In den letzten Wochen wurde dann noch einmal deutlich, wie absurd diese ganze Debatte eigentlich ist. Unsere lieben Volksvertreter im Europäischen Parlament sind nunmal gar nicht in der Lage, die Tragweite dieser Upload-Filter zu fassen.
Ein so genanntes flammendes Plädoyer für Upload-Filter hielt die grüne EU-Abgeordnete Helga Trüpel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Von dieser Ausgabe lud sie anschließend ein Foto in ihr Twitter-Konto — und stellte mit diesem Upload eindrucksvoll dar, dass sie gar nicht weiß, was die von ihr so geschätzte Urheberrechtsreform eigentlich auslöst.
Würden Upload-Filter in der damals vorgeschlagenen Fassung implementiert, wäre nicht nur ihr Tweet direkt gelöscht, sondern vermutlich auch ihr Twitter-Konto direkt gesperrt worden.
Der Algorithmus dürfte sich äußerst schwer tun mit der Einschätzung, dass es sich, wie von Trüpel behauptet, um eine Darstellung im Geltungsbereich des Zitatrechts handele. Die Debatte, von der ein Teil im Thread unterhalb des Tweets zu lesen ist, ging aber noch weiter.
Es wären nur nichtkommerzielle Plattformen betroffen, argumentierte Trüpel — was ja eine ganz tolle Einschätzung ist: In der Vergangenheit wurde in der Rechtsprechnung nicht besonders scharf zwischen kommerziellen und nicht-kommerziellen Internetangeboten unterschieden, da schwirrte eher der Begriff der Geschäftlichkeit herum. Und dieses Forum beispielsweise dürfte eindeutig als geschäftlicher Betrieb gelten, womit dann selbstverständlich auch die verschärften Regelungen der Urheberrechtsreform inklusive Upload-Filtern und allem drum und dran Anwendung fänden. Es stellte sich schließlich heraus, dass Trüpel wohl eher die privat betriebene Homepage mit ein paar Urlaubsfotos im Hinterkopf hatte — was ja wiederum gleich die Frage aufwirft, ob die Urlaubsfotos nicht über einen externen Dienstleister wie Flickr, Deviantart oder Amazon Prime Photos angeboten werden, die wiederum Uploadfilter implementieren müssten, so dass… naja, ihr versteht im Gegensatz zu Trüpel das Dilemma, oder?
Und wenn ich Trüpel richtig verstehe, ging sie davon aus, dass Twitter ganz selbstverständlich eine Lizenz der FAZ erworben hätte, um diese Inhalte weiter darstellen zu dürfen. Davon gehe ich einfach mal nicht aus, die großen Anbieter werden einen Teufel tun, mit jedem popeligen Verlagshaus in irgendwelche Lizenzverhandlungen zu treten. Das wird laufen wie bei Google News in Spanien: Einfach dichtmachen, einfach sperren, zack, fertig. Warum sollte man sich die Mühe machen, im europäischen Markt zu bestehen, wenn der Markt derart kaputt ist?
Dann Axel Voss, der große Befürworter der Urheberrechtsreform; dieser Entwurf ist maßgeblich unter seinem Einfluss entstanden. Auch er weiß leider nicht so recht, was er da tut, denn er, beziehungsweise sein Social-Media-Team, schmücken seine Aktivitäten in sozialen Netzwerken gerne mit Fotos, bei denen die Lizenzierung unklar ist. Buzzfeed fragte bei seinem Team nach, erhielt dumme Antworten, dafür ist jetzt ein wesentlicher Teil der bemängelten Fotos verschwunden — da kann man sich ja auch seinen Teil denken.
Es wäre natürlich besonders tragisch, wenn ausgerechnet Voss’ Veröffentlichungen einem Upload-Filter zum Opfer fielen.
Zum Opfer fielen dem Upload-Filter allerdings auch eine ganze Menge Tweets von Erika Steinbach, die ihre so genannten Share-Pics der AfD besonders häufig mit urheberrechtlich geschützten Material ausstaffiert. Das Foto der angeblichen Kinderehe ist zwar für die kommerzielle Nutzung ohne Nachweis freigegeben, aber, und das zeigt wunderbar den Knackpunkt dieser ganzen Urheberrechtsdebatte auf, Twitter wäre auch für einen Urheberrechtsverstoß seitens Steinbach haftbar, wenn sie im besten Wissen und Gewissen das Foto von pixabay nutzt, das Foto auf pixabay aber gegen den Willen des eigentlichen Urhebers hochgeladen und als „frei“ deklariert wurde. Im Zweifelsfall würde Steinbachs Tweet also ebenfalls der Entsorgung zugeführt.
Es ist mir übrigens schon häufiger passiert, dass Fotos von der Critical Mass Hamburg oder vom Ride of Silence etwa bei Nachrichtenportalen widerrechtlich genutzt wurden. Die Redakteure, zu denen auch Angestellte der Axel Springer SE, dem größten Befürworter der Urheberrechtsreform, gehörten, gingen davon aus, man dürfe alles, was im Internet veröffentlicht wurde, auch kostenlos weiterverwenden, denn, äh, ja, „Quelle: Internet“.
Es wurde dann aber noch mal einer obendrauf gesetzt, wenn das Foto in Bilderdatenbanken eingespeist wurde und dort ohne Quellenangabe als frei verwendbar kategorisiert wurde. Das fiel mir dann auf, als eines meiner Fotos plötzlich in einer Kundenzeitschrift einer Supermarktkette auftauchte, deren Verlagshaus als Tochter eines anderen Verlagshaus die Bilderdatenbank teilt und über dieses vermeintlich frei verfügbare Foto stolperte.
Mit der Urheberrechtsreform könnte ich dann nicht nur gegen die unrechtmäßige Veröffentlichung, sondern auch gegen die Einspeisung in Bilderdatenbanken sowie die daraus entstehende unrechtmäßige Weiterverwendung vorgehen — selbst wenn der Endnutzer davon ausging, das Foto kostenlos nutzen zu dürfen. Wie tragisch, wenn ich ausgerechnet an Axel Springer ein paar saftige Rechnungen hätte verschicken können!
Wenn Axel Voss und Matthias Döpfner in ähnlicher Art und Weise argumentieren, dann braucht man sich über dieses ganze Vorhaben echt nicht mehr zu wundern.
Dazu ein ganz wunderbarer Tweet über die Recherchebereitschaft des Autors: https://twitter.com/PeterHuth/status/1018959708508614656