen kündigen fröhlich an, den Antrag abzulehnen. Verbesserungen für den Fuß- und Radverkehr wären nur möglich, wenn Parkplätze erhalten blieben — somit wären diese Verbesserungen aber gar nicht möglich. 5.000 Radfahrer stünden hier nur 10.000 Kraftfahrzeuge gegenüber, da müsste eine entsprechende Infrastruktur folgen. Tempo 50 und Mischverkehr wäre hier keine Alternative.
SPD: Ein Teil der entfallenden Parkplätze wäre den Anforderungen der Feuerwehr geschuldet. Da ließe sich nicht viel dran drehen. Tempo 30 wäre hier eigentlich notwendig, auch entgegen der Wünsche von Polzei und HVV. Viel mehr würde der Gelenkbus im Mischverkehr mit Radfahrern ohnehin nicht fahren können.
Die LINKE will dem Antrag auch nicht zustimmen, die Besucher des UKE könnten ja auch die Tiefgarage nutzen.
Abstimmung: Abgelehnt.
19.52 Uhr: TOP 4.1.4
Antrag zu Tempo 30 zu schutzbedürftigen Einrichtungen: Einstimmig angenommen.
19.53 Uhr: Schluss für die für mich interessanten Themen, ich haue aus dieser Sauna ab.
19.54 Uhr: Noch ein Hinweis vom Planungstypen: Die 5.000 Radfahrer pro Tag beziehen sich auf einen Zeitraum von 6 bis 19 Uhr an einem kühlen Frühjahrtag, der Kraftverkehr würde jedoch täglich rund um die Uhr gemessen und gemittelt. Insofern dürfte gerade in der warmen Jahreszeit der tatsächliche Durchsatz an Radfahrern höher sein.